P&A: Herr Petz, wird die Ökodesign-Richtlinie nur zu mehr Bürokratie führen oder hilft sie Unternehmen tatsächlich, Energie zu sparen?
Petz: Bei Anlagen und Aggregaten stand bisher der Anschaffungspreis im Fokus, daher wurde auf energiesparende Antriebe oft verzichtet. Die Ökodesign-Richtlinie rückt ab 2015 die Anwendung in den Vordergrund und hilft den Endanwendern, so im tagtäglichen Betrieb Energie zu sparen. Da wir als Hersteller verpflichtet sind, energieeffiziente Motoren in Europa auszuliefern, wird nicht die Bürokratie erhöht, sondern tatsächlich Energie gespart.
Der Einsatz von IE3- oder IE4-Motoren allein genügt aber nicht, um den effizientesten Betrieb zu erreichen. Wie stellen Sie sicher, dass Anwender am Ende den richtigen Antrieb einsetzen?
Der gesamte Antriebsstrang muss betrachtet werden. Nicht nur das geeignete Antriebskonzept für eine Pumpe ist wichtig, auch die Mechatronik muss einbezogen werden. So können Einsparungen von bis zu 60Prozent realisiert werden. Dafür stellen wir unseren Kunden einen neuen Systemkonfigurator zur Verfügung, der für Pumpen-, Lüfter- und Turbokompressoranwendungen an Hand von Anlagenparametern ein abgestimmtes mechatronisches System auslegt. Das Tool steht im Internet zur Verfügung. [siehe Kasten]
Bei IE3-Motoren wird der Grenzbereich schon ausgereizt. Erwarten Sie für IE4 innovative Neuentwicklungen, die bedeutsamere Effizienzsteigerungen ermöglichen werden?
Asynchronmotoren in IE3 sind bereits Stand der Technik, die Effizienzklasse IE4 befindet sich gerade noch in der Definition. Aus unserer Sicht muss es daher zu weiterreichenden technologischen �?nderungen kommen. Mit Asynchrontechnik kann durch ein optimiertes Design höchste Energieeffizienz erreicht werden. Vor allem für Motoren am Umrichter werden jedoch auch andere Technologien zum Einsatz kommen müssen. Geeignete und am Markt bekannte Technologien hierfür sind zum Beispiel Reluktanztechnik und andere Synchrontechniken. In der Betrachtung des Gesamtsystems und in der Wahl des richtigen Antriebskonzepts schlummern oft weit größere Potenziale als in einer höheren Wirkungsgradklasse für Motoren.
Synchronmotoren enthalten Magnete, die aus Seltenen Erden gewonnen werden. Wird dies künftig zu Rohstoffproblemen führen, wenn immer mehr Antriebe ersetzt werden?
Um unabhängiger von den Seltenen Erden zu werden, entwickelt Siemens neue Motorkonzepte wie einen selbst- und wassergekühlten Synchronlinearmotor, der mit einem magnetlosen Sekundärteil ausgestattet ist. Das Primärteil koppelt hier induktiv ein. Damit lassen sich hoch dynamische Anwendungen mit langen Verfahrstrecken besonders kostengünstig realisieren.
Sie sind bereits auf die Reluktanztechnik eingegangen. Haben die F&E-Einheiten bei Siemens darüber hinaus noch weitere alternative Konzepte im Auge?
Für uns ist es wichtig, bei der Energiespardiskussion die Applikation im Blick zu behalten. Asynchronmotoren mit IE4-Wirkungsgrad sind für Pumpenanwendungen, bzw. für Dauerbetrieb geeignet. Für hoch dynamische Anwendungen und einen Zyklusbetrieb bieten permanenterregte Servomotoren einen prinzipbedingten Vorteil. Sie haben von Haus aus sehr hohe Wirkungsgrade. Die besondere Herausforderung für den Anlagenbetreiber ist es, das Optimum zwischen Produktionszeit, also Beschleunigung, und Energieverbrauch, das heißt Kosten zu finden - und die Produktivität pro Produkt mit dem Energieverbrauch pro Produkt zu vergleichen und für sich das Optimum zu definieren.
Welche Produkte und Leistungen wird die Siemens-Einheit Drive Technologies auf der SPS/IPC/Drives in diesem Jahr zeigen? Gibt es Neuheiten, die Sie vorstellen werden?
Das Thema Energy Efficiency ist das Kernstück unseres Auftritts auf der Messe. Wir präsentieren unseren Energy Efficiency Truck, der eindrucksvoll zeigt, wie die Produktivität gesteigert werden kann. Der Schlüssel hierzu liegt im perfekten Zusammenspiel energieeffizienter Produkte und Lösungen im Rahmen von Totally Integrated Automation, unserer offenen Systemarchitektur. An Hand von Modellen wird erklärt werden, wie industrielle Prozesse mit einem integrierten Ansatz optimiert werden können.