Abfüll- und Verpackungsanlagen für die Pharmazie müssen äußerst genau arbeiten. Schließlich muss sichergestellt sein, dass in jedem Vial, jeder Spritze oder Karpule genau der richtige Wirkstoffanteil enthalten ist. Deshalb wird zur kontinuierlichen Kontrolle des Abfüllprozesses eine gewisse Anzahl an Objekten entnommen und gewogen. In der Regel werden damit gute Ergebnisse erzielt. Mittlerweile kommen aber immer mehr Medikamente mit sehr geringem Wirkstoffgehalt auf den Markt, das geht bis hin zur Mikrodosierung. Dafür ist oft eine 100-Prozent-Inprozesskontrolle nötig. Bei bisherigen Verfahren ging dies auf Kosten der Leistung.
Der Sensorenspezialist Visiotec und der Spezialmaschinenhersteller Bausch+Ströbel haben nun gemeinsam ein Verfahren entwickelt, das eine 100-prozentige Inprozesskontrolle (IPK) ganz ohne Leistungsverluste ermöglicht. Zusätzlich zu den Waagen kommen bei diesem Verfahren Sensoren zum Einsatz.
Mehr Kontrolle dank zusätzlicher Waagen
Bislang werden die gefüllten Objekte entweder schon während des Füllens auf Waagen gestellt oder aber im laufenden Prozess mittels Entnahmeeinheit entnommen, gewogen und erneut in den Prozess eingebracht. So werden bei der Füll- und Verschließmaschine der Typenreihe FFV nach diesem Verfahren vier Prozent der befüllten Vials gewogen. Dabei fährt diese mit einer Leistung von bis zu 600 Objekten pro Minute.
Werden alle Vials kontrolliert, kann diese Leistung, abhängig von Vialgröße und Dosiermenge auf bis zu 24 Stück pro Minute sinken. Bei einer 100-prozentigen Kontrolle mittels Waagen ist eine Leistung von bis zu 400 Objekten pro Minute möglich. Werden zusätzlich zu den Waagen VisioAMV-Sensoren (Advanced Mass Verification) eingesetzt, bleibt die Leistung bei 600 Vials pro Minute.
Der Sensor hat eine hohe Geschwindigkeit und noch weitere Vorteile. So ist er robust gegen Prozessvariationen wie Temperaturänderungen, Verstaubungen oder Luftfeuchtigkeitsschwankungen. Durch einen Offset mit den als Standard auf der Maschine eingesetzten IPK-Waagen, können diese Prozessvariationen vor der Produktmessung eliminiert werden. Des Weiteren sind die einzelnen Messkanäle des VisioAMV mit jeweils einem Kompensationskanal ausgestattet, mit dem Umgebungsänderungen während der Messung kompensiert werden können. Ein weiterer Vorteil des Sensors gegenüber gravimetrischen Inprozesswaagen ist: Die Einschwingzeit der Waage entfällt.
Zudem ist er unabhängig vom Dosiersystem wie zum Beispiel Walzenfüller, Stechheber, Schneckendosierer, Drehkolbenpumpen, Zeit-Druck-Verfahren oder Peristaltikpumpen und dem Behältnis - etwa einer Karpule, Vial, Flasche oder Spritze - in welches das Produkt dosiert wird. Aufgrund der Messtechnik und Akkumulation der Messkanäle sind 100-Prozent-Prozessinspektionen bei voller Maschinengeschwindigkeit möglich.
Die aktuellen Messdaten werden an den Maschinenkontroller weitergegeben, sodass eine Ausschleusung von unter- oder überfüllten Objekten durch die Maschine möglich ist. Alle relevanten Daten können in höhere Scada-Systeme abgespeichert werden. Weiterhin kann der Sensor auch in bestehende Produktionsanlagen nachgerüstet werden.
Funktionsweise des kapazitiven Sensors
Die Arbeitsweise des Sensors basiert auf einer kontaktfreien kapazitiven Messung, bei der das Produkt durch ein Messfeld dosiert oder in einem Behältnis über ein Messfeld bewegt wird. Während dieser Messung wird die �?nderung des elektrischen Felds gegen die Zeit aufgenommen. Messen kann man hier sowohl feste Stoffe wie etwa Tabletten, Pulver und Flüssigkeiten. Die resultierende Signal-Zeit-Kurve kann gegen Masse justiert werden. Der Justierfaktor wird über eine Einpunktjustierung oder Mehrpunktjustierung ermittelt, wobei die Einpunktjustierung verwendet wird, wenn sich nur das Produkt im Messfeld befindet. Die Mehrpunktjustierung wird angewendet, wenn sich das Produkt mit einem Behältnis im Messfeld befindet und somit ein endliches Signal erzeugt, auch wenn sich kein Produkt im Messfeld befindet. Durch diese verschiedenen Auswertemöglichkeiten können Produkte mit und ohne Behältnis gemessen werden.
Der VisioAMV wird bei Produktionsstart im 100-Prozent-IPK-Modus (Waagen) auf das jeweilige Behältnis und Produkt eingelernt. Während der Produktion wird so einem Drift entgegen gewirkt. Der Justierfaktor kann durch zeitweilige IP-Kontrolle nachjustiert werden, sodass die Vorhersagegenauigkeit über den gesamten Prozess gewährleistet ist.
Hier nun zwei Anwendungsbeispiele: Im ersten Fall wurde der Sensor in eine Anlage eingebaut, die Pulver mittels Schneckendosierer in Karpulen füllt. Die Masse des Produkts wird durch den Sensor noch während des Dosierprozesses bestimmt. Die dosierte Masse beträgt 55 mg und der Sensor ist im Bereich von 10 bis 100 mg linear. Die Maschinengeschwindigkeit beträgt 30 Takte pro Minute und es werden jeweils acht Karpulen gleichzeitig befüllt. Somit ergibt sich eine Maschinengeschwindigkeit von >240 Karpulen pro Minute.
Im zweiten Anwendungsfall werden mit Flüssigkeiten gefüllte Glasvials mittels Sensor kontrolliert. Der kapazitive Sensor bestimmt in diesem Fall ein Füllvolumen von 2 ml wässriger Lösung in jedem einzelnen 10-ml-Glasvial. Der Justierfaktor wird mit einer Dreipunktjustierung ermittelt, bei der das Zielvolumen und die jeweiligen Unter- und Überfüllungen ±10 Prozent mittels Waage einjustiert werden. Die Maschinenge-schwindigkeit beträgt bis zu 600 Vials pro Minute. Damit entsteht durch die 100-Prozent-IPK kein Leistungsverlust. Zudem beinhaltet das Sensorfeld in diesem Fall zwei Messkanäle. Der erste Kanal misst die Glasvariation des Bodens und der zweite Kanal das Glasvial mit dem Produkt. Hierdurch können die Bodentoleranzen, die bei der Vialfertigung auftreten, eliminiert werden.
Auf Bedürfnisse zugeschnitten
Mit dem VisioAMV ist eine 100-Prozent-Kontrolle für die Massenbestimmung in Dosier- und Abfüllprozessen bei hohen Maschinengeschwindigkeiten möglich. Durch das flexible Design lässt er sich in nahezu jeder Maschine integrieren, auch in bereits vorhandene Prozesse. Der schnelle Datenaustausch zwischen Sensor und Maschinenkontroller gewährleistet die Ausschleusung nicht konformer Produkte. Somit ist der Sensor auf die Bedürfnisse der modernen Abfülltechnik zugeschnitten und eine Ergänzung der Inspektionsmesskette.