Mit der neuen Norm UL 6141 gibt es jetzt, genauer gesagt seit Mai 2016, eine Normgrundlage für sogenannte große Windkraftanlagen in den USA. Damit ergeben sich neue Vorgaben, auf die auch europäische Hersteller und Zulieferer reagieren müssen, darunter auch Lieferanten von Kabeln und Verbindungszubehör.
IEC und NEC erlaubt
Die gute Nachricht und damit größtes Zugeständnis an die europäischen Anbieter einschließlich der Zulieferer: Diese dürfen ihre elektrischen Anlagen wie bisher nach IEC auslegen, also nach den in Europa üblichen internationalen Normen. Amerikanische Hersteller können wie gewohnt NEC nutzen. Beiden bleibt damit ein Teil des aufwändigen Umdesignen ihrer Anlagen erspart.
Nicht so glimpflich kommen die Europäer bei der Wahl der richtigen Kabel und Leitungen davon. Bisher verwendeten die Hersteller von Windenergieanlagen für die externe Verkabelung hauptsächlich Kabel nach AWM (Appliance Wiring Material). Laut UL entsprechen nur UL-gelistete Kabel der Intention der Norm – was genau das in der Praxis bedeuten wird, ist noch nicht vollkommen klar. UL 6141 schlägt die Tür für AWM-Kabel also nicht ganz zu. Den Herstellern steht es frei, für diese Kabel eine Einzelabnahme zu erhalten, es gehört dann zur Zertifizierung der Anlage. Das bedeutet allerdings, dass dieses Kabel nicht durch ein anderes ersetzt werden kann, auch nicht durch ein UL-gelistetes. Diesen Weg werden die Hersteller vermutlich nicht beschreiten, weil sie dann große Mengen Kabel auf Lager halten müssten für den Fall, dass vielleicht in 15 oder 20 Jahren ein Kabel ausgetauscht werden muss.
Metrische Kabel mit UL-Listing
Die Lapp Gruppe hat einigen Aufwand für ein umfangreiches Portfolio an Kabeln für die Windenergiebranche getrieben. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben das einzige Unternehmen, das UL-gelistete Steuerleitungen im Angebot hat, deren Querschnitt nach dem in Europa und in vielen Ländern der Welt üblichen metrischen System angegeben ist, also in Quadratmillimetern. Ansonsten sind UL-gelistete Kabel überwiegend mit AWG-Klassifizierung im Angebot, bei denen der Querschnitt in Quadratzoll bestimmt wird. Was auf den ersten Blick für den US-Markt sinnvoll klingt, hat einen großen Nachteil: Möchte ein Hersteller von Windkraftanlagen eines bestimmten Typs sowohl in Europa als auch in den USA verkaufen, muss er je nach Markt unterschiedliche Kabel verwenden und die Spezifikationen bezüglich Querschnitt, maximalem Strom, Korrekturfaktoren bei Temperaturänderungen und so weiter umrechnen. Dies ist natürlich zeitintensiv und mit Kosten verbunden.
Anders bei Kabeln von Lapp: Der Hersteller der Windenergieanlage nimmt für den US-Markt die UL-gelistete Variante der Kabeltypen Control TM/TMCY oder Tray II/IICY von Lapp, die ihm ein Umrechnen oder Umdesignen ersparen, da er im metrischen System bleibt. Ein zusätzlicher Vorteil: Die genannten Kabel sind Standardartikel, die in USA und in Europa in großen Mengen auf Lager liegen, sie können also bei Ausfällen oder Serienproduktion von Windenergieanlagen oft innerhalb von 24 Stunden geliefert werden, und das in vielen Teilen der Welt.
Erhöhte Schutz- Anforderungen
Um den Schutz der Windenergieanlage und der Servicemitarbeiter zu sichern, sind die Anforderungen an den mechanischen Schutz von Kabeln und Leitungen in UL 6141 erhöht worden. Generell gilt, dass Kabel entweder in UL-gelisteten Kabelkanälen verlegt werden müssen, oder es müssen Kabel mit Tray Rating verwendet werden. Ein Sonderfall ist die Nabe: Für die Verbindungen zwischen der zentralen Einheit, der Hub-Box, und den einzelnen Pitch-Steuerungen (Flügelverstellungen) dürfen nur Kabel mit Tray Rating verwendet werden und sie müssen in geschlossenen Kabelkanälen verlegt werden. Die Kabelkanäle müssen ebenfalls UL-gelistet und so ausgelegt sein, dass ein Servicemitarbeiter drauftreten kann ohne den Mantel des Kabels zu beschädigen.
Die UL 6141 gilt nur für große Windenergieanlagen, wobei groß danach definiert ist, ob es vom Hersteller vorgesehen ist, dass Personen die Anlage zum Beispiel zu Wartungszwecken betreten sollen oder nicht. Die europäische IEC-Norm definiert dies anders, dort bezieht sich die Definition nach der überstrichenen Fläche des Rotors.