Die Knallgasreaktion kennen wir alle noch aus der Schule: Der kleinste Funke lässt ein Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch mit Getöse explodieren. Der umgekehrte Weg, die Elektrolyse, verschlingt entsprechend große Mengen an Energie. Weil der Wasserstoff sich im Gegensatz zu Strom gut lagern lässt, kann er als Energiespeicher dienen, zumal die Freisetzung der Energie nicht so abrupt wie im Knallgas erfolgen muss: Brennstoffzellen erledigen das ganz unspektakulär - außer der Produktion von Strom, Wärme und Wasser ist nicht viel zu bemerken. In der chemischen Industrie geht es zwar nicht um die Speicherung, sondern um die Produktion von Wasserstoff, doch ist dort die großtechnische Elektrolyse längst Standard. Allerdings fahren die Anlagen da mit konstanter Leistung. Ganz anders ist die Situation, wenn unstet anfallende regenerativ gewonnene Energie zur Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff dienen soll. Elektrolyseure, die sich dafür eignen, sind noch längst nicht von der Stange zu kaufen, schon gar nicht in der Megawatt-Klasse.
Aufhorchen ließ daher das Hybridkraftwerk der Enertrag in Prenzlau, rund 100 km nördlich von Berlin in der Uckermark, das erstmals Ende 2011 ans Netz ging. Seit etwa einem halben Jahr verwendet es den hin und wieder überschüssigen Windstrom zum Betrieb eines Elektrolyseurs. Eine mehrere Zentimeter breite, massive Kupferschiene transportiert 4000 A Gleichstrom bei bis zu 138 Volt in die Anlage. 78 Prozent Wirkungsgrad erreicht der „in Handarbeit“ hergestellte Elektrolyseur, so Enertrag-Vorstand Werner Diwald. Zum Einsatz kommt hier im Prinzip das aus der chemischen Industrie bekannte Verfahren der alkalischen Druckelektrolyse, das bei steilen Leistungsflanken „maximal fünf Prozentpunkte Einbußen“ aufweise, aber dem volatilen Verlauf der Einspeisung nach Aussagen von Enertrag im Prinzip gut folgen kann.
Der Elektrolyseur produziert bei Nennlast 120 Nm 3/h Wasserstoff, der über zwei Kompressoren auf einen Druck von 42bar verdichtet und in drei stationäre Gasspeicher mit einem Gesamtfassungsvermögen von 1150 kg eingeleitet wird. Theoretisch könnte es von hier aus im stationären Betrieb wieder verstromt werden, tatsächlich dient es aber als Kraftstoff im Rahmen eines Forschungsprojektes der Clean Energy Partnership (CEP), die am Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur und Ausbau der Brennstoffzellenfahrzeugflotte arbeitet.
Ein Kilo Wasserstoff gibt einem Pkw etwa 100 km Reichweite und wird derzeit mit 9,50 Euro abgerechnet. Bei den derzeitigen Produktionskosten von etwa 7 Euro pro Kilo „sind wir auf der Treibstoffseite heute schon marktfähig“, so Diwald, auch wenn der Enertrag-Vorstand den gegenwärtigen Elektrolyseur unter Forschungs- und Entwicklungsaspekten sieht und eingesteht: „Daran verdient man kein Geld.“
Das Cottbuser Forschungsprojekt
Doch die Entwicklung geht weiter: Im Cottbuser Wasserstoff-Forschungszentrum, rund 100 km südöstlich von Berlin, erprobt man eine Elektrolyse bei bis zu 60 bar Druck. Neben der optimalen Anpassung an die Stromeinspeisung aus Windkraftanlagen werden Fragen zur Speicherung, zum Transport und zur Verstromung von Wasserstoff untersucht. Enertrag lieferte das Herzstück, den Elektrolyseur.
„Deutschlandweit sind wir in Brandenburg mit unseren Forschungsarbeiten Vorreiter“, sagte Prof. Hans Joachim Krautz vom Lehrstuhl Kraftwerkstechnik, der das Wasserstoff-Forschungszentrum initiiert hat, als nach eineinhalb Jahren Bauzeit die Anlage Anfang Juni eingeweiht wurde. Mitten in einer rund 250 m 2großen Halle befindet sich auf einer Fläche von etwa 90 m 2ein Druckelektrolyseur im Maßstab einer kleinen Industrieanlage, dessen maximale Produktionskapazität etwa 30 Nm 3/h Wasserstoff beträgt.
Die Vorteile der Druckelektrolyse bestehen darin, dass die produzierten Gasmengen schon innerhalb des Produktionsprozesses komprimiert werden. Das spare den energieintensiven Zwischenschritt der Gasverdichtung durch einen Kompressor, um den Wasserstoff in einem Gastank unter Druck speichern zu können. Zudem werde durch das komprimierte Produktgas eine kompaktere Bauweise möglich, die Materialeinsparungen in Anlagentechnik und Rohrleitungsbau ermögliche und damit die Investitionskosten senken kann. Doch die Konkurrenz im gar nicht so fernen Bayern schläft auch nicht - siehe Kasten.