Der Blick in die Guidelines der European Hygienic Engineering & Design Group (EHEDG) sowie der Food and Drug Administration (FDA) macht schnell deutlich, dass die Gestaltungskriterien für hygienegerechte Maschinen, Apparate und Komponenten keinesfalls einen Edelstahl-Automatismus beinhalten. Daraus abgeleitet: Wie müssen Servomotoren in der Lebensmittelindustrie gebaut sein, damit sie auch ohne Griff zum Edelstahl korrosionsbeständig, mechanisch stabil und dank glatter Oberflächen leicht zu reinigen sind? Welche Vorteile bieten aus Sicht der Effizienz so genannte Washdown-Beschichtungen?
Servotechnik in der Lebensmittelindustrie
Beim Bau von Verpackungsmaschinen und Anlagen der Lebensmittelherstellung kommt immer häufiger elektrische Servotechnik zum Einsatz – bei gleichzeitiger Substitution pneumatisch angetriebener Bewegungsführungen. Maschinenbauer begründen diese Entwicklung häufig damit, dass Servotechnik leiser arbeitet und sich insgesamt besser regeln lässt. Diese beiden Vorteile lassen sich im Lebensmittelumfeld aber nur dann nutzbar machen, wenn die Antriebstechnik den Hygieneanforderungen gerecht wird. Damit kommt es automatisch zu einer Übertragung des Hygienic Design der Maschine auf die Antriebskomponenten. Welche Konstruktionen daraus resultieren, ist in der Praxis ganz unterschiedlich. Fest steht aber, dass vor allem im Verpackungsmaschinenbau der Trend zur Modularisierung herrscht, Prozessmodule immer kleiner werden und eine generelle Offenheit erkennbar ist. Sprich: Die Technik wird nicht mehr hinter sperrigen Schutzeinhausungen versteckt, sondern direkt dem Prozess ausgesetzt.
Motoren aus Edelstahl in Schutzart IP69K prägen deshalb heute immer mehr das Bild. Dieser Werkstoff ist aber teuer und reduziert die Leistungsdichte von Motoren aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften – vor allem in punkto Wärmeleitfähigkeit. Solche Motoren kommen deshalb aus Effizienzgesichtspunkten nur in den Bereichen zum Einsatz, wo sie wirklich nötig sind. Nach Auskunft von Verpackungsmaschinenbauern sind dies Orte mit direkter Produktnähe und häufigen Reinigungszyklen. Gerade dort spielt Edelstahl aufgrund der hohen Beständigkeit nach wie vor eine große Rolle.
Hygienische Edelstahl-Konstruktion
Der Einsatz dieses Materials macht für sich betrachtet aber noch lange keinen hygienegerechten Antrieb aus. Für Edelstahlmotoren gilt nämlich ebenfalls, dass das gesamte Äußere hygienegerecht zu konstruieren ist. Ein altes Design bloß aus Edelstahl zu fertigen hilft nicht weiter. Bei Hygienic Design geht es darum, Konstruktion, Oberflächen, Geometrie, Material und die gesamte Installationstechnik im Gesamten zu betrachten. Die EHEDG konzentriert sich aus gutem Grund darauf, Oberflächenformen zu bewerten oder zu definieren, wie Flanschanbindungen auszuführen sind oder welche Schrauben am besten zum Einsatz kommen sollten. Die FDA stellt ihrerseits die Werkstoffauswahl in den Mittelpunkt.
Aus dem Systemgedanken heraus hat Kollmorgen für den skizzierten Einsatz die Edelstahlmotorenreihe AKMH entsprechend der FDA- und EHEDG-Richtlinien entwickelt. Die Synchronservomotoren sind in Schutzart IP69K für regelmäßige Reinigung auch mit Dampfstrahlern ausgelegt. Der Einsatz von Edelstahl 1.4404 macht die AKMH-Reihe korrosionsbeständig – auch gegenüber aggressiven Reinigungsmitteln. Gespiegelt auf die genannten Einsatzbedingungen sind Edelstahlgetriebemotoren in folgenden Applikationen unverzichtbar:
Bereiche mit direktem Lebensmittelkontakt;
aseptische Prozesse;
Maschinenbereiche, in denen der Motor über den Lebensmitteln platziert ist, beispielsweise Delta-Picker;
Bereiche mit indirektem Lebensmittelkontakt, wenn der Motor neben den Lebensmitteln platziert ist;
Bereich mit vorherrschender mechanischer Reinigung, die Beschichtungen abreiben kann.
Angeschlossen werden die Edelstahlmotoren mit nur einem Kabel inklusive Rückführung mit dem digitalen Resolver SFD3 oder Hiperface DSL. Die Halbierung der Verkabelung halbiert einerseits Zeit und Platz für die Installation, wirkt sich andererseits auch positiv auf die Hygiene und die Betriebssicherheit aus. Was nicht vorhanden ist, kann nicht verschmutzen oder undicht werden. Die Einkabeltechnik ist so aufgebaut, dass beide Feedbacksysteme nur zwei Drähte im Hybridkabel beanspruchen. Das Signal wird dabei auf die Speisespannung aufmoduliert.
Synchron- statt Asynchronmaschinen
Aus Verzichtsgesichtspunkten ist auch das generelle Verwenden von Synchronservomotoren anstelle von Asynchronmaschinen zu bewerten. Es ist der bessere Wirkungsgrad aufgrund von Permanentmagneten auf dem Rotor, der bei Synchronmotoren weder Kühlrippen noch Fremdlüfter notwendig macht. Dennoch kommen in der Lebensmittelindustrie und Verpackungstechnik – meist aus Preisgründen und einer gelebten Praxis heraus – nach wie vor asynchrone Standardmotoren in großer Zahl zum Einsatz, die dann aus den bekannten Gründen hinter Abdeckungen versteckt werden. Mit Kühlrippen und Lüfterhauben ist aber kein wirkliches hygienisches Design möglich, zumal die EHEDG in ihren Richtlinien auch noch fordert, dass beim Reinigen sämtliche Abdeckungen zu entfernen sind, um die Motoren wirklich sauber zu bekommen. Ein weiteres Problem kann dann auftreten, wenn sich trotz aller Sorgfalt Schmutznester gebildet haben und die Lüfter der Motoren diese noch richtig in der Luft verteilen.
Beschichtete Servomotoren
Dieses Detail macht deutlich, dass Hygienic Design mehr ist als der Schutz der Technik vor äußeren Einflüssen. Vielmehr sind gerade in der Lebensmittelindustrie Motoren von vornherein so zu konstruieren, dass sich erst gar keine Schmutznester bilden können und Wasser gut ablaufen kann. Wie die Aktorik ganz konkret aussehen kann, zeigen Getriebemotoren, die Kollmorgen mit einer speziellen Washdown-Food-Beschichtung versehen hat. Diese Einheiten sind in Bereichen ohne direkten Produktkontakt eine wirksame Alternative zu vergleichsweise teuren Edelstahlmotoren und aufwändigen Einhausungen konzipiert.
Aufgrund der Tatsache, dass die beschichteten Synchronservomotoren bis auf die Welle und die Anschlüsse weitestgehend auf Edelstahl verzichten, gibt es kein nennenswertes Derating im Vergleich zu Standard-Servomotoren. Die Leistungsverluste sind das Ergebnis der schlechteren Wärmeleitfähigkeit von Edelstahl. Damit einhergehend wird die Verlustwärme schlechter aus dem Inneren des Motors herausgeführt. Weil diese physikalisch bedingte Einschränkung bei dieser besonderen Ausführung der AKM-Motoren deutlich geringer ist, sind in direkter Folge kleinere Antriebe mit höherer Motorleistung möglich – was letztlich Platzgewinn und steigende Energieeffizienz zur Folge hat.
Das abgerundete Getriebemotorgehäuse weist für diese Anwendungen die nötigen glatten Oberflächen auf. An der EHEDG- und FDA-zugelassenen Beschichtung perlen Flüssigkeiten aufgrund hydrophober Eigenschaften zudem so gut ab, dass sich erst gar keine Rückstände auf der Oberfläche bilden können – konstruktiv unterstützt durch den Verzicht auf Ecken und Kanten. Die Beschichtung selbst ist so robust, dass kleine Kratzer nicht gleich zu einem korrosiven Aufblühen führen. Maschinenbauer müssen sicher sein, dass gerade Reinigungsmittel die Oberfläche über die gesamte Lebensdauer nicht beschädigen können, weil sonst in punkto Food Safety automatisch Bedenken aufkommen würden – inklusive dem Ruf nach Edelstahl.
Baukästen für die Standardisierung
Für Hygienebereiche funktional und konstruktiv angepasste Antriebstechnik muss sich einfach, schnell und verlässlich reinigen lassen. Nur so sind Stillstandszeiten – zum Beispiel bei Produkt- und Formatwechseln – zu verkürzen. Die Frage nach dem Einsatz von Edelstahl ist erst dann eindeutig beantwortbar, wenn Einsatzort und Rahmenbedingungen bekannt sind. Angesichts des stetigen Strebens nach mehr Standardisierung sind deshalb Baukästen gefragt, die einen in sich schlüssigen Lösungsraum mit harmonisierten Schnittstellen bieten.
Für den Einsatz von Getriebemotoren im Hygieneumfeld gelten schließlich drei Haupteigenschaften: Sie müssen antriebsstark, einbaufertig und abwaschbar sein.