Herr Dr. Müller, die Großhandelspreise für Strom sind heute auf einem Niveau wie vor der Reaktorkatastrophe in Fukushima. Haben wir auch nach dem Abschalten von Kernkraftwerken immer noch genügend Strom?
Dr. Georg Müller: In der Tat verfügen wir in Deutschland auch nach der Abschaltung der ersten Kernkraftwerke kurz- und mittelfristig über ausreichende Erzeugungskapazitäten und damit auch über Reserven. Neben der reinen Kapazität ist ein hinreichend flexibles Stromversorgungssystems entscheidend zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit, um genug Strom zur richtigen Zeit haben. Auf längere Sicht ist die Herausforderung, den dann notwendigen Kraftwerkszubau mit der notwendigen Flexibilität zu verbinden. Ein Einstieg in Kapazitätsmechanismen scheint damit langfristig wohl erforderlich - sicher aber nicht in den nächsten fünf Jahren.
Erste Smart-Metering-Projekte laufen schon viele Monate, unter anderem in Mannheim (siehe auch unser Artikel auf den Seiten 51 bis 53 in dieser Ausgabe). Auf was warten die Energieversorger für die großflächige Einführung dieser Zukunftstechnologie?
Die Einführung neuer Technologien ist immer mit einer langjährigen Vorlaufzeit verbunden. Bei unserem Projekt Modellstadt Mannheim (Moma) handelt es sich vorrangig um ein forschungsintensives Pilotvorhaben zur Überprüfung der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit. Um konkrete Geschäftsmodelle entwickeln zu können, müssen zunächst die regulatorischen Rahmenbedingungen, wie Standardisierungen und Normierungen, festgelegt werden.
Wie kann der Ausbau beziehungsweise die Verstärkung des Verteilnetzes gelingen?
Im Rahmen des Umbaus des Energieversorgungssystems, in dem erneuerbare Energien die Leitfunktion übernehmen, wird eine Vielzahl dezentraler Erzeugungsanlagen auf Verteilnetzebene errichtet. Das erfordert den Ausbau und die Verstärkung der Verteilnetze. Der Verteilnetzebene kommt daher eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Energiewende zu. Damit sie diese wahrnehmen kann, sind ausreichende Anreize für Innovationen sowie für den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur erforderlich.
Ist der Anschluss der Offshore-Windparks an das Übertragungsnetz gefährdet?
Die Diskussion in den letzten Wochen hat gezeigt, dass Offshore-Wind eine noch junge Technologie ist, die entsprechend auch noch mit Risiken behaftet ist. Aus unserer Sicht ist es noch unklar, wann Offshore-Wind einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Wir setzen hingegen heute auf Onshore-Wind und damit auf eine bereits langjährig erprobte und ausgereifte Technologie. MVV Energie legt daher auch bei seiner Investitionstätigkeit im Bereich der erneuerbaren Energien einen Schwerpunkt auf den Ausbau der Windkraft an Land.
Wie kann das für den Neubau von Kraftwerken nötige Kapital aufgebracht werden?
Aktuell ist das wirtschaftliche Umfeld geprägt durch starke Unsicherheiten. Stichworte sind die Währungs-, Banken- und Finanzkrise sowie eine mögliche Abschwächung der Konjunktur. Das erleichtert die Beschaffung von Kapital über die Finanzmärkte natürlich nicht. Unabdingbar sind daher stabile politische Rahmenbedingungen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir das Bekenntnis der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien und der Effizienztechnologie Kraft-Wärme-Kopplung, wie es in der laufenden Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes zum Ausdruck kommt.