Seit ihrer Erfindung und Einführung in den frühen 1970-er Jahren wurden Mikrocontroller (MCUs) von einer großen Anzahl von Halbleiterfirmen hergestellt, die historisch gesehen immer ihre eigenen Produktreihen und ihre eigenen Architekturen entwickelt haben. Dies gilt besonders für den 8-Bit-Markt, mit Geräten wie dem H8 von Renesas, dem ST6/7 von STMicroelectronics, dem PIC von Microchip, aber auch für den 32-Bit-Markt, auf dem unter anderem der R32 und der SuperH von Renesas, die Power Architecture von Freescale oder der C28x von Texas Instruments vertreten sind.
Im Laufe der letzten zehn Jahre war jedoch ein wachsender Trend zu verzeichnen, nicht mehr eigene proprietären Mikroprozessorkerne zu entwickeln, sondern Kerne und Architekturen von IP-Unternehmen wie ARM und MIPS zu lizenzieren.
Konvergenz zu ARM
ARM ist heute führend und hat den Löwenanteil des Markts für Prozessorkerne, besonders für mobile, drahtlose Produkte. Dies ist zweifelsohne auf die Fähigkeit der Architektur zurückzuführen, branchenführende Geräte mit niedrigem Stromverbrauch zu liefern, aber auch auf die Vorteile von dichterem, kompiliertem Code. Der Thumb-Anweisungssatz von ARM wurde erstmalig im ARM7TDMI-Kern eingeführt und führte zu deutlich reduzierten Speicheranforderungen. So gut wie alle Mobiltelefone und Smartphones, die heute hergestellt werden, verwenden einen ARM-Kern.
Cortex-M-Familie
Auf dem Markt für Universal-MCUs ist die Konsolidierung in den letzten fünf Jahren äußerst schnell vorangeschritten und ARM hat sich als der führende Anbieter von Mikroprozessorkernen herausgebildet. Eine Reihe von Anbietern brachten ursprünglich MCU-Familien auf den Markt, die auf dem ARM7TDMI basierten, und diesen folgten Produkte auf Basis des ARM9TDMI. Der echte Durchbruch kam jedoch mit der Cortex-M-Familie, und dabei besonders dem Cortex-M3.
Dieser im Jahr 2004 herausgebrachte Kern wurde speziell für die Implementierung in MCUs entwickelt und ist Hauptkandidat für den Titel des führenden 32-Bit-MCU-Universalprozessors, der in einem sehr breiten Spektrum von Embedded-Märkten Verwendung findet. Er wurde mittlerweile von verschiedenen wichtigen Chip-Anbietern übernommen, einschließlich NXP (LPC1x00), STMicroelectronics (ST) STM32 und Texas Instruments (TI) Stellaris. Während diese Anbieter weiter ihre eigenen Entwicklungsprogramme für ASIC- und ASSP-Prozessoren verfolgen, basieren ihre Konstruktionen für allgemein verwendbare MCUs zunehmend auf ARM-Cortex-M-Kernen. Es ist allerdings interessant, dass TI Mitte 2011 eine Dual-Core-32-Bit-MCU-Serie auf den Markt brachte, die sowohl den TI-eigenen C28x-Kern als auch einen Cortex-M3 zur Steuerung der Peripheriegeräte integriert.
Die beiden anderen Mitglieder der Cortex-Familie, der M0 und der M4, sind ebenfalls zunehmend in neuen MCU-Familien zu finden. Der M0 ist der kleinste und stromsparendste ARM-Kern mit dem kompaktesten Code, und der M4 bietet verbesserte DSP-Fähigkeiten gegenüber dem M3. NXP, ST und Freescale mit ihrer Kinetis-Familie haben in den letzten zwölf Monaten alle auf M4 basierende Produktreihen angekündigt, während NXP und ST Cortex-M0-Produkte entweder angekündigt oder herausgebracht haben. Laut ARM liegt die Anzahl der Lizenznehmer für die Cortex-M-Familie von Prozessorkernen (einschließlich M0, M3 und M4) mittlerweile bei knapp 100.
Dem Trend widersetzt sich unter den wichtigen MCU-Anbietern nur Microchip, die ihren 32-Bit-PIC-MCU auf den MIPS-M4K-32-Bit-Prozessorkern stützen. Die PIC-Architektur spielt auch auf dem 8-Bit-Markt weiterhin eine wichtige Rolle, zumindest was die Anzahl der verkauften Einheiten betrifft. Ein bedeutender Vorteil für Microchip ist dabei die große Anzahl von Studenten, die Jahr für Jahr in die Branche eintreten und die mit PIC-MCUs aufgrund deren großen Verbreitung in Universitäten und Fachhochschulen bereits gut vertraut sind.
Auswirkungen auf 8-Bit?
Es wird natürlich schon seit langer Zeit prognostiziert, dass der 8-Bit-Markt letzten Endes von kostengünstigen 32-Bit-Geräten mit hoher Leistung und niedrigem Stromverbrauch verdrängt werden würde. Aber der Markt für Produkte mit niedrigerer Datenbandbreite ist weiterhin gesund und munter, und er findet aufgrund der zunehmenden "Elektronisierung" von Verbraucherprodukten, Haushaltsartikeln und medizinischen Geräten immer neue Anwendungsgebiete. Dagegen dehnen 32-Bit-Geräte sich weiter auf die reiferen Anwendungen aus, wo sie 8-Bit- und 16-Bit-MCUs ersetzen. Die neuesten 32-Bit-MCUs bieten enorm gesteigerte Funktionalität und ein Riesenangebot von On-Chip-Peripheriegeräten - und dies zu zunehmend attraktiven Preisen, die bei nur 1 US-Dollar pro Chip oder niedriger liegen können.
Gemeinsame Architektur
Es gibt sicherlich große Herausforderungen und echte Probleme, die MCU-Anbieter überwinden müssen, wenn sie von ihren firmeneigenen Architekturen abweichen. Jahrelange Investitionen in Hardware, Software und Entwicklungstools gibt man nicht so ohne Weiteres auf. Und wie ist es mit der Kundentreue oder dem bestehenden Code, der spezifisch für eine bestimmte MCU-Architektur oder -Familie entwickelt wurde? Eine offene Architektur kann für Kunden natürlich enorme Vorteile mit sich bringen, wie zum Beispiel die Mölichkeit, Komponenten von einem breiten Spektrum an Anbietern beziehen zu können oder aufgrund niedrigerer Kosten, höherer Leistung oder größerer Unterstützung von Peripheriegeräten von einem Anbieter zu einem anderen zu wechseln. Obwohl verschiedene, auf Cortex-M3-basierende MCUs nicht identisch sein werden, wird der Migrationsvorgang von einem Anbieter zu einem anderen dennoch wesentlich problemloser sein, als wenn die beiden Anbieter völlig unterschiedliche proprietäre Architekturen verwenden. Darüber hinaus war auf dem Markt, nicht zuletzt wegen der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse, in den vergangenen Jahren eine deutliche Konsolidierung zu verzeichnen. Besonders bei industriellen Anwendungsgebieten müssen Kunden sich darauf verlassen können, dass ein Prozessor mindestens zehn bis 15 Jahre lang verfügbar sein wird. Eine gemeinsame Architektur kann daher also auch einen wichtigen Schutz vor Obsoleszenz bieten.
Ein weiterer Vorteil ist die breite Verfügbarkeit von Softwarekomponenten-Bibliotheken, die eine schnellere Markteinführung möglich machen. Die Entwicklung in Richtung einer gemeinsamen ARM-Architektur bedeutet auch, dass eine Vielzahl von auf ARM-basierenden Entwicklungs- und Debugging-Tools von Drittanbietern verfügbar sind.
Auswahl nach Peripheriegerät
Wenn der Trend unter MCU-Anbietern anhält, ihre Produktportfolios auf nicht-proprietäre, "offene" ARM-Architekturen zu stützen, müssen sie andere Wege finden, um ihre Produkte voneinander zu differenzieren. Bei der Auswahl eines MCUs kommen eine Reihe von Faktoren ins Spiel, wie etwa Mikroprozessorkern, Geschwindigkeit, Speicher, Auswahl von Peripheriegeräten, Preis, Entwicklungstools, Betriebssystem und Softwareunterstützung.
Es scheint jedoch, dass die Branche in eine Phase eintritt, in der die Auswahl von Peripheriegeräten das wichtigste Entscheidungskriterium ist und weniger die Funktionen des MCU-Kerns. Peripheriegeräte sind zweifellos ein wichtiger Faktor für spezifische Anwendungsgebiete. Es könnte daher sein, dass nach der Konvergenz auf die ARM Cortex-Familie jetzt eine Divergenz von Lösungen folgt, bei der viele verschiedene Kombinationen von Peripheriegeräten für unterschiedliche Märkte und Nischen erhältlich sind. So könnten zwei oder drei Hauptanbieter je Produkte für jeden wichtigen MCU-Markt anbieten, zum Beispiel für hochwertiges Audio, für das ein I2S-Ausgang obligatorisch ist. Darüber hinaus gäbe es dann eine große Gruppe von Anbietern, die sich irgendwo im Mainstream positionieren und ähnliche Speicher-, E/A und Drahtlosoptionen bieten, so dass sie hauptsächlich nach Preis miteinander konkurrieren. Wird der MCU-Markt in einigen Jahren so aussehen?
Kundendifferenzierung
Vielleicht wird sich der Markt danach entwickeln, wie einfach Chip-Anbieter es für Kunden machen, ihre eigenen Produkte zu differenzieren. So bietet NXP beispielsweise kostengünstige Entwicklung basierend auf der mbed-Platine. Dies bedeutet, dass der Anbieter jetzt eine Community von Elektronikern hat, die Anwendungscodes und Protokollstapel zur Steuerung verschiedener Peripheriegeräte entwickeln. Dadurch können Kunden sich auf die Software konzentrieren, die ihr Produkt differenziert, anstatt Zeit für grundlegende Treiber und Protokollstapel aufzubringen. Und NXP ist hier durchaus kein Einzelfall: Andere Beispiele sind Freescale mit ihrer Kinetis-Tower-Community oder TI mit der BeagleBoard-Community.
Haben wir jetzt also den Punkt erreicht, an dem Software den Mehrwert enthält und Halbleiter zu Standardartikeln werden?