Rotorblätter von Windenergieanlagen sind unterschiedlichsten Belastungen ausgesetzt. Dadurch unterliegen sie einer höheren Abnutzung als eigentlich nötig. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat im Rahmen des Verbundprojekts SmartBlades verschiedene Techniken untersucht, die die Rotorblätter größer, leichter und haltbarer machen sollen. Das Ergebnis sind drei vielversprechende Technologien, die nun noch weiter getestet und entwickelt werden sollen.
Hohe Belastung für große Rotoren
Rotorblätter von Windenergieanlagen sind inzwischen bis zu 85 Meter lang und drehen sich auf einer Höhe von über 200 Metern. Dank der höheren Positionierung und steigender Durchmesser lässt sich heute immer mehr Energie erzeugen. Das hat jedoch zur Folge, dass auch das Eigengewicht der Rotoren überproportional steigt und damit deren Festigkeit mehr beansprucht.
Wiederkehrende Belastungen, beispielsweise durch Windböen oder die unterschiedliche Windschichtung, wirken sich folglich stärker auf die Lebensdauer der Blätter aus. Gelingt es, diese Beanspruchungen zu reduzieren, lässt sich nicht nur die Lebensdauer der Rotoren, sondern auch deren Größe weiter steigern. Das ermöglicht den Betreibern von Windparks einen höheren Energieertrag und somit geringere Stromentstehungskosten.
Ideal sind daher Rotorblätter, die ihre Geometrie für Lastreduktion und Ertragssteigerung an die lokalen Windeinwirkungen anpassen können, also intelligent sind. Gemeinsam mit dem Fraunhofer IWES und ForWind, dem Zentrum für Windenergieforschung der Universitäten Oldenburg, Hannover und Bremen, hat das DLR die Wirkung verschiedener Systeme untersucht.
Aktive und passive Technologien
Smart Blades arbeiten mit aktiven oder passiven Systemen, dank derer sich einzelne Rotorblätter auf die jeweiligen Windgegebenheiten einstellen können. „Der passive Ansatz wird so bezeichnet, weil er alleine mit den Kräften des Windes arbeitet“, erklärt Dr. Martin Pohl vom DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik. Hierfür nennt er ein Beispiel: „Verdreht sich ein Rotorblatt bei starkem Wind und bietet dem Wind damit weniger Angriffsfläche, sprechen wir von einer Biege-Torsionskopplung.“
Daneben untersuchten die Wissenschaftler zahlreiche aktive Lösungen. Eine davon beruht auf einem beweglichen Vorflügel am Rotorblatt, der die Effizienz von Windenergieanlagen unter stark schwankenden, turbulenten Windbedingungen verbessern kann. Der Flügel erlaubt es den Rotoren, besser auf die jeweiligen Strömungsverhältnisse zu reagieren. Dadurch können sie in einem größeren Windgeschwindigkeitsbereich eingesetzt werden.
Die Luftfahrt steht Pate
Bei der zweiten aktiven Technologie liegt das Augenmerk der DLR-Forscher auf Mechanismen, die die Hinterkanten eines Rotorblattes verändern. In diesem Fall verfügt die Hinterkante über eigene Antriebe und Motoren, die durch mehrfache Ausschläge pro Sekunde direkt auf Böen reagieren und Schwingungen ausgleichen können. „Dadurch werden die unterschiedlichen Belastungen und Biegemomente der Blätter reduziert“, erläutert Pohl das Verfahren.
Die Idee der aerodynamischen Steuerung an der Hinterkante ist nicht neu. Sie stammt aus der Luftfahrt, wo sie in Form von Rudern zur Steuerung von Flugzeugen verwendet wird. Das gleiche Prinzip lässt sich aber auch für die aerodynamische Beeinflussung von Rotoren einsetzen. Einen wesentlichen Unterschied gibt es jedoch: Bei den Rudern von Flugzeugen setzt man in den meisten Fällen auf Klappen mit Spalten und Gelenken. Das ist bei der Konstruktion leicht umsetzbar und seit Jahrzehnten bewährt.
Im Fall von Windenergierotorblättern ist dieser Weg jedoch nicht möglich. Regen, Staub und Schmutz können so nämlich leicht in die Gelenke und Spalten eindringen, was nach kurzer Zeit zum Ausfall der Klappe führen würde. Aus dem Grund wird eine spaltlose und flexibel verformbare Hinterkante verwendet, die sowohl wasser- als auch staubdicht ist.
Härtetest für Prototyp
Das DLR hat nach diesem Prinzip ein Modell eines Rotorblattes gebaut. Es verfügt über eine aktive Hinterklappenkante mit zwei Metern Spannweite und besteht aus einer flexiblen Glasfaserstruktur, die durch Servomotoren in verschiedene Positionen gebracht werden kann. Die Spaltfreiheit erreicht man durch den Einsatz von Gummiabdeckungen. Diese lassen große Verformungen zu und halten andererseits Wasser, Staub, Dreck und Insekten außerhalb des Bauteils.
Im September 2017 ist für das Rotorblatt außerdem ein Härtetest geplant. Dann wird es in einer dänischen Testanlage Schleuderversuchen ausgesetzt. Sie sollen die Funktion des Mechanismus im Betrieb und bei einer Fliehkraft von bis zu 30G – also dem Dreißigfachen der Erdanziehung - unter Beweis stellen. Außerdem werden die DLR-Forscher bei dieser Gelegenheit überprüfen, inwieweit die Aerodynamik des Rotorblattsegmentes und die Schwingungsdynamik der Versuchsanlage beeinflusst werden können. Dafür ist das Versuchsmodell mit zahlreichen Sensoren ausgestattet.