API-Standards stehen für höchste Betriebs- und Prozesssicherheit. Und auch wenn sie vom Washingtoner American Petroleum Institute verabschiedet wurden, greifen sie nicht nur in den USA. Klar definiert und teilweise an Zulassungstests geknüpft, haben sie sich teilweise zu weltweiten Industriestandards entwickelt. Einzelne Standards – auch das Regelwerk API 682 für Gleitringdichtungen und Dichtungsversorgungssysteme – werden mittlerweile sogar in branchenfremden Anwendungen referenziert. Da dies nie so gedacht war, weisen die Autoren der Neuauflage schon im Vorwort darauf hin, um was es bei API 682 tatsächlich geht: um Standards für Dichtungssysteme in Pumpen – und nicht in Rührwerken oder Kompressoren. Und um Öl & Gas und (Petro-)Chemie – und nicht um Wasserversorgung oder den Lebensmittelbereich.
Ursprünglich wurden im Pumpenstandard API 610 erste Angaben über Gleitringdichtungen gemacht. Mitte der 90er entstand dann mit der API 682 ein eigener, umfangreicher Standard für Gleitringdichtungen und Versorgungssysteme. Typisch für den API-Standard 682 ist, dass er permanent nachgepflegt und aktualisiert wird – und das von Praktikern, sprich von Anwendern wie von Herstellern. Weitere Besonderheit der API 682 ist, dass sie normativ nicht nur eine einzige technische Lösung zulässt. So listet das Regelwerk neben bewährten, getesteten Standard-Lösungen (Defaults), auch Alternativen (Options) – und lässt selbst maßgeschneiderte Lösungen (Engineered Solutions) zu. Diese Vielfalt wird bei der 4th Edition noch deutlicher herausgestellt als bei den Vorläufern.
Wie praxisorientiert die API das Dichtungsthema behandelt, zeigt schon die Zusammensetzung der insgesamt 25-köpfigen Task Force, die sich seit 2006 intensiv mit dem Update der 2004 in Kraft getretenen (und bis dato noch gültigen) 3rd Edition der API 682 befasst hat. Neben führenden Dichtungssystemherstellern (u.a. EagleBurgmann) umfasste das amerikanisch-europäische Fachgremium, das bewusst auch auf die Mitarbeit von Nicht-API-Mitgliedern setzte, auch renommierte Planungsunternehmen sowie Vertreter einiger der größten Mineralölkonzerne (u.a. ExxonMobil, Shell und Total) – und damit die eigentlichen Anwender der Dichtungslösungen.
Während die noch gültige Ausgabe der API 682 mit knapp 200 Seiten aufwartet, bringt es die 4th Edition auf einen Umfang von 260 Seiten. Gegliedert ist die überarbeitete Edition in einen Textteil mit insgesamt elf Kapiteln und einen ausführlichen Anhang, dessen Umfang deutlich erweitert wurde. Beispielsweise liefert Anhang I auf über 20 Seiten präzise Detailinformationen für API-konforme Dichtungs-Qualifizierungstests. Default-Dichtungen und auch Options sind mit fünf verschiedenen Medien und klar definierten Betriebsbedingungen, die repräsentativ für API-typische Anwendungen sind, zu testen. Zusammen mit den beschriebenen Dichtungsdesigns ergibt sich hierdurch eine hohe Anzahl möglicher Testvarianten. Dabei kann der Zeitaufwand pro Test und Dichtungstyp bis zu 200 Stunden betragen. Das Resultat für branchentypische Dichtungsdesigns wird in einem Test-Zertifikat und einem detaillierten Protokoll dokumentiert. Für Engineered Seals können kundenspezifische Qualifikationsprüfungen vereinbart werden.
Das bleibt: Geprüfte und getestete Sicherheit
Im Kern geht es um die geprüfte und getestete Produktsicherheit. Die Zielvorgabe der API 682 ist ein Dauerbetrieb von mindestens drei Jahren (25.000 Betriebsstunden unter Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Emissionswerte bzw. bei maximalem Screening Value von 1000 ppm vol, EPA Methode 21), erhöhte Betriebssicherheit und vereinfachte Wartung. Die von der API definierten Standards gelten ausschließlich für Cartridge-Systeme mit einem Wellendurchmesser von 20 bis 110 mm und einem festgelegten Bereich von Betriebsbedingungen.
Überarbeitet wurde mit der 4th Edition auch das Produkt-Codierungs-System (Anhang D). Fortgeführt werden die bewährten Klassifizierungs-Parameter Category, Arrangement und Type. Neu ist das Hinzufügen von präzisen Angaben zur Materialauswahl und Wellendurchmesser. Damit wird der Code aussagekräftiger und es ist eine eindeutige Spezifikation der Gleitringdichtung und deren Fahrweise – von der Auswahl bis zur Dokumentation – gewährleistet. Schon jetzt sind sich Branchenexperten einig, dass sich das erweiterte Codierungssystem in der Praxis bewährt und dauerhaft Bestand haben wird.
Der Auswahlprozess eines API-Dichtungssystems ist eine komplexe Angelegenheit. Auch in der Neu-Edition sind diesem Thema mehrere Flow Charts und Tabellen gewidmet, die sich über zehn Seiten erstrecken. Um bei der Bestimmung des Arrangements mehr Präzision in den technischen Auswahlprozess zu bringen, wird in der 4. Edition erstmalig ein alternatives Selektions-Tool (Anhang A.4) eingeführt. Dabei handelt es sich um eine Methode, die auf dem etablierten Risk & Hazard-Code basiert – und praxiserprobt ist. Ausgangspunkt ist hier das Fördermedium, dessen reales Gefahrenpotenzial in Material Safety Data Sheets durch Hazard & Risk-Code exakt erfasst und beschrieben ist. Schnell und sicher kann so entschieden werden, ob beispielsweise eine Einfachdichtung (Arrangement 1) ausreicht – oder eine Doppeldichtung mit Vorlage-/Sperrflüssigkeitssystem notwendig ist.
Neu: Kurskorrektur bei SiC-Gleitflächen
Dass API 682 ein erfahrungsbasierter – „gelebter“ – Standard ist, zeigt sich auch daran, dass mit der Neuauflage zwei Siliziumkarbid (SiC)-Varianten gleichberechtigt als Default-Werkstoffe für Gleitflächen in Öl- und Gas- sowie in Raffinerie- und Chemieanwendungen zum Zuge kommen können. Bislang war gesintertes SiC wegen seiner besseren chemischen Beständigkeit bei Chemieanwendungen gesetzt, während sich im Raffinerie-Bereich die reaktionsgebundene Variante durchgesetzt hat. Diese restriktive Zuordnung wurde aufgrund von praktischen Anwendungsbeispielen (Best Practices) aufgehoben, die an die Task Force herangetragen wurden – und die Kurskorrektur auf den Plan rief.
Am intensivsten überarbeitet wurden Kapitel 8 und 9, in denen es um die Hardware für die Versorgungssysteme und die Instrumentierung geht. Hier erfolgte eine komplette Neugliederung, wobei das Thema jetzt dreistufig – und damit systematischer – abgearbeitet wird. Im ersten Block werden die Versorgungssysteme insgesamt vorgestellt. Anschließend werden die Bereiche Verrohrung sowie Komponenten behandelt.
Neu: 28 Tage Nachfüllintervall
Zu den komplexeren Versorgungssystemen gehören die Pläne 53 mit druckbeaufschlagter Vorlageflüssigkeit, dem sogenannten Sperrmedium. Im Detail sind drei Bauarten möglich: Plan 53 A ist die Lösung mit dem konstruktiv geringsten Aufwand. Der Druck auf das Sperrmedium wird direkt über eine Gasbeaufschlagung – üblicherweise mit Stickstoff – im Behälter erzeugt. Der Anwendung sind aber Grenzen gesetzt, da höhere Sperrdrücke zu einer Lösung des Stickstoffs im Sperrmedium führen können. In der Folge besteht dann das Risiko einer Mangelschmierung im Dichtspalt der Gleitringdichtung. Deshalb kommen bei höherem Sperrdruck die Pläne 53 B und 53 C zum Einsatz. Während Plan 53 C mit einem mechanischen Druckübersetzer arbeitet und damit zu den aufwändigen Dichtungsversorgungssystemen zählt, kommt bei Plan 53 B eine besonders pfiffige Lösung zum Einsatz – die immer populärer wird: Die Druckbeaufschlagung erfolgt über eine Elastomerblase im Behälter, die den Stickstoff von der Sperrflüssigkeit trennt. Eine Drucküberwachung mit Berücksichtigung der Temperatur im Blasenspeicher erfasst die Werte und übermittelt sie an die Leitwarte. Dort wird der Füllstand unter Berücksichtigung etwaiger Temperatureinflüsse errechnet und der richtige Zeitpunkt zum Nachfüllen der Sperrflüssigkeit bestimmt.
Neu in der API 682 4th Edition ist ein vorgeschriebenes Nachfüllintervall von mindestens 28 Tagen. Der Flüssigkeitsbehälter muss somit groß genug sein, um über diesen Zeitraum – ohne Nachfüllen – die Dichtung mit Sperrmedium zu versorgen. Um hier zu möglichst kompakten Behältern zu kommen, sind von den Dichtungsherstellern optimierte Systemlösungen mit minimalen Leckagewerten für das Sperrmedium gefordert.
Egal ob es um Drücke, Temperatur, Durchfluss oder Füllstände geht: Mit der 4th Edition erfolgt bei den Versorgungssystemen ein Wechsel zu modernen Transmittern. Waren Schalter hier bislang die Norm (Default), liegt die Pole-Position jetzt bei Transmittern. Diese sind zwar teurer, übermitteln dafür aber kontinuierliche Messwerte. So kennt die Leitwarte jederzeit den tatsächlichen Anlagenstatus und kann bei Problemen automatisch Alarm schlagen. Überaus pragmatisch ist die Task Force auch das Thema Hitzebeständigkeit von Armaturen angegangen, die in den Versorgungssystemen im Einsatz sind. Gab es in der Vergangenheit häufig Debatten darüber, ob beispielsweise das Versorgungssystem einer für 400 °C zugelassenen Pumpe mit Spezialarmaturen für Hochtemperatureinsätze bestückt werden müsse, wurde die Temperaturspezifikation für die Instrumentierung jetzt auf praxisgerechte 100 °C limitiert. Bei höheren Temperaturen ist künftig eine spezielle kundenseitige Spezifikation vorgesehen.
Neu: Checklisten zum Datenaustausch
Die verbesserte Nutzerfreundlichkeit des API-Regelwerks zeigt sich auch im Anhang E. Hier geht es um strukturierte Kommunikation und Datenaustausch zwischen Lieferanten und Kunden. Was bislang auf vielen Seiten beschrieben wurde, bündelt die 4th Edition in zwei kompakten Checklisten. Die Erste beschreibt systematisch, was bei Anfragen und Angeboten zu berücksichtigen ist. Beispielsweise müssen Dichtungssysteme, die von standardisierten API-Lösungen abweichen, gesondert ausgewiesen werden. Die zweite Checkliste zeigt, welche Auftragsdokumentation notwendig ist.
Neben den zahlreichen technischen Updates ist ein Detail der 4th Edition besonders auffällig: Alle Gleitringdichtungen sind bei Auslieferung mit roten Stopfen in den Versorgungsanschlüssen des Dichtungsdeckels ausgestattet. Diese Kunststoffverschlüsse sorgen dafür, dass bis zum Einbau kein Schmutz in die Dichtung eindringen kann.