Um dem höheren Wirkungsgrad moderner Kohlekraftwerke gerecht zu werden und die Kohleversorgung in ausreichender Menge und Qualität sicherzustellen, ist die Optimierung der kompletten Systeme einschließlich der Integration aller Teilsysteme gefragt. Diese Anforderungen erfüllt das von ABB entwickelte modulare System, in das die bergbauspezifische Sofware IMS von Mincom integriert ist. Die baldige Übernahme des australischen Softwareunternehmens durch ABB steht bereits fest. Das Produktionsmanagement IMS umfasst die Tools für das Management des Bergwerks, der Förderung und des Handels sowie für Produktion, Wartung und Anlagen. Auf dieser Ebene befinden auch die notwendigen Schnittstellen zu ERP-Systemen.
Das Kohlelagermanagementsystem ermöglicht einen vollautomatischen Betrieb des gesamten Kohlelagers von einem zentralen Leitstand aus. Es besteht aus Modulen zur Überwachung und Visualisierung der Kohlehalden, Materialverfolgung, Qualitätsmanagement und einem Modul zum selbstständigen Auf- und Abhalden.
Auf der Ebene der lokalen Automatisierung befinden sich alle grundlegenden Steuerungsfunktionen, die zumeist in den Haldengeräten und dem Förderbandsystem selbst implementiert sind. Hierzu gehören die Instrumentierung, Elektrifizierung und Automatisierung in einer lokalen SPS für die bedienergesteuerten Geräten des Kohlelagers. Dieses System kann auch an die projektspezifischen Anforderungen angepasst werden, sodass Kohlelagersysteme für Braunkohlkraftwerke, Export- oder Import-Kohleterminals und kraftwerksinterne Bekohlungsanlagen vollautomatisch betrieben werden können.
Echtzeit-Infos über die Haldenoberfläche und Materialqualität
Für einen vollautomatischen Betrieb von einem zentralen Leitstand aus muss der Bediener wissen, wie viel Kohle von welcher Qualität sich an welchem Ort befindet (Waggon/Bandanlage, Halde, Fördergeräte, Schiff). Diese Anforderungen können durch eine Datenbank mit präzisen Angaben über die Materialqualität im Transport- und Haldenmodell erfüllt werden, das den Materialfluss online überwacht. Die für das Modell benötigten Eingangsdaten werden von Laserscannern und Positioniersystemen geliefert, die auf den Haldengeräten montiert sind, sodass die Maschinen autonom betrieben werden können. Die Scanner liefern Oberflächeninformationen von der Umgebung, die zur Neuberechnung des Modells verwendet werden. Diese Lösung ermöglicht selbst nach Materialverschiebungen durch Umwelteinflüsse oder dem Einsatz von Maschinen nahezu eine Echtzeit-Aktualisierung der Halden-oberfläche.
Das Kohlehaldenüberwachungs- und Visualisierungsmodul erfasst die Materialbewegungen von und zur Halde und berechnet dementsprechend die Materialverteilung. Es liefert Informationen über den Bestand, die Form der Halde sowie die verschiedenen Materialeigenschaften. Die Verteilung auf der Halde wird mit einem Rechenmodul ermittelt, das die Informationen der Materialverfolgungs- und Auf-/Abhaldemodule sowie die Ergebnisse des 3D-Laserscannens verwendet. Die Haldenvisualisierungsfunktion stellt die im Kohlelagermanagementsystem gespeicherten Informationen in 2D oder 3D grafisch dar.
Für eine genaue Analyse des Kohlelagers kann die Ansicht gezoomt und gedreht und aus verschiedenen Blickwinkeln visualisiert werden. Außerdem kann man die Halde in einzelne, kleine, virtuelle Haldenabschnitte aufteilen. Diese Ausschnitte werden zusammen mit ihren Abgrenzungen dargestellt. Darüber hinaus können Haldenbereiche mit ihren Eigenschaften oder mit Schnitten angezeigt werden.
Die Kohlequalität unter Kontrolle
Das Materialverfolgungsmodul unterstützt den Bediener bei der Überwachung des Schüttgutflusses und zeigt in Echtzeit die Veränderung der Halde nach Tonnage und Qualität an. Dazu werden am Zugang zum Kohlelager Materialdaten und Spezifikation erfasst, beim Transport zu den Halden Masse und Volumen überwacht und das Material bis zum Abgabepunkt verfolgt. Zur besseren Übersicht ist die Darstellung der Bandbelastung dynamisch und mit farbcodierten Informationen zu den Materialeigenschaften versehen. Zusätzlich zeigt das Modul Bilanzen über angeliefertes, gelagertes und abgegebenes Material. Der Datenaustausch erfolgt über übergeordnete MES-Systeme. Das Modul verwaltet auch die Verteilung im Kohlelager, um eine effiziente Nutzung der Gesamtfläche mit festgelegter Kohlequalität auf jeder Halde zu ermöglichen.
Ein integriertes Kohlequalitätsmanagementsystem ist besonders dann wichtig, wenn Kraftwerke von verschiedenen Bergwerken mit Kohle beliefert werden, bei denen die Parameter abweichen. Denn moderne Kraftwerke benötigen eine bestimmte, gleichbleibende Kohlequalität, um eine effiziente Verbrennung sicherzustellen. Deutliche Abweichungen können zu einer Verschlackung führen, die wiederum zu ungeplanten Stillständen des gesamten Blocks mit entsprechendem Produktionsausfall führen können. Die Kohlequalitätsparameter lassen sich offline durch Bohrproben und Laboranalyse oder online mit radiometrischen Verfahren ermitteln.
Für die Mengenmessung können Bandwaagen oder Bandvolumen-Scanner verwendet werden. Qualitätsdaten werden vom Lieferanten vorgelegt oder direkt online an der Ladestelle gemessen und am Abgabepunkt überprüft. Die Qualität kann durch Mischen der Kohle im Bergwerk, im Kohlelager während der Auf- oder Abhaldung oder im Lager und dem Zufuhrsystem des Kraftwerks erfolgen.
Die Kohle kann auf verschiedene Weisen auf Halden gelagert und entnommen werden, um eine angemessene Behandlung des Materials zu ermöglichen und das Mischen durchzuführen. Zu den vordefinierten Auf- und Abhaldeverfahren gehören:
�?� Windrow stacking (Reihen)
�?� Chevron stacking (ZickZack)
�?� Cone shell stacking (Kegel)
�?� Strata stacking (Schichten)
�?� Block stacking (Blockhalde)
�?� Long travel reclaiming (Langhubabhalden)
�?� Block (bench) reclaiming (Block/Bankabhalden)
�?� Pilgrim step reclaiming (Pilgerschrittabhalden)
Durch Mischen wird die geforderte Qualität sichergestellt. Diese Verfahren sind in einer Steuerungsbibliothek enthalten und können manuell oder automatisch ausgewählt werden.
Lediglich ein Bediener im Hauptleitstand überwacht die Haldengeräte. Dieser Betriebsmodus gewährt eine konstante und optimierte Bandlast und somit einen optimalen Materialdurchsatz. Des Weiteren nimmt der Verschleiß der Geräte aufgrund geringerer Belastungsfaktoren ab, die Anzahl von Störungen und Schäden, die durch Bedienfehler verursacht werden, verringert sich und man spart Kosten und Energie. Ein Kollisionsvermeidungssystem ist für die Verhinderung von Verletzungen sowie Schäden an den Maschinen notwendig, ob diese von Personen bedient werden oder nicht. Haldenhöhensensoren auf beiden Seiten des Auslegers helfen zusätzlich zur Antikollisionssteuerung durch Laser und GPS, Kollisionen zwischen Ausleger und Halde zu vermeiden.
Migration von Advant OCS auf 800xA
Die Entwicklung des oben beschriebenen Systems basiert auf den Erfahrungen, die ABB im Rahmen der Automatisierung des Kohlelagersystems für das Braunkohlebergwerk Schleenhain von MIBRAG gewonnen hat, welches das Kraftwerk Lippendorf versorgt. Das Kohlelagersystem umfasst einen Absetzer (4.200 tph) mit Bandschleifenwagen, zwei Portalkratzer (2 x 2400 tph) und eine Förderanlage einschließlich Förderer vom Bergwerk zum Kraftwerk. Die Halden haben eine Kapazität von 400.000 t.
Sowohl das Lagersystem als auch die Förderanlagen werden automatisch mit einem Advant-OCS-Leitsystem von ABB von einem zentralen Leitstand aus bedient und sind seit 1999 in Betrieb. Kürzlich hat ABB eine komplette Nachrüstung mit dem System 800xA durchgeführt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein integriertes, vollautomatisches Kohlelagersystem zu einer sicheren und effizienten Kohleversorgung von modernen Kraftwerken beitragen kann.
Achema 2012: Halle 11.1 Stand A61