Fachbeitrag Der schlaue OP

04.06.2013

Nicht mehr Skalpelle und Tupfer regieren in modernen Operationssälen, sondern technische Systeme. Ein zentrales, intelligentes System namens Buzz soll die Arbeitsabläufe im OP verbessern und eine einfache Interaktion mit den Daten über eine intuitive Benutzeroberfläche ermöglichen.

Die Daten, auf die �?rzte und das Pflegepersonal im Vorfeld und während einer OP zugreifen, werden zunehmend komplexer: Das Klinikpersonal muss Patientendaten aus dem Krankenhaus-Informationssystem (KIS) einsehen, Metadaten über den geplanten Eingriff entnehmen, Unterlagen aus der präoperativen Diagnostik begutachten, radiologische Bilddaten aus dem Bildarchiv der Radiologie (PACS) analysieren und Röntgenbilder betrachten. Während der OP werden auf den Displays Live-Videodaten einer Endoskopie angezeigt, Kommunikationsmittel wie Video-Conferencing oder Telefonie werden genutzt. Letztendlich erfolgt eine Dokumentation des Eingriffs über Screenshots oder eine Video-Aufzeichnung und die Ablage im Archiv. Diese Interaktion mit verschiedenen Systemen über mehrere Benutzerschnittstellen im OP hinweg erschwert einen natürlichen Arbeitsfluss. Zudem bleibt eine Vielzahl möglicher technischer Funktionen aufgrund der Komplexität im Alltag ungenutzt. Ein benutzerfreundliches und intuitives Bedienkonzept über eine zentral gesteuerte Einheit gewinnt für Kliniken und Personal deshalb enorm an Bedeutung.

Intelligent verbinden

Die Integration der Systeme im OP unterliegt einem Wandel. Der Trend geht hin zur modernen und zukunftssicheren IP-vernetzten Infrastruktur. Der Benutzer benötigt übersichtliche Bedienelemente und Anpassungen an den OP-Arbeitsablauf. Die medizinisch relevanten Daten müssen zugänglich und über ein einheitliches Interface intuitiv steuerbar sein. Um diese komplexen Kundenanforderungen zu erfüllen und ein ablauforientiertes Bedienkonzept zu ermöglichen, hat Brainlab die Komplexität der darunter liegenden Elemente, Geräte und Systeme reduziert, medizinische Aspekte und infrastrukturelle Funktionen auf intelligente Art miteinander verbunden und das Buzz-System entwickelt. Das Unternehmen entwickelt und vermarktet softwarebasierte Medizintechnik in den Bereichen Onkologie, Neurochirurgie, Orthopädie, Otorhinolaryngologie (HNO), Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) und Traumatologie. Buzz ist auf die benutzerzentrische Integration im medizinischen Umfeld ausgelegt, das heißt, unabhängig von den angeschlossenen Systemen agiert der Benutzer immer mit der gleichen Benutzeroberfläche. Das so genannte Benutzerinterface ist ein 42 Zoll großer Touch-Bildschirm, der als zentraler Kontrollpunkt im OP dienen soll. Diese Benutzeroberfläche ermöglicht es �?rzten und Mitarbeitern, über Multi-Touch- und Drag&Drop-Funktionen schnell und einfach Zugang zu Informationen, Bilddaten, Videobildern und Patientenakten zu erhalten. Mit nur einem Finger bewegt sich der Arzt in alle Richtungen durch die Bilddaten und mit zwei Fingern vergrößert er einen bestimmten Bildausschnitt oder verkleinert diesen. Bilder aus unterschiedlichen Quellen lassen sich schnell und einfach überlagern. Diese Erfahrung hat zumindest das Klinikum rechts der Isar mit dem Vorgängermodell des Buzz, der „Digital Lightbox“, gemacht. „Das Produkt erleichtert unsere Arbeit erheblich“, sagt Prof. Dr. Bernhard Meyer, Direktor der neurochirurgischen Klinik am Klinikum rechts der Isar der TU München. „Mit der Lightbox können wir wesentliche Informationen aus der Vielzahl der Bilddaten selektieren. Die ergonomische Touch-Screen-Technologie mit Zoom-Funktion macht das Aufrufen der Daten zum Kinderspiel. Auch das Fusionieren von Magnetresonanzaufnahmen mit PET-Daten aus der Nuklearmedizin ist nun durch einfaches Berühren des Touch-Screens möglich. Bisher war dies sehr aufwändig. Für uns ist das eine deutliche Zeitersparnis.“

3D-Visualisierung

Eine von Brainlab speziell entwickelte Software sorgt dafür, dass alle Bilddaten präoperativ angezeigt werden und Diagnosebesprechungen oder eine Behandlungsplanung unkompliziert möglich sind. In Sekundenschnelle erhalten die �?rzte über den Touchscreen keine statischen Daten mehr, sondern patientenbezogene Bilddaten aus Kernspintomographie, Computertomographie, Röntgen und PET und können diese kombinieren. Intelligente Algorithmen ermöglichen zudem das Hochrechnen, Anreichern, Bearbeiten und Interagieren mit diesen Bilddaten. Ein Beispiel hierfür ist die Berechnung dreidimensionaler Darstellungen aus den ursprünglich planaren Schichtdaten einer Computertomographieaufnahme. Dies versetzt �?rzte in die Lage, für den Patienten schnelle und fundierte Behandlungsentscheidungen zu treffen. Auch dem Patienten selbst kann anhand einer 3D-Visualisierung ein Eingriff oder eine Erkrankung anschaulich dargestellt werden. Brainlab hat für verschiedene medizinische Disziplinen intelligente Softwarelösungen entwickelt: In der Orthopädie ein Digitales Templating, das Chirurgen bei der Anpassung und Platzierung von Implantaten unterstützt, für die Neurochirurgie findet sich ein Werkzeug, um Tumore zu kennzeichnen und für die Bestrahlungstherapie ein computergestütztes Tool zur Überprüfung der Dosierungen der Bestrahlungspläne.

Nutzerzentrierter Ablauf im OP

Während der OP ist eine Darstellung der Informationen auf bis zu acht Displays möglich. Für den Eingriff wichtige Informationen können dann auf den verschiedenen Displays dargestellt werden, so dass das gesamte Team im OP Zugang zu den Informationen hat. Ein Screenshot wird damit beispielsweise auf Monitor 1 sichtbar gemacht, eine Videoaufzeichnung der präoperativen Diagnostik auf dem zweiten Bildschirm, ein Röntgenbild auf Monitor 3 und auf dem zentralen Monitor wird ein Live-Video-Mitschnitt dargestellt. Die Dokumentation des Eingriffs spielt heutzutage eine wichtige Rolle. Durch einfachen Klick auf den Touchbildschirm lassen sich Screenshots erstellen oder Videoaufzeichnungen, beispielsweise des Videosignals des Endoskops. Diese Bilddaten, die während der Operationen im OP anfallen, werden in Kliniken auf unterschiedlichste Weise dokumentiert und archiviert. Das Buzz-System systematisiert und archiviert hierbei halbautomatisiert und vereinfacht damit die Datenhaltung. Es ordnet die Bilddaten dem jeweiligen Patienten zu und überträgt dann alle relevanten Patienten-Bilddaten zu Zwecken der Dokumentation und Archivierung aus dem OP in das krankenhausinterne PACS-System oder auf einen beliebigen Datenserver der Klinik.

IP-basierte Kommunikation

Im OP selbst ist eine IP-basierte Kommunikation mit anderen Geräten möglich. Wird eine bi-direktionale Kommunikation zu einem Krankenhaus-PC im Operationssaal aufgebaut, kann die Systemkontrolle auch vom Krankenhaus-PC und dem Tablet erfolgen oder aber Informationen des PCs auf dem wandmontierten Bildschirm für alle sichtbar gemacht werden. Mit der ersten Generation OP-System „Digital Lightbox“ hat Brainlab seit 2008 gute Erfahrungen gemacht. Das Buzz-System wartet jetzt mit einer Funktionserweiterung im Bereich der Bilddaten auf. Der Anschluss weiterer Displays und die Verarbeitung zusätzlicher Videosignale, insgesamt sieben Videoinputs analog und digital, zwei Videokanäle in HD-Qualität, Übertragung der Videodaten auf bis zu acht Bildschirme, sind möglich. Ein integriertes Sound-System bietet zudem ein iPod-Dock, Lautsprecher und einen Volumenregler für individuellen Musikgeschmack.

Zuverlässigkeit und lange Verfügbarkeit

Für den reibungslosen Ablauf des Produkts rund um die Uhr ist das Mainboard D2778-D von Fujitsu verantwortlich. Das ATX-Board basiert auf Intels X58-/ICH10R-Chipsatz. Durch die Unterstützung der Intel-Core-Microarchitecture-Prozessoren mit LGA1366-Sockel, integriertem Speicher-Controller und Intel-QuickPath-Interconnect-Technik (QPI) bietet das Board eine hohe Leistungsklasse. Das Mainboard aus der Extended-Lifecycle-Serie ist gerade für den Einsatz in Applikationen mit Bedarf an höchster Rechenleistung, CAD-Anwendungen, Video-Bearbeitung und Simulationsprogrammen konzipiert.Rainer Birkenbach, Executive Vice President von Brainlab, bestätigt: „Gerade Ausfallsicherheit und Belastung des Mainboards haben wir in Tests umfangreich geprüft. Da das industrielle Mainboard speziell für einen Dauerbetrieb ausgelegt ist, hatten wir in dieser Hinsicht keinerlei Probleme. Im medizinischen Bereich ist es zudem immer von eminenter Bedeutung, dass das Mainboard eine Langzeitverfügbarkeit aufweist. Da Entwicklung und Produktlebenszeit bzw. Verkauf sich zwischen drei und fünf Jahren bewegen, kämen immense Zusatzkosten auf uns zu, wenn wir innerhalb der Entwicklungszeit für ein Board ein neues Design-In erstellen müssten. Die Extended-Lifecycle-Serie von Fujitsu kommt uns da sehr entgegen.“Dass Langzeitverfügbarkeit im Bereich der Medizintechnik eine besonders wichtige Rolle spielt, hat zwei Ursachen: die einschlägigen Zulassungen und das Verhalten des Marktes. Medizinische elektrische Geräte unterliegen den strengen und vielfältigen Vorgaben der Normenreihe EN 60601. Entsprechend lang und kostenintensiv ist der Zulassungsprozess, der der Markteinführung eines Produkts vorangehen muss. Werden zentrale Komponenten wie das Mainboard während der Lebensdauer eines Produkts geändert, muss der gesamte Zulassungsprozess erneut durchlaufen werden, da der Austausch des Boards in der Regel eine ganze Reihe von Design-�?nderungen an diversen Schnittstellen nach sich zieht. Im Fall des Buzz-Systems schlage eine solche Neuzulassung leicht mit mehreren hunderttausend Euro zu Buche, so Birkenbach. Anders als etwa im Consumer-Electronics-Bereich verlangt der Medizintechnikmarkt nicht jedes Jahr (oder gar noch öfter) nach neuen Produkten, weil die Anwender ihren Geräten in der Regel treu sind und der Austausch von Altgeräten nur sehr langsam erfolgt. Für den Patienten bedeutet es immer auch ein gewisses Risiko, wenn ein Arzt, der mit einem Gerät durch jahrelange Erfahrung bestens vertraut ist, sich auf ein neues System umstellen muss. „Die Medizintechnik ist nicht von dem Neuheits-Hype anderer Branchen getrieben“, resümiert Rainer Birkenbach.

Kundennahes Lifecycle-Management

Die längeren Produkt-Lebenszyklen fordern von Lieferanten, dass die Komponenten möglichst langfristig verfügbar sein sollten. Außerdem muss auch der Kunde möglichst frühzeitig von einer beim Hersteller geplanten �?nderung oder gar Abkündigung des Produkts erfahren, um entsprechend reagieren zu können. Im Interesse seiner zahlreichen Kunden aus forschungsintensiven Branchen wie der Medizintechnik setzt Fujitsu auf eine „Entschleunigung“ der kurzen Innovationszyklen, die von den großen Plattform-Lieferanten vorgegeben werden. In der Praxis bedeutet das: Nicht für jeden möglichen Chipsatz wird ein Mainboard entwickelt. Vielmehr wählt Fujitsu herstellerunabhängig diejenigen Plattformen aus, die für die Anwendungen der Zielmärkte besonders sinnvoll sind. Für viele Anwender ist die langfristige Verfügbarkeit von Komponenten eine unabdingbare Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit einem Lieferanten. Weitere Anforderungen, die Brainlab an das System stellte, waren eine stabile Gesamt- und USB-Architektur, die nicht zu komplex sein sollte. Fujitsu stellte als Support eine Leihstellung zur Verfügung sowie eine Testsoftware für Stresstests und BIOS-Tools. Das Board ist ausgestattet mit einer Vielzahl an Erweiterungs- und Anschlussmöglichkeiten wie sechs DIMM-Sockeln, die mit bis zu 24-GByte-DDR3-800/1066/1333-ECC-SDRAM bestückt werden können, zwei aktuellen PCI-Express-x16-Steckplätzen (Gen2 für doppelte Datenrate), FireWire, Gigabit Ethernet, zwei seriellen Anschlüssen sowie je zwei PCI- und PCIe-x8-Steckplätzen (ebenfalls Gen2). Ein Trusted-Platform-Modul (TPM1.2) von Infineon sorgt zusätzlich für professionelle Datensicherheit und Verschlüsselungsfunktionen. Neben sechs externen USB-Anschlüssen sowie zwei internen Dual-USB-Pfostensteckern ist das Mainboard auch mit einem innenliegenden Anschluss für einen USB-Stick ausgestattet. Somit können Datenträger mit sensiblen Daten oder ein Lizenz-Dongle sicher vor Verlust und Diebstahl sowie mechanischen Schäden im Gehäuse geschützt werden.

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