Corporate News 7 Fragen an Dr. Matthias Braun

Dr. Matthias Braun, Vorsitzender der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB)

16.07.2013

Dr. Matthias Braun, Vorsitzender der DIB, über die Chancen von Biotech in Europa

P&A:

Herr Dr. Braun, letztes Jahr hat die BASF ihre Biotech-Forschung in Europa beendet. Bayer hat das schon vor Jahren getan - und nun verabschiedet sich auch Monsanto. Sehen Sie noch eine Zukunft für die forschende Bio-technologie in Europa?

Dr. Matthias Braun:

Die Unternehmen tragen mit ihren Entscheidungen dem schwierigen Markt-umfeld in Deutschland und Europa Rechnung. Sie verabschieden sich aber nicht grundsätzlich aus der Biotechnologie. Sie sagen: Offensichtlich ist Europa nicht bereit, die grüne Gentechnik anzunehmen. Das ist die klassische Reaktion satter Länder. Europa ist geprägt durch jahrzehntelange Agrarüberschüsse. Der Rest der Welt dagegen ist geprägt durch einen Bedarf an mehr oder besseren Lebensmitteln. Durch das Klima und die schlechten Transportwege in Indien geht zum Beispiel ein Drittel der Ernte auf dem Weg zum Kunden verloren. Dort sind die Fragestellungen der Menschen ganz andere.

Was die Verbraucherseite angeht: Über 80 Prozent der Baumwolle für Jeans kommt heute von genetisch veränderten Pflanzen. Ich bin mir relativ sicher, dass kaum ein Jeans-Träger diese Zahl kennt. Und würde er sie kennen, würde das seine Haltung auch kaum ändern. Ich bin mir sogar recht sicher, dass man keine Jeans mit dem Argument "nicht aus gentechnisch veränderter Baumwolle hergestellt" vermarkten könnte. Das geht knallhart nach dem Preis. Das Konsumentenverhalten ist eben eine eigene Geschichte.

Die Position der DIB zu Pflanzenbiotechnologie ist: Wir haben keine Probleme mit der Risikobewertung zur Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU. Man kann das alles machen, wie im europäischen Richtlinienwerk vorgeschrieben. Unsere Forderung lautet aber: Wird ein Produkt von den zuständigen Behörden als sicher bewertet, muss es umgehend EU-weit zugelassen und ohne Einschränkungen in den EU-Mitgliedstaaten genutzt werden können. Der Biotech-Industrie, die auf Zulassungs- und Rechtssicherheit angewiesen ist, wäre also schon viel geholfen, wenn Deutschland und die EU sich einfach an ihre eigenen Regularien hielten.

Heißt das Jeans-Beispiel, die Verbraucher sind zu blauäugig? Stellt man Bio und Biotech gegenüber, scheint der Konsens ja: Bio ist immer gut, Biotech ist immer schlecht.

Mich erstaunt nicht, dass wir im letzten Dreivierteljahr durchaus differenzierte Stimmen zum Thema Bio finden. Dazu gehört die Erkenntnis, dass immer mehr Bio-Bauern zum herkömmlichen Anbau zurückkehren - weil Bio im Sinne einer Massenproduktion nicht mehr die gewünschten Renditen erwirtschaftet. Wir hören auch, Bio-Lebensmittel schmecken nicht besser als konventionelle. Aber auch dieses Thema wird sehr emotional behandelt. Hilfreich sind aus meiner Sicht schlicht und einfach Fakten und Bildung. Hätten wir jemanden, der einmal wöchentlich im Fernsehen positiv über Biotechnologie referiert, würden wir über die nächsten fünf oder zehn Jahre auch eine Veränderung sehen.

Hat die DIB denn entsprechende Marketing-Instrumente an der Hand, oder setzen Sie andere Akzente bei der Kommunikation?

Als Vorsitzender möchte ich vor allem die Bedeutung von Biotech für Deutschland aus der "Amflora-Ecke" herausholen. Eine gentechnisch veränderte Stärke-Kartoffel kann nicht das große wirtschaftliche Potenzial der Biotechnologie insgesamt verdeutlichen. Ich will mehr Leuchttürme der Biotechnologie zeigen, die aus Deutschland heraus bedient werden. Die vorhandene Wirtschaftsstatistik bewertet Biotech zu niedrig, da sie große Unternehmen und ihre Umsätze mit Biotech-Produkten aus dem Pharmabereich ausblendet. Viel spannender für den Exportweltmeister ist doch aber, was für Umsätze wir auf dem Weltmarkt heute bereits tatsächlich erzielen. Wir reden hier über viele Milliarden!

Wie positioniert sich die DIB in der Verbandslandschaft? Es gibt ja recht viele Biotech-Verbände in Deutschland. Fällt da die Abgrenzung manchmal schwer?

Von den etwa 40 Wirtschafts- und Wissenschaftsverbänden in Deutschland, die sich mit Biotechnologie befassen, gibt es genau eine Biotechnologie-Organisation, die das komplette Spektrum aller Anwendungen der Biotechnologie als Fulltime-Player abdeckt - und das ist die Deutsche Industrievereinigung Bio-technologie. Unsere Mitglieder repräsentieren über 90 Prozent des gesamten Markts. Auch international gehört die DIB zu den weltgrößten Industrieorganisationen der Biotechnologie. Abgesehen davon ist es in der politischen Landschaft durchaus vorteilhaft, dass unterschiedliche Biotech-Organisationen unterschiedliche Themenspektren abdecken und damit auch eine sehr breite politische Arbeit verrichten können. Entscheidend in der Verbandslandschaft ist, dass sich Unterschiedlichkeit nicht in Widersprüchlichkeit niederschlägt.

Was sind Ihre konkreten Forderungen an die deutsche und europäische Politik?

Drei Themen sind für uns zentral. Erstens treten wir für eine steuerliche Forschungsförderung ein, denn Forschung ist Investition in Innovation. Wird das nicht auf vernünftige Art geregelt, kann das volle Potenzial einer Industrie und eines Landes nicht ausgeschöpft werden.

Würde eine solche Öffnung den befürchteten Kompetenzverlust deutscher Unternehmen nicht noch unterstützen?

Auf politischer Ebene in Deutschland wird immer noch die Sichtweise vertreten: Biotech ist Hightech, das können nur wir. Aber das ist ein großer Irrtum. Die meisten Naturwissenschaftsabsolventen in den USA sind Asiaten. Viele von ihnen gehen danach zurück in ihre Heimatländer. In Indien und China gibt es auch genügend Geld für komplexe Anlagen. Man muss sich verinnerlichen: Hightech bedeutet heute nicht mehr als einen Zeitvorsprung von fünf bis zehn Jahren. Vergrößere ich aber meinen Markt durch eine Freihandelszone, heißt das auf lange Sicht: Es gibt mehr für alle.

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