Lignin steckt in allen verholzten Pflanzen und ist mit rund 20 Milliarden Tonnen Jahresaufkommen neben Zellulose und Chitin die häufigste organische Substanz auf Erden. Es besteht zum größten Teil aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff in einem sehr komplexen und großen Molekül, das aus kleineren Verbindungen aufgebaut ist, wie man sie zur Herstellung von Treibstoff und Phenolen braucht.
Effizienz-Turbo für die Treibstoffhestellung
Theoretisch lassen sich diese Verbindungen durch „Aufknacken“ des Lignins gewinnen. Allerdings ist das chemisch extrem kompliziert und aufwendig, sodass sich herkömmliche Verfahren nicht rentieren. Nun sind Forscher des Paul Scherrer Instituts PSI in Villigen und der ETH Zürich einen großen Schritt vorangekommen, den Mechanismus hinter den Reaktionen besser zu verstehen, die zu den gewünschten Chemikalien führen können.
Lignin-Moleküle per Katalysator knacken
In dem Verfahren wird das große Molekül Lignin – die Forscher verwendeten als Modell den Lignin-Baustein Guaiacol – bei rund 400 °C und ohne Sauerstoff in kleinere Moleküle aufgespalten. Als Katalysator nutzten die Forscher einen Zeolith, ein Material mit vielen Poren, an dessen großen Oberfläche die Reaktion stattfinden kann.
Den Zwischenstoffen auf der Spur
Zunächst entstehen für Sekundenbruchteile sogenannte Intermediate – gasförmige Zwischenprodukte, die mit dem Wasser und Sauerstoff der Umgebung sofort weiter zu Phenolen und anderen stabilen Endprodukten reagieren.
„Diese Intermediate kann man mit herkömmlichen Methoden nicht beobachten,“ sagt Patrick Hemberger, Strahllinienwissenschaftler an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des PSI. „Vor allem kann man sie kaum unterscheiden, weil ihre Moleküle oft aus den gleichen Atomen bestehen, die nur verschieden angeordnet sind. Könnten wir aber diese Zwischenprodukte und ihr Mengenverhältnis bestimmen, dann ließe sich auch das Verfahren so verändern, dass bestimmte Intermediate bevorzugt erzeugt werden und am Ende die Ausbeute des gewünschten Produkts steigt.“
Synchrotronlicht macht Unsichtbares sichtbar
Da die Moleküle gleich viel wiegen, sind sie etwa für ein Massenspektrometer, das Substanzen anhand ihres Gewichts sortiert, nicht auseinanderzuhalten.
„Mittels sogenannter Vakuum-Ultraviolett-Synchrotronstrahlung und einer Kombination aus Massenspektrometrie und Photoelektronenspektroskopie, die wir hier an der SLS zur Verfügung haben, ist uns dies nun gelungen“, berichtet Hemberger. Bedeutet: Die speziellen Lichtstrahlen, die die SLS erzeugt, schlagen Elektronen aus den Molekülen heraus, die dann mit speziellen Verfahren beobachtet werden. „Die beobachteten Eigenschaften dieser Elektronen gleichen einem Fingerabdruck, sie sind für jede Substanz einzigartig.“
Schluss mit Herumprobieren
Bisher wurde bei solchen katalytischen Verfahren per „cook and look“ gearbeitet: Man probierte einfach aus, welche Versuchsanordnung am meisten von dem gewünschten Produkt ergab, variierte zum Beispiel Temperatur, den Katalysator, die Konzentration der Moleküle.
„Mit dem von Patrick Hemberger entwickelten Ansatz können wir nun die komplexen Reaktionsmechanismen erstmals wirklich enträtseln“, sagt Co-Autor Jeroen van Bokhoven, Leiter des Labors für Katalyse und nachhaltige Chemie am PSI und Professor für heterogene Katalyse an der ETH Zürich. „Und dadurch können wir nun gezielter neue, bessere und umweltfreundlichere Herstellungsverfahren entwickeln“, ergänzt die zweite Co-Autorin Victoria Custodis. Noch dazu lasse sich der Ansatz auf zahlreiche andere Katalyseverfahren übertragen.