René Heidl ist mit diesem Beitrag im A&D-Kompendium 2020 als einer von 100 Machern der Automation vertreten. Alle Beiträge des A&D-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen .
In Produktions- und Industrieanlagen in der OT bestimmt häufig der Applikationsanbieter den zu verwendenden Switch. Wird beispielsweise ein Siemens-Controller einsetzt, finden oft auch Siemens-Switches Verwendung. Was passiert, wenn zur Applikation eine Bildverarbeitung hinzukommt? Hinterfragt jemand, ob der Applikationsanbieter überhaupt einen Performance-
konformen Switch für das aufgebaute Netzwerk anbietet?
Im IT-Bereich ist dieses Thema längst ausdiskutiert. Hier finden zum Beispiel eine Reihe von Microsoft-Applikationen Anwendung, ohne dass es einen Microsoft-Switch gibt. Andererseits sind eine Vielzahl von Cisco-Switches auf dem Markt erhältlich, ohne dass es eine nennenswerte Cisco-Applikation gibt. Netzwerkexperten und Applikationsexperten sitzen also nicht unter einem Dach. Warum?
Einseitig ausgelegte Switche werden überfordert
Dieser kontroverse Zustand war bisher von geringem Belang, da Netzwerke homogen für nur eine Applikation gebaut wurden. Dadurch waren dem Applikationshersteller die Bedingungen wie zum Beispiel Priorisierung, Bandbreiten,
Queueing-Prinzipien und so weiter hinsichtlich der Entwicklung der dazu passenden Switches allzu bekannt.
Doch inzwischen entstehen immer mehr heterogene Netzwerke, deren Ressourcen von mehreren Applikationen genutzt werden. Infolgedessen kann jeder einzelne Applikationshersteller die Bedingungen für die Herstellung der für alle Anwendungen passenden Switches kaum mehr beeinflussen. Einseitig auf den Betrieb einer Applikation ausgelegte Switches sind plötzlich überfordert und die damit einhergehenden sporadischen und nicht reproduzierbaren Ereignisse häufen sich.
Könnten Applikationshersteller die Bedingungen für die Herstellung eines für alle Anwendungen passenden Switches beeinflussen, würden sie selbstverständlich überdimensionierte Ressourcen für die eigene Applikation zu Lasten der anderen schaffen. Das ist jedoch nicht tolerierbar für ein stabil funktionierendes System.
Ein Ressourcen-Mittler könnte das Problem lösen. Er würde Mechanismen entwickeln, die Netzwerkressourcen gewichtet verteilen. Es wird immer deutlicher, dass Applikationsanbieter nicht länger Switches entwickeln können, da sie beim Kampf um begrenzte Ressourcen nicht fair entscheiden werden.
Netzwerk der Applikation anpassen
Auch der TSN-Domain-Ansatz der PI versucht die Anforderungen der zahlreichen Applikationen mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen in Einklang zu bringen. Die Applikationen melden bei einer zentralen Stelle ihre Bedürfnisse und bekommen diese zugeteilt.
Der Gedanke klingt gut, umgeht jedoch nicht das Problem der einseitigen Bevorzugung, da die zentrale Ressourcenverteilung nicht durch einen unabhängigen Dritten, sondern durch die Applikation Profinet erfolgt. Planern von heterogenen Netzwerken möchte ich ans Herz legen, zuerst die benötigten Applikationen zu planen und anschließend das passende Netzwerk einschließlich Switches festzulegen. Switch-Hersteller werben zwar mit immer größeren Ressourcen wie zum Beispiel Bandbreite, doch sie sind teuer und auch hier gibt es physikalische Grenzen.
Mithilfe eines neutralen, applikationsunabhängigen Mittlers erhalten alle Applikationen in einem Netzwerk ausreichend Ressourcen, eine gute Performance aller Anwendungen wird gewährleistet und das Budget wird geschont.