Auswahlhilfe EMV-Ferrite Störungsfreier Betrieb

Bild: Photomorphic PTE
27.02.2013

Durch den gezielten Einsatz von EMV-Ferriten lässt sich schnell und kostengünstig ein wirksamer EMV-Schutz erreichen.

Die vorgeschriebene CE-Prüfung elektronischer Gerate im EMV-Labor zeigt deutlich, ob das Schaltungsdesign und die Gehäuseausführung unter HF-Gesichtspunkten geplant wurde. Selbst bei geringen Taktfrequenzen, wie beispielsweise bei mikrocomputergesteuerten Geräten, treten plötzlich Störungen weit oberhalb der Nutzfrequenzen auf, die im Rahmen der, je nach Einsatzbereich festgelegten Grenzwerte, eingehalten werden müssen. Zur Entkopplung von leitungsgebundenen Störungen im hochfrequenten Bereich empfehlen sich zur nachträglichen Entstörung EMV-Ferrite. Diese sind in verschiedenen Bauformen lieferbar und ermöglichen die schnelle und kostengünstige Problemlösung. Die Geräte bleiben lieferfähig und benötigen kein Redesign.

Zur Schaltungsentstörung auf der Platine sind bedrahtete sowie SMD-Ferrite in unterschiedlichen Ausfürungen interessant. Her kann man direkt an der Störquelle wirksame Entkoppelmaßnahmen vornehmen.

Auswahlhilfe bei EMV-Ferriten

Ferrite zur Anwendung in EMV-Entstörmaßnahmen sind in der Regel Nickel-Zink-Ferrite. Durch den hohen Oberflächenwiderstand (>106 Ω) sind Kriechströme oder Kontakt-Kurzschlüsse ausgeschlossen. Das Besondere an diesen Ferriten ist, dass von circa 100 MHz an aufwärts der reelle Anteil des Verlustwiderstandes dominiert. Daraus resultieren eine ganze Reihe von Vorteilen:

  • Da der Ferrit als "Absorber" für Frequenzen ab circa 10 MHz aufwärts wirkt, beeinflusst er das Nutzsignal nur unwesentlich.

  • Die Tiefpassfilterwirkung wird bei bedrahteten Ferriten beziehungsweise SMD-Ferriten allein durch die Durchführung erreicht, hier muss kein Massepotential als dritter Pol vorhanden sein!

  • Breitbandige Störunterdrückung mit nur einem Bauteil.

  • Keine kapazitive Beeinflussung für Daten- oder Messsignalleitungen.

Bauformen von EMV-Ferriten

Klappferrite eignen sich hervorragend zur nachträglichen Montage an bestehenden Leitungen. Der spezielle und patentierte Verschluss der Klappferrite von Würth Elektronik bietet Sicherheit gegen unbeabsichtigtes Öffnen, Stichwort CE-Zeichen. Das nach UL-94-V0 zugelassene Kunststoffgehäuse schützt gleichzeitig den Ferrit gegen mechanische Beschädigung und bietet durch die Konstruktion erhöhten Anpressdruck auf die Ferrithälften. Daraus resultieren sehr hohe Impedanzen, sprich hohe Störunterdrückungen. Typische Anwendungen sind Messsignalaufnehmer, Monitorleitungen, Druckerkabel, Mauskabel, Datenübertragungsleitungen und weiße Ware.

Blockkerne und Flachbandkabelferrite

Die Hochfrequenztechnik hat ihre eigenen Gesetze. Und so sind schon unter Umstanden 2 cm Flachbandleitung eine wirksame Antenne, damit Störungen einkoppeln oder ausgesendet werden können. In Anwendungen, wo zum Beispiel wegen des Servicefalles nicht auf längere Flachbandkabel verzichtet werden kann - Stichwort Zugänglichkeit -, aber dennoch Störungen unterdrückt werden müssen, tragen Flachbandkabelferrite oder Blockkerne wesentlich zur Einhaltung der Grenzwerte bei.

Es stehen drei verschiedene Kernformen zur Verfügung, um den Flachferrit optimal an das Gehäuse anzupassen. Befestigt werden die Flachkerne bei Würth Elektronik mit eigens entwickelten Kunststoffclips oder mit doppelseitigem Klebeband.

Ferrithulsen und Ferritringe

Im Gegensatz zu Klappferriten oder Ferriten mit Nylonhalter können die Ferrithülsen bzw. Ferritringe vor der endgültigen Konfektion auf das Kabel geschoben und mittels Schrumpfschlauch oder Verguss fixiert werden. Diese Lösung findet sich heute an jedem Computermonitor. Je besser der Innendurchmesser an den Kabeldurchmesser angepasst ist, umso größer ist die Entstörwirkung. Durch Mehrfachdurchführung kann wie bei Klappferriten der induktive Anteil erhöht werden - bei gleichzeitig größerer Impedanz.

6-Loch-Ferritperlen

Die 6-Loch-Perlen - umgangssprachlich UKW-Drosseln genannt - oder die SMD-Variante WE-SUKW (5-Loch-SMD Ferritperle) von Würth Elektronik sind standardmäßig mit 2,5 Windungen Draht beaufschlagt und vertragen große Dauerstrome, ohne in Sättigung zu gehen. Hier kann direkt auf der Platine eine wirksame HF-Störunterdrückung erreicht werden. Typische Anwendungen sind hier Masseentkopplung, Versorgungsspannungsentkopplung im Zusammenspiel mit Abblockkondensatoren (reeller HF-Tiefpass!) und Datenleitungsfilter.

Ferritbrücken

Die Ferritbrücke ist ein universell einsetzbares Entstörelement: Einerseits als 4-fach-Durchführungsdrossel stromkompensiert bei gleichzeitig hoher Strombelastbarkeit von typischerweise 4 A. Durch entsprechende Verschaltung kann die Impedanz oder der Strom erhöht werden. Weiterhin lässt sich durch entsprechende Verschaltung auch eine zweifache stromkompensierte Breitbanddrossel erzeugen.

SMD-Ferrite

Der Trend zur Miniaturisierung hat auch vor den EMV-Ferriten nicht Halt gemacht. Auch bei SMD-Ferriten wird der Strom durch den Ferrit geführt; er wirkt für das Nutzsignal als niederohmige Durchführung (RDC → 0 Ω), für das Störspektrum allerdings als hoher Verlustwiderstand (Impedanzen bis zu 5 kΩ). Je nach internem Aufbau liegt der effektive Entstörfrequenzbereich zwischen wenigen MHz und einigen GHz.

Dies erreicht man durch den Aufbau als Multilayer, der je nach Ferritausführung Stromtragfähigkeiten bis zu 10 A erlaubt. Die Bauformen gehen über 0402, 0603, 0805, 1206, 1210, 1806, 1812, 2220 bis hin zu 3312. Im Vordesign kann der Entwickler an kritischen Stellen schon kurzgeschlossene Lötpads mit vorsehen, an denen er dann bei EMV-Messungen durch Auftrennen entsprechende SMD-Ferrite bestücken kann.

Wie findet man den richtigen Ferrit?

Den endgültig richtigen Ferrit kann nur eine Messung im EMV-Labor bestätigen. Die Berechnung der dynamischen Impedanz (Transferimpedanz) einer elektronischen Schaltung im Höchstfrequenzbereich ist in der Regel nicht möglich. Diese hängt von vielen Faktoren ab, die gerade im HF-Bereich nur schwer mathematisch zu beschreiben sind. Dennoch kann man über Vergleichsmessungen und mit Erfahrungswerten zu einer ersten Auswahl gelangen:

Versorgungsspannung- beziehungsweise Masseleitungen sind in guten Designs im Bereich von 1 bis 10 Ω anzusetzen, Nutzsignalleitungen je nach Anwendungsfall zwischen 50 bis 100 Ω und größer (z. B. Bussysteme wie CAN, SCSI etc.). Ausgehend von dieser Transferimpedanz (ZA bzw. ZB) und der gesuchten Störunterdruckung kann man anhand des Nomogrammes die gesuchte Ferritimpedanz (ZF) ermitteln. Mit Kenntnis der Impedanz des Ferrites sucht man dann in Bezug auf die Applikation den entsprechenden Ferrit aus, z. B. eine Ferrithülse oder einen SMD-Ferrit.

Würth Elektronik bietet mit dem "omponent Selector" (www.we-online.de/component-selector) eine kostenlose Software an, mit der SMD-Ferrite und weitere Bauteile sehr schnell und einfach ausgewählt und zum Teil auch simuliert werden können.

Kernmaterialien im Vergleich

Die verwendeten Kernmaterialien lassen sich aufgrund der frequenzabhängigen Verlustanteile nur innerhalb eines eingeschränkten Frequenzbereiches zum Aufbau von Induktivitäten sinnvoll verwenden. Oberhalb einer typischen Frequenzgrenze steigen die Kernverluste stark an. Hier ist das Kernmaterial dann als Filterelement weiter einsetzbar.

  • Eisenpulvermaterialien (Fe): Als reine Induktivität bis ca. 400 kHz einsetzbar; danach dominiert der Verlustanteil in R, der bis circa 10 MHz ansteht (je nach Kernmaterial auch darüber hinaus). Im Frequenzbereich ab circa 20 MHz aufwärts ist der Kern nicht mehr wirksam.

  • Mangan-Zink-Kerne (MnZn) sind induktiv bis zu Frequenzen um 20 bis 30 MHz. Mit ansteigenden Verlusten muss im Frequenzbereich ab 10 MHz gerechnet werden. Im Frequenzbereich ab circa 80 MHz ist das Kernmaterial nicht mehr wirksam.

  • Nickel-Zink-Kerne (NiZn) sind induktiv bis zu Frequenzen um 60 MHz, oberhalb davon ist das Kernmaterial bis zu Frequenzen von 1 GHz und mehr verlustbehaftet.

Dieser qualitative Vergleich verdeutlicht, warum sich gerade Nickel-Zink-Ferrite im EMV-Bereich durchgesetzt haben. Es ist das Kernmaterial, welches über den größten und meist relevanten Frequenzbereich eine wirkungsvolle Filterfunktion erfüllt. Allerdings werden neuerdings auch MnZn-Ferrite eingesetzt, um kabelgeführte Störungen im Bereich von 150 kHz bis 30 MHz zu entstören. Würth Elektronik bietet hier zwei Serien an, die Klappferrite Star-Fix LFS und die Ferrithülsen WEAFB LFS.

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