Die Versorgung der 24-V-Ebene in automatisierten Anlagen wird längst flächendeckend mit elektronischen Schaltnetzteilen realisiert. Die Aufteilung der 24-V-Versorgung auf mehrere Verbrauchergruppen sowie deren Absicherung erfolgt oftmals noch über herkömmliche Leitungsschutzschalter.
Bedingt durch das charakteristische Auslöseverhalten dieser Komponenten im Fehlerfall ist die bei Überstrom gewünschte selektive Abschaltung fehlerhafter Kreise nicht immer gegeben. Der Leitungsschutzschalter benötigt einen sehr hohen Auslösestrom und Schaltnetzgeräte begrenzen zum Selbstschutz den Ausgangsstrom.
Doch selbst wenn die Stromversorgung über einen Power Boost oder ähnliche Überlastfähigkeiten verfügt, welche es theoretisch ermöglichen ausreichend Leistung zur Verfügung zu stellen, wirken in der Praxis meist die Verkabelung mit Ihren Impedanzen einer selektiven Auslösung entgegen. Ein Spannungseinbruch auf der 24-V-Seite und damit einhergehend die Gefahr eines kompletten Anlagenstillstands kann im Fehlerfall nicht ausgeschlossen werden.
Selektive Abschaltung sichert hohe Verfügbarkeit
Viele Anlagen- und Maschinenbauer sehen vor allem in Produktivitätssteigerungen eine gute Möglichkeit, den entscheidenden Vorsprung gegenüber Mitbewerbern zu gewinnen. Wesentliche Faktoren, die eine Produktivitätssteigerung automatisierter Prozess- und Fertigungsanlagen günstig beeinflussen, sind die hohe Verfügbarkeit und die Möglichkeit einer zeit- und kostensparenden Fehlersuche und -beseitigung.
Dazu ist es notwendig, die oft zahlreichen Verbraucher auf der 24-V-Seite zu kleinen Gruppen zusammenzufassen und diese „selektiv“ abzusichern: Bei Überlast oder Kurzschluss wird der fehlerhafte Stromkreis sofort abgeschaltet – ohne Einbruch der 24-V-Versorgung, der eine fatale Rückwirkung auf alle anderen Verbraucherkreise haben kann.
Dies ist insbesondere bei elektronischen Verbrauchern eine anspruchsvolle Anforderung, denn oftmals können sie nur kurzzeitige Ausfälle der Versorgungsspannung von wenigen Millisekunden ohne Funktionseinschränkung verkraften. Das bedeutet, dass in Stromkreisen, die von Schaltnetzteilen versorgt werden, innerhalb dieser kurzen Zeitspanne der fehlerbehaftete Stromkreis abgeschaltet werden muss, um einen ungestörten Weiterbetrieb der restlichen Stromkreise und somit der restlichen Anlage zu ermöglichen.
Die Sitop-Selektivitätsmodule der neuen Generation von Siemens weisen markante technische Neuerungen gegenüber den Vorgängergeräten auf: die Diagnosemonitor- und -schnittstellen-Funktionen, die Erweiterung auf acht Ausgänge, die geringe Baubreite, die Push-in-Anschlussklemmen und die Parallelschaltbarkeit. Das Modul Sitop SEL1200 verfügt über eine schaltende Charakteristik im Gegensatz zum Selektivitätsmodul Sitop SEL1400 und den bisherigen 4-kanaligen Selektivitätsmodulen Sitop PSE200U mit begrenzender Charakteristik.
Unterschiede in der Abschaltcharakteristik
Bei der begrenzenden Charakteristik wird bei hoher Überlast der Ausgangsstrom auf 150 Prozent des eingestellten Werts begrenzt und der Ausgang nach 100 ms abgeschaltet. Die 50 Prozent Überlast entsprechen dem Überlastverhalten von Sitop-Stromversorgungen der Produktlinien Advanced und Standard.
Mit diesen Stromversorgungen kommt es selbst bei Kurzschluss zu keiner Überlastung und damit auch zu keinem Spannungseinbruch am Ausgang des Netzgeräts. Auch wenn eine Stromversorgung ohne Überlastreserven eingesetzt wird, sorgt das patentierte Konzept dafür, dass ein Spannungseinbruch verhindert wird.
Die Elektronik überwacht kontinuierlich die 24-V-Eingangsspannung. Sobald diese einzubrechen droht, wird der Pfad mit einem höheren Strom als dem eingestellten sofort stromlos geschaltet. Alle anderen Abzweige werden kontinuierlich mit 24 Volt weiter versorgt. Es bleiben selbst Verbraucher in Funktion, die nicht der SPS-Norm entsprechen und nur wenige Millisekunden Unterspannung überbrücken können.
Bei der schaltenden Charakteristik ist das Abschalten des Ausgangs direkt abhängig vom Strom. Je höher der Strom ist, desto schneller wird der Ausgang abgeschaltet, entsprechend dem Grenzwertintegral I2t. Es ist möglich, dass die Stromversorgung für wenige Millisekunden mit einem wesentlich höheren als dem eingestellten Strom belastet wird. Verfügt das Netzgerät nur über geringe Überlastreserven, kann es dadurch zu kurzzeitigem Einbruch der 24 Volt kommen.
Für Verbraucher, die der SPS-Norm entsprechen, ist dies jedoch unkritisch. Für Standard-Anwendungen ist das Selektivitätsmodul Sitop SEL1200 deshalb eine effiziente Absicherung. Für 24-V-Lasten mit hohem Einschaltstrom bietet die schaltende Charakteristik sogar Vorteile.
Denn was beim Abschalten gilt, gilt auch beim Einschalten: Hohe Ströme werden nicht begrenzt, sondern kurzzeitig zugelassen. Zudem können zwei Ausgänge der Selektivitätsmodule Sitop SEL1200 oder SEL1400 für 15 A Nennstrom parallel geschaltet werden.
Funktionen für Inbetriebnahme und Betrieb
Der Auslösestrom eines jeden Ausgangs kann dabei individuell mit einem von vorne zugänglichem Potentiometer eingestellt werden. Das reduziert die Gerätevielfalt und ermöglicht auch noch während der Inbetriebnahme Veränderungen ohne großen Aufwand. Zur Verfügung stehen die Gerätevarianten mit Einstellbereich 2-10 A, um einen möglichst großen Strombereich abzudecken.
Der Zustand der einzelnen Abzweige wird über eine mehrfarbige LED je Kanal signalisiert. Im Falle einer Abschaltung wechselt die Anzeige von grün auf rot und über einen Relaiskontakt wird eine Meldung abgegeben. Jetzt kann der Fehler vor Ort über den abgeschalteten Abzweig verfolgt und schnell und sicher durch geeignetes Personal identifiziert werden. Nach Austausch oder Reparatur der defekten Anlagenkomponente wird der betroffene Pfad über die Fern-Reset-Funktion oder einen Reset-Taster je Kanal wieder zugeschaltet und der vollständige Betrieb wieder aufgenommen.
Gleichzeitig kann jeder Kanal über den Reset-Taster auch manuell abgeschaltet werden, um das gezielte Zu- und Wegschalten einzelner Anlagenteile zur Anlagen-Inbetriebnahme zu ermöglichen. Dieser Zustand wird über eine gelbe LED-Anzeige signalisiert.
Eine weitere wichtige Funktionalität besteht im sequenziellen Zuschalten der einzelnen Ausgangskanäle. Standardmäßig werden die Ausgänge lastoptimiert zugeschaltet: Der nächste Ausgang wird erst zugeschaltet, wenn der vorherige Ausgangsstrom unter dem eingestellten Wert liegt.
Additiv kann die Verzögerungszeit um 25 ms, 200 ms oder 500 ms verlängert werden. Mit der Einschaltverzögerung wird verhindert, dass zeitgleiches Zuschalten vieler angeschlossener Lasten die vorgeschaltete Stromversorgung kurzzeitig überlastet.
Neben dem Fern-Reset gibt es zwei weitere Möglichkeiten zur Integration in die Anlage: Die Diagnoseschnittstelle kann eine Summenmeldung oder Einzelkanaldiagnosen ausgeben. Die Summenmeldung spricht an, wenn mindestens ein Ausgang wegen eines Fehlers abgeschaltet wurde. Die Einzelkanaldiagnose gibt den Status und die Werte zu jedem einzelnen Ausgang sowie Geräte-Informationen aus.
Diagnose über nur einen SPS-Eingang
Die Diagnoseschnittstelle ermöglicht eine sehr kostengünstige Integration in die Anlage über nur einen Digitaleingang der SPS. Der Ausgang gibt einen seriellen Code aus, der von einem Digitaleingang eingelesen wird. Das etwa 3,5 Sekunden lange 32-Bit-Telegramm wird von einem Funktionsbaustein ausgewertet, der jeweils für Simatic S7-1200, -1500 und -300 zur Verfügung steht.
Zur einfachen Visualisierung in WinCC steht ein Faceplate bereit. Angezeigt werden beispielsweise die eingestellten Stromschwellwerte und aktuellen Ausgangsströme pro Ausgang und bei fehlerbedingter Abschaltung auch die Ursache. Die Ferndiagnose ermöglicht dem Anlagenbetreiber, sich ein Bild über die Fehlerquelle zu machen, bevor er an die Anlage oder Maschine kommt. Durch Auswertungen der Ausgangsströme lassen sich aber auch bereits vor einem Ausfall untypische Zustände erkennen und zur vorbeugenden Wartung nutzen.
Zusammenfassung
Siemens bietet zwei Lösungen zum Erreichen von Selektivität in 24-V-Versorgungskreisen. Leitungsschutzschalter in Kombination mit den Sitop-Netzgeräten ermöglichen eine selektive Absicherung bei geringen Leitungslängen oder großen Aderquerschnitten.
Unter allen anderen Bedingungen bieten die Selektivitätsmodule Sitop SEL1200/SEL1400 den zuverlässigsten Schutz, selbst bei hohem Leitungswiderstand oder schleichendem Kurzschluss. Das Selektivitätsmodul eliminiert auch unerwünschte Rückwirkungen auf die eingesetzte Stromversorgung, resultierend aus Kurzschluss oder Überlast.
Denn es überwacht den Strom je Abzweig und verhindert zuverlässig das Einbrechen der Versorgungsspannung. Die umfangreiche Diagnose am Gerät und aus der Ferne ermöglicht den Betreibern das schnelle Auffinden der Fehlerquelle. Anlagentotalausfälle werden vermieden, Teilausfälle auf eine kürzest mögliche Zeitdauer reduziert. Die Auswertung der einzelnen Ausgangsströme lässt sogar eine vorbeugende Wartung zu und hilft so, Ausfälle bereits im Vorfeld zu verhindern.