Bis 2020 will die Bundesregierung die Deutschen elektromobilisieren. Doch während Fachleute noch darüber debattieren, wie möglichst schnell eine Million Elektroautos auf die Straße kommen können und Emissionen sich reduzieren lassen, werden in der Praxis schon Nägel mit Köpfen gemacht. Vielerorts florieren unterschiedlichste Carsharing-Angebote und auch die klassische Fahrgemeinschaft leistet einen Beitrag zur Verkehrsentlastung. In knapp 300 deutschen Städten teilen sich nicht nur Umweltbewusste bereits mehr als 5000 Fahrzeuge, was Deutschland den Spitzenplatz in Europa einbringt.
Denn wer muss in unserer digitalen und urbanisierten Gesellschaft eigentlich noch ein Auto besitzen oder leasen, das vielleicht die meiste Zeit des Tages nur herumsteht? Gut durchdachte und flächendeckend vernetzte Fahrkonzepte entlasten den Verkehr, reduzieren Emissionen, sparen Kosten und Ressourcen und bieten nebenbei auch eine Chance für die schrittweise Integration von Elektroautos.
Fahrgemeinschaften: Ein Klassiker revitalisiert
Über das Portalmitfahrgelegenheit.definden sich seit mehr als zehn Jahren diejenigen zu Fahrgemeinschaften zusammen, die günstig und umweltfreundlich reisen möchten. Mit dieser Plattform bietet Carpooling.com das mittlerweile größte Mitfahrnetzwerk Europas an: Rund zwei Millionen Menschen nutzen es jeden Monat. „Das entlastet nicht nur den Verkehr, sondern spart nebenbei auch eine ganze Menge CO 2“, erklärt Markus Barnikel, einer der Geschäftsführer.
Verantwortlich für den Erfolg der Plattform seien unter anderem die zunehmende Verstädterung und die wachsende Nachfrage nach unabhängiger Fortbewegung. Dem kommt die Plattform mit einer Smartphone-App entgegen, mit der Benutzern Fahrten noch schneller und flexibler buchen können. „Für die Zukunft planen wir außerdem weitere Kooperationen mit Mobilitätspartnern, wie sie bereits mit der Bahn und Air Berlin bestehen“, so Barnikel.
Auf der Plattform können die Nutzer auch Flüge sowie Bahn- und Bustickets buchen und sehen so auf einen Blick das für sie günstigste Mobilitätsangebot. „Mit der Kombination werden dem Wunsch der Nutzer nach Intermodalität gerecht“, sagt Barnikel. Solche Kombi-Angebote können langfristig die Bindung an nur einen einzigen Verkehrsträger schwächen, die Auslastung verbessern und die Nachhaltigkeit erhöhen.
Zu den Kooperationspartnern von Carpooling.com gehört auch der ADAC, der seit 2009 den sogenannten Mitfahrclub anbietet. „Die Fahrt mit einem ADAC-Mitglied gilt als sicherer, da ADAC-Mitgliedern im Pannenfall schnell weitergeholfen wird“, erläutert Michael Reinicke, ebenfalls Geschäftsführer der Carpooling.com.
Dank Kommunikationstechnik spontan reisen
Noch spontanere Mitfahrgelegenheiten verspricht die Mitfahrzentrale Flinc. Ein internetbasiertes System, das mit sozialen Netzwerken, dem PC, einer Smartphone-App sowie mit GPS-Navigationssystemen verbunden ist, erlaubt Fahrern und Mitfahrern, sich in Echtzeit zusammenzufinden. Lange Abstimmungsprozesse im Voraus entfallen, weshalb Flinc auch für Kurzstrecken unter 40 Kilometer geeignet ist, also für 80% der täglichen circa 165 Millionen Pkw-Fahrten in Deutschland. Für das Vertrauen zu den potenziellen Fahrern sorgen Personalisierungen im Netzwerk und ein Bewertungssystem.
Flinc ging gerade als einer der fünf Sieger des von Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) und CeBit ausgeschriebenen Ideenwettbewerbs „Urban Solutions‘ Pitch 2012“ hervor und wird daher auf der CeBIT vom 6. bis 10. März 2012 in der Urban Solutions Area in Halle 8 zu sehen sein.
Geht doch: Mitfahrzentrale für Unternehmen
Was im Kleinen gut funktioniert, kann auch für Unternehmen durchaus überlegenswerte Ansatzpunkte bieten. Der Energiekonzern Eon etwa hat die Vorteile von Mitfahrgelegenheiten erkannt und die Idee für seine Angestellten aufgegriffen. Gemeinsam mit Carpooling.com entstand so die Eon-Mitfahrzentrale. Über das Konzern-Intranet können Mitarbeiter ihre Fahrten zu und zwischen den Standorten hinterlegen und so passende Fahrer oder Mitfahrer finden.
In den ersten vier Monaten haben die Angestellten das Angebot über 15.000-mal aufgerufen und sind insgesamt rund 4800-mal gemeinsam gefahren. „Die Eon-Mitfahrzentrale stößt auf bemerkenswerten Zuspruch“, sagt Matthias Hansch, der bei Eon unter anderem für das Thema Umwelt verantwortlich ist. „Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Mitfahrgelegenheit.de erlaubt uns, auch in der Mobilität CO 2und Ressourcen einzusparen.“ Derzeit können ausschließlich Mitarbeiter in Deutschland auf das Angebot zugreifen. Aufgrund des großen Erfolgs ist aber eine Ausweitung auf weitere Ländergesellschaften geplant.
Carsharing-Angebote wohin man blickt
Stattauto München, Greenwheels, Teilauto, Zeitauto, Cambio Carsharing - die Liste der Carsharing-Angebote in Deutschland ist lang, schon weil sich regional immer wieder Privatleute zu Vereinen zusammenschließen, um Fahrzeuge gemeinsam zu nutzen. Schon mehr als 190.000 Autofahrer sind dabei und greifen auf Fahrzeuge von über 100 Anbietern zurück.
Die Profis steigen ein
Neben professionellen Anbietern wie dem herstellerunabhängigen ZebraMobil haben auch die Autohersteller die Zeichen der Zeit erkannt. So setzen Daimler mit Car2go und BMW/Sixt mit DriveNow inzwischen auf eigene Carsharing-Lösungen. Das Prinzip ist immer ähnlich: Nach der Registrierung beim Anbieter erhält der Kunde einen Chip-Aufkleber für seinen Führerschein oder eine Zugangskarte. Per Smartphone-App, Internet oder Telefon macht er dann den nächstgelegenen Pkw ausfindig, wo er sich unkompliziert mit seinem Führerschein identifizieren kann - und schon geht�??s los.
Im Gegensatz zu Mietwagen wird in der Regel im Minutentakt abgerechnet. Versicherungsgebühren und Tankkosten sind schon enthalten. Meist entfallen die Parkgebühren in der Umgebung. So sind etwa die DriveNow-Fahrzeuge mit Parkvignetten ausgestattet, mit denen man das Fahrzeug kostenlos auf öffentlichen Parkplätzen innerhalb eines bestimmten Gebietes parken oder stehen lassen, wenn man es nicht mehr benötigt. Auch VW (Quicar), Peugeot (Mu) und Toyota arbeiten bereits an ähnlichen Konzepten.
Kosten und Ressourcen sparen
Mit Carsharing bekommt der Gelegenheitsfahrer dann Zugriff auf ein Auto, wenn er es braucht. So lassen sich vier bis zehn Fahrzeuge einsparen. Auch Unternehmen, für die ein eigener Fuhrpark zu teuer ist, könnten damit Kosten sparen. Damit noch mehr Menschen das Angebot nutzen und den Verkehr entlasten, fordert der der Bundesverband für Carsharing (BCS), der die Interessen der Anbieter in Deutschland vertritt, von der Politik die Verbesserung der Rahmenbedingungen. So fehle etwa für den Aufbau von mehr Carsharing-Stationen auf Verwaltungsebene die Möglichkeit, exklusive Stellplätze zu genehmigen. Auch durch eine Umstellung der Kfz-Steuer auf eine CO 2-Bemessungsgrundlage könne für potenzielle Nutzer noch mehr Anreiz zum Umstieg auf Carsharing schaffen.
Integrierte Lösungen für den Stadtverkehr
Attraktiv erscheint dem BCS auch die Idee, Fahrzeuge auf Abruf mit dem öffentlichen Nahverkehr zu kombinieren. Er fordert die Integration von Carsharing-Angeboten in lokale sowie regionale Nahverkehrspläne, um die Nachhaltigkeit noch zu verstärken.
Wie so etwas aussehen kann, zeigten das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ), der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg und die Deutsche Bahn (DB) mit dem Projekt BeMobility in Berlin: Das Projekt zur multimodalen Mobilität kombinierte E-Carsharing (über das DB-Verleihsystem Flinkster) mit öffentlichem Nahverkehr.
Vielversprechende Kombination mit E-Mobilen
Der wachsende Erfolg von Carsharing in Deutschland bringt Hersteller wie Peugeot auf die Idee, neben herkömmlichen Pkw und Nutzfahrzeugen auch Elektroautos und Elektro-Fahrräder anzubieten. Als eines der ersten Carharing-Unternehmen bietet Drive-Carsharing seit 2010 Elektroautos zum Teilen an, und auch Flinkster stellt Elektroautos in Berlin, Frankfurt, Hamburg und Saarbrücken.
Auch Daimler hat mit Car2go elektrisierende Pläne: Der Autohersteller will mit seinem Carsharing-Konzept Car2go die weltgrößte Flotte reiner Elektroautos nach Stuttgart bringen. Damit die etwa 500 vollelektrischen Smarts nicht liegenbleiben, will der Energieversorger EnBW dafür 500 Ladestationen und Ökostrom liefern. �?hnlich wie bei BeMobility soll auch hier verstärkt auf Multimodalität gesetzt werden, weshalb Daimler bereits mit dem Verkehrsverbund Stuttgart an der Verkehrsträgervernetzung arbeitet.
Das Car-Institut der Universität Duisburg-Essen (UDE) sieht ebenfalls großes Potenzial in der Kombination von Elektrofahrzeugen und Carsharing. Hier werden in einem Fahrsimulator die Dimensionierungen von Lithium-Ionen-Batterien für Plug-In-Hybrid-Autos und Elektroautos untersucht, um deren Gesamtstromverbrauch abzuschätzen. Die Erkenntnisse will die UDE im Rahmen eines „Schaufenster für Elektromobilität“ sichtbar machen. „Wir wollen den vernetzten Verkehr in den Metropolen Köln, Essen, Bochum und Dortmund“, erklärt Car-Direktor Prof. Dr. Dudenhöffer. „Mit dem neuen Teststand können wir schon jetzt Carsharing mit Elektroautos im Computer fahren.“
Konzepte für mehr Nachhaltigkeit
Die Energieeinspareffekte von Carsharing können sich schon längst sehen lassen. Im Jahr 2003 wertete das Wissenschaftszentrum Berlin die Emissionen von über 1000 Carsharing-Fahrzeugen in deutschen Großstädten aus und errechnete einen spezifischen CO 2-Ausstoß von knapp 148 g/km, das waren 16 Prozent weniger als bei den im gleichen Jahr in Deutschland gekauften Neuwagen.
Dank Kommunikationstechnik und wachsender Verbreitung von Mitfahrkonzepten wird mehr Nachhaltigkeit in der Fortbewegung von Jahr zu Jahr bequemer. Geteilter Fahrspaß bringt also doppelt Freude, denn so erreicht man guten Gewissens und flexibel jedes Ziel.