Atex-Bereiche sind für Maschinenbauer nicht alltäglich. Das findet zumindest Andreas Gradl, Projektleiter bei IMA Automation im bayerischen Amberg. Das Unternehmen stellt Montage- und Produktionssysteme für verschiedene Branchen her. Mit Medizintechnik, Elektronik, Automotive, Konsumgüter- und Kosmetikindustrie findet man darunter allerdings keine Branche, die typischerweise im Ex-Bereich arbeitet.
So betrat IMA mit einer Anlage zur Produktion von Mikro-Gas-Generatorkapseln in Staub-Ex-Zone 22 Neuland. Mikro-Gas-Generatoren sind kleine Sprengkapseln, die beispielsweise in aktiven Gurtstraffern oder Kopfstützen in Fahrzeugen verbaut werden. Im Fall eines Zusammenstoßes löst der Gurtstraffer eine Vorstraffung des Sicherheitsgurts aus. Eine aktive Kopfstütze hilft vor allem bei einem Heckaufprall, in dessen Folge der Kopf der Fahrgäste nach vorne geschleudert wird. Die Kopfstütze bewegt sich durch den Sicherheitsautomatismus mit dem Kopf nach vorne und verringert die Distanz zwischen Kopf und Kopfstütze. So wird der sogenannte Peitschenschlag-Effekt verhindert, eine S-förmige Überstreckung der Wirbelsäule.
Automatisch befüllt im Ex-Bereich
Der Hersteller der Kapseln beauftragte IMA Automation mit dem Bau einer automatisierten Montageanlage für Mikro-Gas-Generator-Kapseln. Teil des Explosionsschutzkonzepts war es, die explosionsgefährdeten Prozesse in einem baulich getrennten Atex-Bereich zu konstruieren. Im sicheren Bereich steckt man die leeren Kapseln in die Werkstückträger und wiegt sie.
Die bestückten Träger gelangen durch ein Transportbandsystem in den explosionsgeschützten Bereich, wo sie an verschiedenen Dosierstationen befüllt werden. Der baulich getrennte Bereich ist so konzeptioniert, dass der bei einer Explosion entstehende Druck durch eine schwächer ausgeführte Wand kontrolliert abgeführt wird.
Neben den Explosionsschutz-Auflagen stellte der Kunde die Anforderung, die Kapseln bis aufs Milligramm genau zu befüllen und in der Anlage Qualitätsprüfung und -sicherung zu integrieren. Fehlerhafte Kapseln sollen bereits im Herstellungsprozess so früh wie möglich ermittelt und direkt ausgeschleust werden. Eine Qualitätsprüfung ist bei den Sprengkapseln im Nachhinein nur eingeschränkt möglich. Sie müssen daher absolut fehlerfrei produziert werden, um im Ernstfall Leben zu retten. Die Anlage montiert verschiedene Mikro-Gas-Generatoren, die typabhängig mit unterschiedlichen Pulvern oder Pulver-Mischungen befüllt werden. Das Pulver wird entweder nach Volumen oder Gewicht abgefüllt – bei einigen Typen sogar gemischt volumetrisch und gravitätisch. Die Anlage muss bei der abschließenden Gewichtskontrolle erkennen, welche Kapsel wie viel Mikrogramm eines bestimmten Pulvers erhalten hat. Deshalb hatte der Hersteller in seinem Auftrag auch schon direkt eine Identifikation jeder einzelnen Kapsel während des Herstellungsprozesses gefordert.
Milligramm-genaue Kapselwägung
Im sicheren Bereich wiegt man die leeren Aluminium-Kapseln zunächst, denn das Gewicht der fingerhutgroßen Becher unterscheidet sich im Milligramm-Bereich. Die Steuerung speichert das Gewicht in einer Datenbank, um nach der Befüllung exakt zu bestimmen, wie viele Milligramm Pulver tatsächlich zugeführt wurden. 150 Werkstückträger transportieren die Kapseln im geschlossenen Kreislauf der Anlage. Identifiziert werden sie mit dem RFID-System BL ident von Turck. In jedem Werkstückträger ist dazu ein RFID-Datenträger (Tag) eingelassen.
Im ersten Prozessschritt wiegt die Maschine die Kapseln und schreibt das Leergewicht in die Datenbank. Über den Schreiblesekopf wird der Datenbankeintrag mit der UID (Unique Identification Number) des Tags und damit mit dem jeweiligen Werkstückträger verknüpft. Durch die ausschließliche Verwendung der UID und zwei parallel arbeitende Waagen konnte IMA die Taktzeit der Anlage mit 30 Teilen pro Minute hoch halten.
Nach der ersten Wägung fahren die Kapseln auf dem Transportband in den explosionsgeschützten Bereich, wo sie an der nächsten Station befüllt werden. Die gravimetrische Dosierstation wiegt die Pulverportion vor und füllt sie ein. Im weiteren Prozess folgt noch eine zweite Befüllung, die volumetrisch arbeitet. Nach den Befüllungen, die sich typabhängig in Menge und Art unterscheiden, wird die Kapsel mit dem Pulver gewogen, um über die Differenz zum Leergewicht der Kapsel die exakte Füllmenge zu kontrollieren. Nicht nur die gesamte Füllmenge, sondern auch die einzelnen, an den verschiedenen Stationen dosierten Pulvermengen werden in diesem Prozess aufs Milligramm berechnet und kontrolliert.
Auch hier identifiziert die Anlage die Werkstückträger mit den Kapseln. Enthalten die Kapseln zu viel oder zu wenig Pulver, werden sie in der Datenbank als Schlechtteile markiert und von der Anlage ausgeworfen. Abschließend bestückt man die korrekten Kapseln mit den Zündern, die in einem anderen Anlagenteil vormontiert wurden.
Kompakte RFID-Technik auch für Zone 22
Insgesamt sind in der Anlage sieben robuste RFID-Schreibleseköpfe vom Typ TN-EM18WD-H1147-Ex verbaut. Ausschlaggebend für die Turck-Schreibleseköpfe in M18-Gewinderohrbauform war deren Eignung für die Staub-Ex-Zone 22. Andreas Gradl erklärt den Entscheidungsprozess: „Zone 22 ist eine der niedrigeren Atex-Zonen. Turck hat Schreibleseköpfe exakt für diesen Bereich. Es gibt von anderen Herstellern zwar auch explosionsgeschützte RFID-Geräte, das sind aber zum Teil druckgekapselte Geräte für höhere Ex-Zonen, die damit auch sehr teuer sind. Insofern sprachen sowohl die technischen wie die wirtschaftlichen Gründe für das Turck-System.“ Auch die Baugröße von Komponenten war für das Unternehmen wichtig. Die druckgekapselten RFID-Reader anderer Anbieter waren zu groß, deshalb entschied sich IMA Automation für den Schreiblesekopf von Turck.
Es war der Auftraggeber selbst, der IMA Automation Amberg auf Turck als RFID-Komplettanbieter aufmerksam gemacht hat. „Turck hatte uns ein Testsystem aus Schreiblesekopf, Datenträgern und Feldbus-Gateway zur Verfügung gestellt. In unserem Test identifizierte das System die Materialstückträger einwandfrei. Damit war unsere Entscheidung im Grunde schon gefallen“, beschreibt Gradl die kurze Suche nach dem richtigen RFID-System für die Anlage. Über ein BL20-Gateway mit vier RFID-S-Scheiben von Turck sind die sieben RFID-Schreibleseköpfe per Profibus an die Anlagensteuerung angebunden. Auch die 150 Datenträger, die in den Werkstückträgern eingelassen sind, stammen von Turck.
Befüllungsmuster automatisch abgebildet
Eine besondere Herausforderung der Anlage lag in der softwareseitigen Abstimmung des gesamten Systems aus Wäge- und Befüllungsstationen in Verbindung mit den unterschiedlichen Profilen der verschiedenen Kapseln, die in der Anlage abgebildet sind. Jedes Befüllungsmuster der Kapseln ist in einer Datenbank hinterlegt und wird von der Anlage bei der Produktion der jeweiligen Charge automatisch abgebildet – inklusive der integrierten Qualitätssicherung. Am Ende befinden sich nur noch exakt befüllte Kapseln auf den Werkstückträgern.
Auf Turcks RFID-Technik würde IMA jederzeit wieder zurückgreifen. Gradl sagt: „Die technische Klärung lief schnell und reibungslos, die Produkte funktionieren einwandfrei. Insofern wissen wir jetzt direkt, an wen wir uns wenden, wenn wir erneut ein kompaktes RFID-System für den Ex-Bereich suchen.