Verkehrstunnel müssen sicher sein – und rund um die Uhr verfügbar. Der Ausfall eines Rettungssystems oder die automatische Schließung des Tunnels aufgrund von Überspannungen kann nicht nur wirtschaftlichen Schaden anrichten, sondern auch Menschenleben gefährden.
Um den Tunnel von Anfang an richtig planen zu können, müssen die Risiken für Blitzschlag und dadurch verursachte Schäden im Tunnel bekannt sein. Die Norm IEC 62305-2 stellt eine Methode zur Risikobewertung bezüglich Blitzschutz für bauliche Anlagen zur Verfügung. Darin werden unter anderem die lokale Blitzdichte, die Dimensionen der Anlage und die Eigenschaften der Versorgungs- und Kommunikationsleitungen betrachtet.
Allerdings erstreckt sich die Risikobetrachtung nach dieser Methode nur auf Service- und Betriebstechnikgebäude und oberirdische Tunnelanlagen. Unterirdische bauliche Anlagen sowie die Tunnelröhren selbst werden darin nicht berücksichtigt.
Blitzschutzzonen-Konzept im Tunnel
Um dennoch ein wirksames Blitzschutzkonzept zu erstellen, empfiehlt sich der Einsatz des Blitzschutzzonenkonzepts aus der Norm IEC 62305-1. Darin wird eine Anlage in mehrere Blitzschutzzonen (englisch: Lightning Protection Zone, LPZ) eingeteilt, die elektrisch und elektromagnetisch voneinander getrennt sind (siehe Tabelle). Dies wird zum einen durch Überspannungsschutzgeräte (ÜSG) an den Zonenübergängen, zum anderen mit einer elektromagnetischen Schirmung oder einem entsprechenden räumlichen Abstand erreicht.
Nach diesem Ansatz wird auch die Tunnelröhre in mehrere Zonen unterteilt. Dabei wird berücksichtigt, dass die Röhre unter der Erde liegt, die verschiedenste Leitfähigkeiten aufweisen kann. Zudem besitzt die Tunnelröhre ein ausgedehntes vermaschtes Erdungssystem: Jedes Segment der Tunnelröhre muss sowohl geerdet als auch mit dem Potentialausgleich verbunden sein. Bei einem Blitzeinschlag in der nahen Umgebung des Tunnels kann durch die Erdung eine Spannungserhöhung in der Röhre auftreten, deren Höhe nicht vorhersagbar ist. So kann die gesamte Röhre bestenfalls als LPZ 1 definiert werden.
In der Norm IEC 60364-4-44 sind sogenannte Überspannungskategorien beschrieben. Sie reichen von Kategorie IV bis I und legen die minimale Stoßspannungsfestigkeit von Geräten fest – abhängig von ihrer Nennspannung und ihrem Einbauort. Kategorie IV befindet sich am Eingang der Installation (LPZ 0B) und betrifft beispielsweise Elektrizitätszähler und Transformatoren. Kategorie I betrifft empfindliche Geräte wie Steuerungen oder Kommunikationstechnik.
In LPZ 1 gilt die Überspannungskategorie III (siehe Tabelle), was in einem 230/400-V-System einer Spannungsfestigkeit von 4 kV entspricht. Geräte wie Steuerungen oder Sensoren bieten jedoch geringere Spannungsfestigkeiten, so dass sie nur in LPZ 2 (230/400 V: 2,5 kV) oder LPZ 3 (230/400 V: 1,5 kV) eingebaut werden können. Um diese Zonen auszurüsten, werden häufig Schaltschränke der Schutzklasse 1 genutzt, die sich durch ihre elektromagnetische Schirmwirkung in Kombination mit ÜSG hier gut eignen.
Schutz der Energieversorgung
Die Basis für jede Anwendung im Tunnel, sei sie sicherheitsrelevant oder nicht, ist die Versorgung mit elektrischer Energie. Die Leitungen kommen von außen in den Tunnel, sie können also Blitzströme transportieren und in den Tunnel leiten. Für die zuverlässige Funktion des Tunnels ist jedoch eine fehlerfreie Energieversorgung notwendig. Dazu werden alle Energieversorgungsleitungen, die in den Tunnel führen, mit ÜSG Typ 1 beschaltet. Das geschieht idealerweise in einem einzigen Schaltschrank, der vor allen anderen Geräten im Tunnel platziert ist. Somit liegen geschützte und ungeschützte Leitungen nicht parallel, und induktive Einkopplungen treten nicht auf.
Zu diesem Zweck wird etwa im Loppertunnel in der Schweiz der Blitzstromableiter Flashtrab Compact FLT-CP von Phoenix Contact eingesetzt – eine Kombination aus jeweils einem ÜSG Typ 1 und Typ 2. Der Ableiter verbindet das hohe Stromableitvermögen einer Funkenstrecke mit der guten Begrenzung der Überspannung durch einen Varistor.
Bei sicherheitsrelevanten Anlagen mit Verbindung zur Außenwelt ist dieser Schutz besonders wichtig. So wurde beispielsweise der Zweite Coentunnel in den Niederlanden mit einer Rauch- und Wärmeabzugsanlage ausgestattet, die exponiert ist. Die Ventilatoren im Kamin der Anlage werden in einem 690-V-IT-System an einem Frequenzumrichter betrieben, der in LPZ 1 positioniert ist.
Da im IT-System der erste Erdschluss ein erlaubter Fehlerfall ist, der nicht zur Abschaltung der Versorgung führt, muss das ÜSG dauerhaft an der verketteten Nennspannung betrieben werden können. Hierfür eignet sich der leistungsstarke Powertrab PWT von Phoenix Contact, der ursprünglich für Windenergieanlagen entwickelt wurde. Mit einer Nennspannung von 690 V AC und einer zweistufigen Funktionsmeldung sorgt er dafür, dass die Anlage zuverlässig funktioniert.
Schutz der Daten- und MSR-Leitungen
Datenleitungen und Leitungen der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (MSR) sind besonders anfällig für Beeinflussungen durch parallel verlaufende Versorgungsleitungen. Durch die schnelle Stromänderung während des Auftretens eines Blitzstromes in der Versorgungsleitung wird ein Magnetfeld um die Leitung herum aufgebaut. Befindet sich im Magnetfeld eine Daten- oder MSR-Leitung, wird in dieser Leitung wiederum eine Spannung induziert, die dann an dem angeschlossenen Gerät anliegt.
Zugleich reagieren die angeschlossenen Daten- und MSR-Geräte empfindlich auf Überspannungen. Verfälschte Messwerte oder Steuerbefehle können ebenso daraus resultieren wie Beschädigung oder Ausfall dieser Geräte. Handelt es sich bei den Geräten um sicherheitskritische Systeme wie Sichtweitenmessung, Wärmedetektion oder das Bussystem, kann dies sogar zur automatischen Schließung des Tunnels führen.
Wenn in Tunneln Leitungen der Energieversorgung und der Daten- oder MSR-Technik über lange Strecken parallel verlegt sind, gefährdet das insbesondere Daten- oder MSR-Leitungen durch induktive Einkopplung. Die Auswahl des passenden ÜSG ist dabei genauso wichtig wie die richtige Installation. Seine Platzierung direkt vor dem zu schützenden Gerät sowie die räumliche Trennung von ungeschützten und geschützten Leitungen tragen wesentlich zur Schutzwirkung bei.
Auch dafür findet sich ein Beispiel im Zweiten Coentunnel. Die ungeschützten Leitungen werden im Schaltschrank an dessen Außenwänden geführt, die geschützten im Kabelkanal in der Mitte. Durch die räumliche Trennung werden induktive Einkopplungen von den ungeschützten auf die geschützten Leitungen verhindert.
In ÜSG für MSR- und Datenanwendungen sind üblicherweise mehrere Schutzstufen kombiniert: Blitz-, Überspannungs- und Geräteschutz. Daher genügt ein einzelner Schutzbaustein vor jedem Gerät. Die Typen sind hier ähnlich unterteilt wie in der Energieversorgung, ihre Bezeichnung unterscheidet sich jedoch davon. Der Blitzschutz wird als D1 statt Typ 1 bezeichnet, der Überspannungsschutz als C2 statt Typ 2 und der Geräteschutz als C1 statt Typ 3.
Um ungeschützte Leitungen zu geschützten zu machen, wird ein ÜSG eingesetzt, das auf die zu schützenden Daten und Signale abgestimmt ist. Hier eignet sich das Schutzsystem Plugtrab PT-IQ von Phoenix Contact. Es schützt vor Überspannungen, erkennt und zeigt den Zustand der Ableiter an und gibt diese Information per Fernmeldung weiter – zum Beispiel an eine speicherprogrammierbare Steuerung. Das Besondere daran ist, dass kritische Ableiter, die zwar noch funktionieren, sich aber ihrem Lebensende nähern, ebenfalls erkannt werden. Diese können dann bei der nächsten Wartung ausgetauscht werden, bevor sie defekt sind.
Überspannungsschutzgeräte richtig platzieren
Die Möglichkeiten für Blitze und Überspannungen, die Energieversorgungs- und Steuersysteme eines Tunnels zu beeinflussen, sind groß. Wenn Überspannungsschutzgeräte richtig platziert sind und das Blitzschutzzonenkonzept angewendet wird, können Beeinflussungen auf ein Minimum reduziert werden. Dabei ist es einerseits wichtig, die Zonenübergänge klar zu definieren und jede Leitung, die den Übergang passiert, mit ÜSG auszurüsten. Andererseits funktionieren Überspannungsschutzgeräte nur dann einwandfrei, wenn Erdung und Potentialausgleich in der Anlage korrekt ausgeführt sind.