Zweikomponentenfaser Dehnbare Glasfasern mit Glycerin-Kern

Das Team von Rudolf Hufenus ist Teil eines führendes Instituts bei der Herstellung flüssig gefüllter Fasern.

Bild: Empa
29.07.2021

Daten und Signale lassen sich mit Glasfasern schnell und zuverlässig übertragen, solange die Faser nicht bricht. Ein Forschungsteam hat nun eine Faser mit flüssigem Glycerin-Kern entwickelt, die robuster ist und Daten ebenso sicher übertragen kann. Solche Fasern können auch als Bestandteile für die Industrie genutzt werden.

Die besondere Kombination aus optischen und mechanischen Eigenschaften der Zweikomponentenfaser der Empa könnte neue Marktnischen eröffnen. Hierzu sagt Rudolf Hufenus, Group Leader Polymer & Processing: „In Sachen optisch leitender Polymerfasern haben wir schon alles Mögliche ausprobiert. Aber mit keinem festen Faserkern erreichen wir eine solche Elastizität wie mit unserer flüssig gefüllten Faser.“

Aktuelle Problemstellung

Um einzuschätzen, worum es geht, hilft ein Blick auf die aktuelle Situation: Die Glasfaser-Technik ist erprobt und wird in großem Maßstab eingesetzt. Doch Glasfasern lassen sich nur bedingt biegen und reagieren sehr empfindlich auf Zugbelastung. Und wenn der gläserne Kern der Faser reißt, ist es mit der Datenübertragung vorbei.

Kunststofffasern werden typischerweise für kürzere Übertragungsstrecken eingesetzt: für einzelne Gebäude, Firmenareale oder in Fahrzeugen. Der Kern dieser Fasern besteht oft aus PMMA oder aus dem Kunststoff Polycarbonat.

Diese transparenten Materialien sind zwar biegsamer als Glas, aber fast ebenso empfindlich gegen Zugkräfte. „Sobald sich ein Mikroriss im Faserkern bildet, wird Licht daran gestreut und geht verloren“, erläutert Hufenus. „Die Datenübertragung wird also zunächst schlechter, später kann der Faserkern an dieser geschwächten Stelle sogar ganz reißen.“

Lösung der Problemstellung mithilfe eines Flüssigkerns

An dieser Stelle kommt die Empa ins Spiel: Seit sieben Jahren steht in den Labors der Forschungsabteilung „Advanced Fibers“ in St. Gallen eine Maschine, die kilometerlange, mit Flüssigkeit gefüllte Fasern herstellen kann. „Zweikomponentenfasern mit festem Kern gibt es seit über 50 Jahren“, sagt Hufenus. „Aber einen durchgehenden Flüssigkern zu fabrizieren, ist erheblich komplexer.“

Der Forscher stellte sich außerdem die Frage, ob man den Flüssigkern nicht auch zur Lichtübertragung nutzen könnte. Für die Lichtleitung in Hohlfasern mit Flüssigkern muss nun aber wieder alles zusammenpassen. Entscheidend ist der Unterschied des Brechungsindex zwischen der Flüssigkeit und dem transparenten Mantelmaterial: Der Brechungsindex der Flüssigkeit muss deutlich größer sein als der des Mantelmaterials. Nur dann wird das Licht an der Grenzfläche sauber gespiegelt und bleibt innerhalb des Kerns gefangen.

Zugleich müssen alle Bestandteile temperaturstabil sein. „Die beiden Komponenten der Faser müssen zusammen unter hohem Druck und bei 200 bis 300 °C durch unsere Spinndüse laufen“, erklärt Hufenus. „Wir brauchen also eine Flüssigkeit mit passendem Brechungsindex für die Funktionalität und mit möglichst geringem Dampfdruck für die Herstellung der Faser.“ Das Team entschied sich für einen Flüssigkern aus Glycerin und eine Hülle aus einem Fluoropolymer.

Testergebnis und Anwendungsbereiche

Das Experiment gelang: Die erzeugte Faser hält bis zu zehn Prozent Dehnung aus und findet dann wieder in ihre Ursprungslänge zurück. Doch die Faser ist nicht nur dehnbar, sie kann auch messen, wie weit sie gedehnt wurde. Hufenus und sein Team versetzten das Glycerin mit einer kleinen Menge fluoreszierenden Farbstoffs und untersuchten die optischen Eigenschaften dieser Leuchtfaser während des Dehnungsvorgangs.

Als Ergebnis kam heraus, dass sich beim Dehnen der Faser der Weg des Lichts verlängert, die Zahl der Farbstoffmoleküle in der Faser hingegen konstant bleibt. Dies führt zu einer kleinen Farbänderung des abgestrahlten Lichts, die man durch geeignete Elektronik messen kann. So kann die flüssig gefüllte Faser eine Längenänderung oder eine auftretende Zugbelastung anzeigen.

„Wir erwarten, dass sich unsere flüssig gefüllten Fasern nicht nur für Signalübertragung und Sensorik, sondern auch für Kraftübertragung in der Mikromotorik und Mikrohydraulik einsetzen lassen“, sagt Hufenus. Die exakte Zusammensetzung von Faserhülle und Füllung kann dann spezifisch auf die Anforderungen der jeweiligen Anwendung angepasst werden.

Bildergalerie

  • Der Kern der kilometerlangen optischen Faser besteht durchgehend aus Glycerin.

    Der Kern der kilometerlangen optischen Faser besteht durchgehend aus Glycerin.

    Bild: Empa

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