Smart Traffic & Mobility Elektrifizierung nach Maß mit 48 Volt

Bild: Continental
31.03.2014

In der Kompakt- und Mittelklasse ist die Kostenhürde für eine Elektrifizierung des Antriebsstrangs besonders hoch. Der gewünschte CO2-Effekt jedoch wäre hier wegen der Stückzahlen beträchtlich. Ein Dilemma, das nach Meinung des Zulieferers Continental keines sein muss.

Über das Ziel besteht Einigkeit: Um den künftigen Flottengrenzwert von 95 g CO2-Ausstoß pro Kilometer zu erreichen, muss der Wirkungsgrad des Pkw-Antriebs weiter steigen. Natürlich gehen damit auch Herausforderungen einher. Zum einen kann es in der Kompakt- und Mittelklasse schwierig werden, die Fahrbarkeit eines durch Downsizing verkleinerten Verbrennungsmotors zu erhalten, weil in manchen Betriebssituationen mehr Drehmoment gewünscht ist. Zum anderen lässt sich die größte Einsparung erzielen, wenn der Verbrennungsmotor abgeschaltet wird, so oft er nicht für den Vortrieb gebraucht wird. Woher kommt dann jedoch die Energie? Die technische Antwort liegt in der Elektrifizierung des Antriebsstrangs.

Ein Selbstläufer ist die Elektrifizierung in diesem Marktsegment dennoch nicht. Während ein 12-V-Start-Stopp-System eine in den Augen der Autokäufer offenkundig bezahlbare Lösung ist, fällt die Nachfrage nach Hybridfahrzeugen mit höheren Spannungslagen schon merklich gedämpfter aus. Erst recht gilt dies für reine Elektrofahrzeuge. Zweifellos sehen Autokäufer den Vorteil in Form der Kraftstoffersparnis so wie einen Leistungsgewinn bei Hybridfahrzeugen. Der höhere Kaufpreis stellt jedoch eine Hürde für die Verbraucher dar.
Das ist kein Argument gegen Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Im Gegenteil, sie zeigen beispielhaft, welche Vorteile die Elektrifizierung bringt. Solange aber die Kosten-Nutzen-Rechnung für die große Mehrzahl der Autokäufer nicht aufzugehen scheint, bleibt die Frage: Wie kann eine Elektrifizierung des Antriebsstrangs in großen Stückzahlen zur Senkung des CO2-Ausstoßes beitragen?

Kostentreiber vermeiden

Eine Analyse der Situation fördert zwei wesentliche Kostentreiber zutage. Einer davon ist ein als Traktionsbatterie ausreichend groß bemessener Lithi­um-Ionen-Akku. Als zweiter großer Kostentreiber erweist sich der Aufwand für die Integration der Elektrifizierung in die Fahrzeugarchitektur. Je höher die Spannungslage und je höher der Energie­gehalt der Batterie, desto größer der Integrationsaufwand. Es ist nachvollziehbar, dass dieser Aufwand nicht für jedes Modell betrieben werden kann. Das gilt gerade für die stückzahlenmäßig relevante Kompakt- und Mittelklasse, die generell unter hohem Kostendruck steht.

Aus dieser Analyse ergeben sich zwei Anforderungen an eine Basis-Elektrifizierung: Es sollte möglich sein, sie in existierende Fahrzeuge zu integrieren, ohne die Architektur des Antriebsstrangs auf den Kopf zu stellen. Und der dafür nötige Li-Ionen-Akku muss bezahlbar sein. Wenn es dann noch gelingt, diese Elektrifizierung mit nur geringem Zusatzgewicht zu realisieren, umso besser.

Ein Teil des Integrationsaufwands wird durch hohe Spannungslagen (größer 60 Volt) verursacht. Sie bedingt tiefe Eingriffe in die Anschluss- und Isolationstechnik, die Verkabelung sowie zusätzliche Schutzmaßnahmen gegen direkten Körperkontakt (ECE-R 100). Bleibt man bei der Elektrifizierung unterhalb dieser Spannungsschwelle, so entfällt dieser Mehraufwand. Das ist ein Teil der Motivation führender OEMs, künftig ein zweites Spannungsbordnetz mit 48 Volt einzuführen. Continental nutzt das Potenzial der 48-Volt-Technik für einen Systemansatz zur Elektrifizierung, der sich in bestehende Fahrzeuge integrieren lässt, ohne dabei die Architektur zu verändern.

Der 48-Volt-Antrieb „Eco Drive“ umfasst einen Starter-Generator mit integrierter Leistungselektronik, einen bidirektionalen DC/DC-Converter für den Energieaustausch zwischen dem 12-Volt- und dem 48-Volt-Netz, eine Li-Ionen-Batterie des Joint Ventures SK Continental E-motion als Energiespeicher sowie das Antriebs- und Energiemanagement. Mit diesen Komponenten lässt sich ein großer Teil der Funktionalität umsetzen, die bisher aus Mild-Hybrid-Systemen mit deutlich höherer Spannung bekannt ist.

Austausch statt Umbau

Bei der Integration des „Eco Drive“­-Systems wird die Lichtmaschine im einfachsten Fall durch einen Riemen-Starter-Generator (RSG) ersetzt, der das 48-Volt-Bordnetz mit hoher Effizienz versorgt und den Verbrennungsmotor extrem schnell, geräusch- und vibrationsarm startet. Bei Bedarf wird der Verbrennungsmotor im Rahmen der Fahrstrategie elek­tromotorisch unterstützt, um sein Ansprechverhalten zu verbessern. Hierbei können bis zu 60 Nm zusätzliches Drehmoment abgerufen werden. Ein 48-V-Li-Ionen Akku ergänzt die Starterbatterie. Wegen der höheren Energiedichte der Li-Ionen-Technik steht damit eine zusätzliche Energie von etwa 500 Wh auf dem Bauraum einer Blei-Säure-Batterie zur Verfügung.

Um die Integrationsfähigkeit zu demonstrieren, wurde der Eco Drive mit 48 Volt in ein C-Segment Fahrzeug mit aufgeladenem 1,2-l-DI-Ottomotor und Doppelkupplungsgetriebe integriert. Mit dem Verbau eines RSG mit inte­griertem Inverter und speziell entwickeltem Riementrieb konnte der Aufwand minimal gehalten werden. Die technische Grundlage für Rekuperation und elektrische Leistung ist ein effizienter Asynchronmotor ohne seltene Erden. Alternativ kann dieser Elektromotor über einen Riemen oder ein Stirnrad an das Getriebe angebaut werden.

Einen entscheidenden Anteil an der Effizienzsteigerung durch Einsatz des 48-Volt-Antriebs hat das Antriebsstrang-Management, das in die ebenfalls von Continental stammende Motorsteuerung integriert ist. Erst durch das Zusammenspiel des elektrischen Systems, des Verbrennungsmotors und des Getriebes lassen sich die jeweils beste Betriebsstrategie und damit die beste Gesamteffizienz erreichen. Neben der Rekuperation gehören das Segeln (Verbrennungsmotor aus, Kupplung geöffnet) sowie die Lastpunktverschiebung des Verbrennungsmotors und optimierte Schaltpunkte zu den Maßnahmen, um die Gesamteffizienz des Antriebsstrangs zu erhöhen.

Um mit der hohen Generatorleistung des RSG von bis zu 18 kW möglichst viel Energie zurückgewinnen zu können, ist eine Fahrstreckenprädiktion („eHorizon“) implementiert, die eine vorausschauende Balance aus maximaler Energierückgewinnung und der effizientesten Nutzung rekuperierter Energie ermöglicht. Die in Simulationen des NEFZ dargestellte Einsparung von rund 13 % gegenüber einem konventionellen Verbrennungssystem ohne Start-Stopp-Funktion wurde mit dem realen Fahrzeug bestätigt. Bei Testfahrten mit verschiedenen Fahrern und unterschiedlichem Verkehrsaufkommen ließ sich dieser Wert ausdifferenzieren: Im Überland-Zyklus sparte das 48-Volt-System bis zu 9 % Kraftstoff. In der Stadt wurden je nach Fahrstil Einsparungen von 17 % bis 22 % erreicht.

Nicht nur für Europa

Somit liefert die 48-Volt-Technik einen kosteneffizienten Beitrag zur Elektrifizierung in der Kompakt- und Mittelklasse – und damit zur Verringerung des CO2-Flottenausstoßes. Hierbei wird Europa voraussichtlich die Vorreiterrolle übernehmen. Continental geht davon aus, dass auch andere Regionen in Kürze folgen werden. Für das 48-V-Eco-Drive-System ist die Serieneinführung bereits beschlossene Sache. Ein zügiger Durchbruch dieser Technologie ist zu erwarten.

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