Energy 2.0: Gas kann bei der Energie-wende helfen. Sind wir bei seinem Einsatz auf dem richtigen Weg?
Dr. Jürgen Lenz: Die Integration von regenerativen Energien wird eine Dimension annehmen, die die Stromnetze alleine nicht verkraften können. Sie müssen entlastet werden, was über die Elektrolyse gehen kann. Wasserstoff können wir bis zu einer gewissen Konzentration in die Gasnetze einspeisen. Weiterhin kann er auch metha-nisiert werden. Über diese Konvergenz von Gas und Strom können wir die regenerativen Energien speicherbar machen.
Hildegard Müller: Erdgas spielt insgesamt beim Umbau der Energieversorgung eine zentrale Rolle, beispielsweise beim Wärmemarkt oder klimaschonender Mobilität. Hier ist Erdgas mit seiner günstigen CO2-Bilanz eine wirkliche Alternative und kann maßgeblich dazu beitragen, unsere Klimaschutzziele zu erreichen.
Sind unsere Speicherkapazitäten in Deutschland ausreichend?
Hugo Wiemer:Wir haben in Deutschland für die Marktverhältnisse ausreichend Speicher, müssen das aber auch europäisch betrachten. Knappheitssignale kann man derzeit nicht erkennen. Ob das ewig so bleibt, bezweifle ich.
Dr. Jürgen Lenz:Bisher ist der Speicherbedarf noch nicht so groß, auch wenn heute schon in einigen Gebieten Windräder abgeregelt werden. Dort muss man anfangen, die Stromnetze zu entlasten. Nur ist die Frage, wohin mit der Energie? Mit der Umwandlung in Wasserstoff, kann heute schon Power-to-Gas betrieben werden. Geht es aber weiter, muss man großvolumig in Speicher gehen.
Stichwort "Power-to-Gas": Mit dieser Zukunftstechnik lässt sich überschüssiger Strom aus Erneuerbaren speichern. Wie schätzen Sie den Stand der Technik ein?
Dr. Jochen Arthkamp: Die Erzeugung von Wasserstoff ist heute schon Stand der Technik und wird in der Industrie eingesetzt. Die Produktion von Methan aus Wasserstoff und CO2ist aus meiner Sicht der einfachere Prozess. Daher bin ich überzeugt, dass Power-to-Gas kommen wird und zwar als eine von vielen Lösungen. Wir werden nicht den goldenen Weg in einer Technik haben, sie wird eine Ergänzung sein, eine schöne Methode Energie zu speichern. Der großtechnische Einsatz wird eher etwas für Großunternehmen sein. Denn hierfür braucht man Investitionspower und Know-how, diese großen Anlagen auch zu bedienen.
Michael G. Feist: Die Technologie muss so weiterentwickelt werden, dass man Lastschwankungen abfahren kann. Das wird zweifelsfrei gelingen, weil wir die technologischen Komponenten dafür seit langer Zeit kennen. Aber will man Wasserstoff wirklich heruntermischen zu Methan? Wasserstoff ist ein Produkt, das man direkt verkaufen kann, übrigens auch zu hohen Preisen. Wir in der Gaswirtschaft werden dann sehen, wie viel übrig bleibt - das können substanziell große Mengen sein, die einen riesigen Speicher eröffnen.
Hugo Wiemer: Power-to-Gas-Verfahren sind lange bekannt, der Wirkungsgrad ist aber noch optimierungsfähig. Wir werden Gas auf diesem Weg regenerativ erzeugen können. Ob das im großen Stil in den nächsten fünf Jahren gelingt, ist offen.
Über die Zukunft der Energiewende wird derzeit viel diskutiert. Sind wir derzeit noch auf Kurs?
Michael G. Feist: Die für 2020 gesteckten Ziele werden wir im Großen und Ganzen alle packen. Aber wenn Sie fragen: Sind wir in unserem strategischen Zieldreieck auf Kurs - also Klimaschutz, Bezahlbarkeit der Energie und Versorgungssicherheit - da habe ich eine klare Antwort: Definitiv nicht. Wir haben keine tragfähige, ausbalancierte politische Position, das muss neu adjustiert werden und wir müssen das auch im europäischen Kontext diskutieren, sonst wird der europäische Energiebinnenmarkt wieder zerfallen.
Hildegard Müller:Für die Zeit ab 2020 brauchen wir ein Marktdesign, in dem auch die Bereitstellung von Leistung hono-riert wird. Hierzu müssen spätestens 2015 gesetzliche Lösungen gefunden werden. Der BDEW beteiligt sich an der Suche nach Lösungen für ein neues Marktde-sign, das Erneuerbare und konventionelle Erzeugung mit-einander verbindet.