Glasfaserkabel für die Astronomie Sterbende Sterne im Visier

Night mountains before sunrise in the Egypt.

04.10.2017

In den Bergen Namibias fahndet das HESS-Teleskop nach Gammastrahlung aus den Tiefen des Universums, die von verglühenden oder rotierenden Sternen ausgesandt wird. Zur Bewältigung der großen Datenmengen kommen Glasfaserleitungen bei der Übertragung zum Einsatz, die sich auch im Industrieumfeld bewähren.

Wer in der Astrophysik Erfolg haben will, braucht Geduld und schnelle Reaktionen. Im Universum passieren zwar unablässig spektakuläre Ereignisse, doch in den unendlichen Weiten sind diese leicht zu übersehen, und viele dauern nur kurz an. Wer sie von der Erde aus beobachten will, der muss schnell reagieren können, wenn sie passieren. Solche Ereignisse sind zum Beispiel Gammastrahlenausbrüche. Charakteristisch ist ihr schwaches blaues Licht in der Atmosphäre, das so genannte Tscherenkow-Licht. Nach den Gammastrahlenausbrüchen fahnden Wissenschaftler rund um den Globus – besonders erfolgreich gelingt es am HESS-Teleskop (High Energy Stereoscopic System, siehe Kasten) in Namibia. Hier im südlichen Afrika am Atlantischen Ozean ist die Luft klar und der Blick ins All ungetrübt.

Wenn die Astrophysiker einen Gammastrahlenausbruch entdecken, richten sich ihre Teleskope schnell in Richtung der vermuteten Quelle am Nachthimmel. Die Teleskope – das große 28-Meter-Teleskop im Zentrum der Anlage wiegt 600 Tonnen – drehen sich dann mit einem Grad, was etwa einem Meter pro Sekunde entspricht, um die eigene Achse oder neigen den Spiegel auf und ab. Das erfordert für die Datenübertragung spezielle, für bewegte Anwendungen ausgelegte Kabel. Das sehr trockene Klima bedeutet für Mensch und Material zudem hohe Belastungen.

Damit dennoch alles reibungslos funktioniert, ist Albert Jahnke nahezu rund um die Uhr im Einsatz. Der Elektroingenieur lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Namibia, seit 2006 als Consultant am HESS-Projekt, das vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg koordiniert wird. In den letzten Monaten war Jahnke mit dem Upgrade der alten Anlage beschäftigt – und dazu gehörte das Verlegen neuer Kabel, darunter auch hunderte Meter Glasfaserleitungen von der Stuttgarter Lapp Gruppe.

600 Tonnen in Bewegung

Die Technik der vier 13-Meter-Teleskope, die in den Ecken eines Quadrats mit 120 Meter Seitenlänge stehen, ist inzwischen rund fünfzehn Jahre alt. Das große 28-Meter-Teleskop in der Mitte wurde erst 2012 errichtet. Fünfzehn Jahre sind angesichts der Fortschritte in der Kameratechnik und der Datenerfassung eine halbe Ewigkeit. 2015 begannen die Ingenieure daher, die alten Kameras zu ersetzen und planten die Verlegung neuer Glasfaserleitungen. Das wurde notwendig, um die ständig anwachsenden Datenmengen zu bewältigen.

Bis dahin wurden sämtliche Kabel vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg beschafft und von Deutschland aus nach Namibia verschifft. Das Institut wollte diesen Aufwand reduzieren und suchte deshalb einen Kabellieferanten im Süden Afrikas. Dieser sollte Glasfaserkabel im Sortiment führen, die auf die schnellen Bewegungen der Teleskope ausgelegt sind.

Eine weitere Anforderung an die Kabel: Wegen des begrenzten Platzes in der Energieführungskette sollten nicht mehrere einzelne Glasfaserkabel verlegt werden, sondern ein Kabel mit hoher Packungsdichte.

Flexible Hilfe für Projekte

„Im Katalog des Stuttgarter Kabelherstellers Lapp haben wir ein zwölffasriges Kabel gefunden. Das war genau was wir gesucht haben“, sagt Jahnke. Der Haken: Die Mindestbestellmenge dieser ganz besonderen Hitronic-Leitung sind normalerweise 3.000 Meter – für die Neuverkabelung wurden aber nur 380 Meter benötigt. Jahnke nahm in Namibia Kontakt zur Firma Ecotech auf, die in der Hauptstadt Windhoek Automatisierungsprojekte in der Prozessindustrie betreut und außerdem exklusiv im Land die Lapp-Produkte vertreibt. Ecotech vermittelte den Kontakt zu Lapp Southern Africa und zum Produktmanagement der Lapp Gruppe in Stuttgart. Das Ergebnis der Gespräche war eine projektbezogene Sonderproduktion von 500 Meter – davon sind inzwischen 380 Meter im HESS verlegt, der Rest dienst als Reserve.

Kabel mit Ausfallsicherheit

Über die Fasern – jede überträgt 10 Gigabyte pro Sekunde – übermitteln die Kameras ihre Signale an einen Rechner im Kontrollzentrum, darunter sämtliche Bilddaten sowie die Triggersignale, die alle fünf Kameras zeitlich synchronisieren. Übermittelt werden Daten nur, wenn zwei oder mehr Teleskope gleichzeitig Tscherenkow-Licht aufnehmen, denn nur dann handelt es sich wahrscheinlich um einen Gammaimpuls von einem Stern. Dabei werden nicht alle Fasern genutzt. Im Regelbetrieb sind nur vier Fasern in Nutzung, in Ausnahmefällen können es auch mal sechs sein. Die übrigen Fasern dienen als Reserve und werden automatisch zugeschaltet, wenn eine Faser ausfallen sollte. „Sicher ist sicher“, findet Jahnke, schließlich gebe es in den Bergen Namibias, mehrere Fahrtstunden von der Hauptstadt Windhoek entfernt, niemanden, der mal eben kurz ein neues Kabel verlegen könne.

Die Hitronic Leitung ist ausgelegt auf dynamische Anwendungen, kann also im Laufe des Betriebs ständig bewegt werden. Beim Einsatz in Schleppketten sind Geschwindigkeiten bis 10 Meter pro Sekunde möglich. Die maximale Beschleunigung beträgt ungefähr die doppelte Erdbeschleunigung. Die Einzel­adern sind inklusive Sekundärummantelung 0,9 Millimeter dick und besonders biegebeständig.

Im Kabel sind die Fasern als Einzel­adern ausgeführt – jede Faser verfügt also über Zugentlastungselemente aus Aramid und einen Mantel aus einem halogenfreien Kunststoff mit geringer Rauchdichte im Brandfall. Der Vorteil dieses Aufbaus: An jedes Einzelkabel­element kann direkt ein Stecker konfektioniert werden. Das Kabel enthält dann diese Einzeladern sowie ein Zentralelement, Füllstoffe und eine Armierung mit Aramidgarn. Der Außenmantel besteht aus PUR, er ist UV-beständig, halogenfrei, ölbeständig, metallfrei und hoch abriebfest. Dadurch ist das Kabel mechanisch sehr robust und gut geeignet für Anwendungen in der Industrie mit sich ständig wiederholenden Bewegungsabläufen, insbesondere in Schleppketten.

Spezialkabel für Hitze und Trockenheit

Das zwölffasrige Kabel ist nicht das einzige Lapp-Produkt, das im Zuge des Upgrades im HESS eingebaut wurde. Eine vierfasrige Hitronic-Leitung übermittelt Daten zur Kalibrierung der Kameras mittels LED-Leuchten. Das geschieht jede zweite Nacht, um das Rauschen der Photomultiplier, die die schwachen Lichtsignale verstärken, möglichst gering zu halten. Neben der vier- und zwölffasrigen Ausführung hat Lapp noch Varianten mit zwei und acht Fasern im Programm, jeweils verfügbar mit den gängigen Fasertypen (Singlemode 9/125 µm OS2, Multimode 62,5/125 µm, Multimode 50/125 µm OM2 bis OM4). Am Teleskop wird jede Kamera mit einem Ölflex-Crane-Kabel mit Strom versorgt. In der Anlage befinden sich noch einige ältere Hitronic-Leitungen mit 1 GB/s, die fest verlegt sind, die also den Bewegungen der Teleskope nicht folgen müssen. Zu guter Letzt sind manche Leitungen in Silvyn-Kabelschläuchen verlegt, um sie vor äußeren Einflüssen zu schützen. „Wir sind sehr zufrieden mit den Produkten von Lapp“, lobt Jahnke. Wie die Kabel Hitze und Trockenheit aushalten, wird sich allerdings erst in einigen Jahren zeigen. Doch der Ingenieur ist optimistisch: „An den alten Kameras hatten wir vereinzelt schon Lapp-Kabel im Einsatz und die haben bis zuletzt bestens funktioniert.“

Ob die jüngsten Umbaumaßnahmen die letzten beim HESS sein werden, will Jahnke nicht voraussagen. Offiziell endet das HESS-Projekt in drei Jahren, um Ressourcen für das neue European Ex­tremely Large Telescope frei zu machen, das derzeit in Chile gebaut wird.

Doch schon jetzt ist abzusehen, dass der gesetzte Zeitplan wohl nicht zu halten ist. Deshalb wird in der namibischen Wüste wohl noch einige Zeit nach sterbenden Sternen gefahndet.

Das HESS-Teleskop

Das High Energy Stereoscopic System, kurz HESS, steht in der Nähe des Gamsbergs, einem 2347 Meter hohen Tafelberg im Zentrum Namibias, der für seine klare Luft bekannt ist. Teile des Bergs gehören dem Max-Planck Institut für Kernphysik in Heidelberg, das auch das HESS-Teleskop betreibt. Die vier Teleskope, die in den Ecken eines Quadrats mit 120 Metern Seitenlänge stehen, wurden 2004 eingeweiht, 2012 kam ein größeres Teleskop im Zentrum des Areals hinzu. Seine Kamera hat die Größe eines Garagentors, sie wiegt drei Tonnen und schwebt 36 Meter über dem Spiegel in der Brennebene. Mit HESS beobachten die Astrophysiker Lichtblitze, so genanntes Tscherenkow-Licht. Es entsteht, wenn energiereiche Gammastrahlung von fernen Sternen auf die Erdatmosphäre trifft und hier für wenige Milliardstel Sekunden ein sehr schwaches blaues Licht erzeugt. Dieses Licht trifft wie der Kegel einer Taschenlampe auf den Erdboden, wo die fünf Teleskope mit großen Spiegeln zur Verstärkung und extrem empfindlichen Kameras ausschließlich nachts darauf warten. Die fünf Teleskope sind nötig, weil man aus den Laufzeitunterschieden beim Eintreffen des Lichts auf die Orientierung des Lichtkegels und daraus auf die Quelle der Gammastrahlen schließen kann. Die harte Röntgenstrahlung kann in einem sterbenden Stern, einer so genannten Supernova, entstehen, auch Pulsare, schnell rotierende Neutronensterne, verraten sich durch Gammastrahlung. Das HESS-Teleskop hat bereits Dutzende solcher Objekte entdeckt und damit den As­trophysikern interessante Hinweise auf die Vorgänge im Universum geliefert.

Bildergalerie

  • Für die sichere Übertragung von Daten und Leistung sorgen Kabel von Lapp aus Stuttgart – unter anderem ein Hitronic HRM-FD Glasfaserkabel für bewegte Anwendungen mit 12 Singlemode-Fasern und Ölflex-Crane-Leitungen.

    Für die sichere Übertragung von Daten und Leistung sorgen Kabel von Lapp aus Stuttgart – unter anderem ein Hitronic HRM-FD Glasfaserkabel für bewegte Anwendungen mit 12 Singlemode-Fasern und Ölflex-Crane-Leitungen.

  • In den Bergen Namibias im südlichen Afrika fahndet das HESS-Teleskop bereits seit 2004 nach Gammastrahlung aus den Tiefen des Universums.

    In den Bergen Namibias im südlichen Afrika fahndet das HESS-Teleskop bereits seit 2004 nach Gammastrahlung aus den Tiefen des Universums.

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