Prozessautomation Der Langstrecken-Spezialist

09.04.2015

Der Schuhschrank der meisten Menschen umfasst mehr als ein Paar Schuhe: Turnschuhe für den Sport, elegante Schnürer zum Tanzen, Gummistiefel für die Gartenarbeit oder Wanderschuhe zur Freizeitgestaltung. Neben der alltäglichen Fußbekleidung gibt es also spezielle Schuhe mit spezifischen Eigenschaften für besondere Anlässe. Gleiches gilt für die zahlreichen industriellen Funktechnologien.

Das neue Funksystem Radioline von Phoenix Contact schließt die Lücke zwischen WirelessHart sowie den Funkstandards Bluetooth und WLAN. Denn Radioline wurde insbesondere für die drahtlose Datenübertragung in ausgedehnten Infrastruktur-Anwendungen konzipiert - eine Eigenschaft, der die vorhandenen Technologien bislang nicht gerecht geworden sind. So zeichnet sich Bluetooth durch hohe Störsicherheit gegen EMV-Belastungen in industriellen Applikationen aus. Allerdings können nur kleine Netzwerke mit maximal sieben Slaves in Punkt-zu-Punkt- oder Stern-Struktur aufgebaut und Distanzen bis 150 Meter überbrückt werden. WLAN verwendet mit DSSS ein Frequenzspreiz-Verfahren, das Daten auf einem festen Frequenzband weiterleitet. Da die Ressourcen im 2,4-GHz-Bereich beschränkt sind, lassen sich maximal drei WLAN-Systeme ohne gegenseitige Beeinflussung parallel betreiben. Der Funkstandard unterstützt ein Roaming zwischen verschiedenen Access Points, weshalb er sich für mobile Ethernet-Applikationen eignet, in denen eine Reichweite von rund 100 Metern zu überwinden ist. WirelessHart wurde speziell für die batteriebetriebene I/O-Kommunikation in prozesstechnischen Anlagen entwickelt. Um den Energieverbrauch zu reduzieren, werden typischerweise geringe Update-Raten gewählt. WirelessHart erlaubt den Aufbau von Netzwerken mit bis zu 254 Teilnehmern sowie die Übertragung der Daten über eine Entfernung bis 3.000 Meter. Netzwerk-technisch sind vielfältige Strukturen von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen bis Full-Mesh-Netzwerken möglich.

Keinerlei Hürden stören die Inbetriebnahme

Das Funksystem Radioline basiert dagegen auf der Technologie Trusted Wireless 2.0, die gerade für den drahtlosen Datenaustausch in weitläufigen Infrastrukturen konzipiert ist. Via Radioline lassen sich sowohl Sensor- und Aktor-Informationen als auch serielle Daten in weit verteilten Anwendungen miteinander vernetzen. Typische Einsatzbereiche finden sich in der Wasser- und Abwassertechnik, der Zementindustrie, in Kraftwerken, an Förderanlagen sowie in Tankfarmen und der Prozesstechnik. In die Entwicklung der Funkgeräte sind die über zehnjährigen Erfahrungen eingeflossen, die Phoenix Contact bei der vorhergehenden Gerätefamilie gesammelt hat. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die einfache Inbetriebnahme gelegt. So sind die Funkkomponenten bereits vorkonfiguriert, es muss also lediglich die individuelle Adresse für jede Funkstation mit nur einem Dreh am gelben Rändelrad eingestellt werden. Die Adresse „01“ konfiguriert das Modul als Master, wohingegen Geräte mit den Adressen „02“ bis „99“ automatisch als Repeater/Slave arbeiten. Weil er sämtliche Betriebsarten unterstützt, kann der Funkkopf beliebig als Master für den Netzwerk-Aufbau, als Repeater zur Weiterleitung der Daten oder als Slave für die Endpunkte im Netz genutzt werden. Bei der Installation visualisiert ein in die Geräte integrierter Bargraf die Empfangsstärke kontinuierlich. Die Information steht darüber hinaus auch an Schraubklemmen zu Messzwecken zur Verfügung. Im Rahmen einer erweiterten Diagnose lässt sich der Zustand des gesamten Netzwerks zudem per Software auswerten.

Modular erweitern ohne Betriebsunterbrechung

Neben dem Funkmodul beinhaltet das Portfolio mittlerweile acht I/O-Erweiterungsmodule, die ebenso konsequent einfach in Betrieb genommen werden können. So lässt sich jede Funkstation durch Aufrasten von bis zu 32 I/O-Scheiben auf die Hutschiene modular ausbauen. Ein T-Busstecker rangiert die 24 V sowie die interne Kommunikation, sodass die Module im laufenden Betrieb installiert und ausgetauscht werden können. Die Verteilung der Informationen erfolgt mit einem Finger durch das sogenannte I/O-Mapping. Dabei wird sowohl am weißen Rändelrad des Eingangs- als auch des Ausgangsmoduls beispielsweise „23“ als I/O-Map-Adresse eingestellt, was die Geräte miteinander verknüpft. Der Vorgang, der sich beliebig oft an anderen Stationen wiederholen lässt, ermöglicht die einfache Verteilung und Vervielfachung von maximal 99 verschiedenen Eingangsmodulen. Die vier-, sechs- oder achtkanaligen Module umfassen eine hochwertige galvanische Kanal-zu-Kanal-Trennung. Eine Besonderheit weisen die vierkanaligen digitalen Module auf, deren Weitbereichsein- und Relaisausgänge Schaltspannungen bis zu 250 V erlauben. Ferner kann das achtkanalige digitale Eingangsmodul alternativ als zweikanaliges Zählermodul zum Erfassen und Weiterleiten beispielsweise von Durchfluss-Messwerten verwendet werden. Neben der I/O-zu-I/O-Betriebsart eröffnet das Radioline-System weitere Anwendungsmöglichkeiten. Über die in das Funkmodul eingebaute RS232- und RS485-Schnittstelle lässt sich ein Kabelersatz für serielle Netzwerke in Form von Funktechnologie realisieren, auch als Seriell-zu-Seriell-Betriebsart bezeichnet. Eine zusätzliche interessante Betriebsart ist die Anbindung und Integration von Funknetzwerken in oder an eine Modbus-Steuerung. Dazu erhält der Funkmaster eine Modbus-Adresse und kann dann über die implementierte serielle Schnittstelle via Modbus-RTU an eine Steuerung angekoppelt werden. So ist das gesamte Funknetzwerk mit lediglich einer Modbus-Slave-Adresse repräsentiert, und Sensor-/Aktor-Informationen lassen sich einfach lesen und schreiben. Die Datenrate der Radioline zugrunde liegenden Technologie Trusted Wireless 2.0 kann variabel von 16 bis 500 kBit/s eingestellt werden. Das erhöht die Empfängerempfindlichkeit, und es lassen sich Distanzen bis 5.000 Meter überbrücken. Zudem werden die unterschiedlichen Anforderungen bei der I/O- und seriellen Datenübertragung optimal erfüllt.

So entsteht maximale Sicherheit

Die umsetzbaren Netzwerkstrukturen passen sich ebenfalls flexibel an die Gegebenheiten der Anlage an. Radioline unterstützt Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ebenso wie auch Linien, Sterne oder selbstheilende Mesh-Netzwerke. In diesem Fall überwacht jeder Repeater/Slave im Mesh-Netz die Verbindung zum Funkmaster. Sobald er feststellt, dass die Kommunikation gestört ist, beginnt er sofort mit der Suche nach weiteren Teilnehmern, über die wieder eine Verbindung zum Master aufgebaut werden kann. Die Zeit zur Initiierung eines alternativen Pfads liegt unter einer Sekunde.Der Einsatz des Frequenz-Hopping-Verfahrens FHSS im 2,4-GHz-Band trägt ebenfalls zu einer störsicheren Datenübertragung bei. Dabei durchspringt der Sender kontinuierlich eine Frequenzgruppe. Insgesamt stehen hierfür acht Frequenzgruppen zur Verfügung, wobei keine Frequenz mehrfach verwendet wird, sodass sich gegenseitige Störungen ausschließen. Darüber hinaus bestimmt ein pseudozufälliges Sprungmuster die Reihenfolge der jeweiligen Frequenznutzung. Handelt es sich um individuelle Netze, kann der Anwender mit einem Konfigurationsspeicher ein weltweit einmaliges Sprungmuster erstellen. Neben der Koexistenz zu anderen Radioline-Systemen verhindern die Maßnahmen eine Beeinflussung fremder, im 2,4-GHz-Band funkender Systeme auf Basis von Bluetooth, WLAN oder WirelessHart. Ergänzend zum Frequenz-Hopping lassen sich über das Blacklisting maximal zwei WLAN-Kanäle ausblenden, die nicht weiter verwendet werden können. So wird eine gegenseitige Störung sicher vermieden. Die Radioline-Module beinhalten ferner Funktionen, die vor einer externen Manipulation der Daten schützen. Zu diesem Zweck wird jedes Datenpaket mit einer fortlaufenden Sequenznummer versehen, mit der sich jeder Sender eindeutig identifiziert. Außerdem können die Daten bei der Übertragung mit einem AES-Mechanismus verschlüsselt werden, was ein Abhören unmöglich macht.

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