Smart Traffic & Mobility „Größtmögliche Flexibilität für den Nutzer”


Ausbau anvisiert: Volker Lazzaro, Technik-Geschäftsführer bei Mennekes, hofft in Zukunft auf eine flächendeckende Schnelllade-Infrastruktur.

06.02.2013

Beim Aufbau der Infrastruktur für Elektroautos ruhen große Hoffnungen auf Schnellladestationen. Volker Lazzaro, Technik-Chef von Mennekes, plädiert für pragmatische Lösungen. Im Gespräch mit Mobility 2.0 erläutert er, warum Wechselstrom derzeit die beste Art des Stromtankens ist.

Mobility 2.0: Herr Lazzaro, in der öffentlichen Wahrnehmung spielt die Elektromobilität derzeit keine große Rolle mehr. Ändert sich das 2013 wieder?

Volker Lazzaro: Keine große Rolle mehr? Wer das so wahrnimmt, ist kein Elektromobilist.

Aber der Hype ist vorbei.

Das ist doch bei jeder neuen Technologie so. Nach der anfänglichen Begeisterung merken die Leute, dass noch eine ganze Menge Arbeit zu leisten ist. Dann gibt es auch Zweifel und den einen oder anderen Rückschlag. Durch dieses Tal müssen wir durch. Dieses Jahr kommen viele Fahrzeuge, spätestens 2014 führt das zu einem gesunden Wachstum - da habe ich keine Angst.

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Infrastruktur. Aber selbst beim Stecker gibt es - trotz Ihrer Bemühungen - noch keinen endgültigen Standard.

Mit dem Typ-2-Stecker haben wir viele Vorleistungen erbracht. Die Nationale Plattform Elektromobilität unterstützt uns dabei, diesen Stecker als europäischen Standard zu etablieren.

Gallische Widerstandsdörfer gibt es aber auch hier noch...

In der Diskussion mit den europäischen Nachbarn haben wir 2012 große Fortschritte gemacht. Zudem haben wir den Typ-2-Stecker mit einem Shutter vorgestellt, der einen zusätzlichen Berührschutz bietet. Technisch ist er eigentlich nicht notwendig, aber wir gehen damit auf französische und italienische Gewohnheiten ein. So stellt der Typ 2 eine gesamteuropäische Lösung dar.

Ganz aus dem Rennen ist der japanische Chademo-Standard für Schnellladestationen noch nicht.

Eigentlich geht es doch darum, wie man „Combined Charging“, also Wechselstromladen und Gleichstrom-Schnellladen, mit einem einzigen Stecksystem ermöglicht. Dazu muss in die Gleichstromladestation ein Kommunikationsprotokoll gemäß ISO 15118 implementiert werden - was informationstechnisch recht aufwendig ist. Sobald solche Produkte verfügbar sind, wird Chademo rasch vom Markt verschwinden, denn Combined Charging ist einfach besser zu handhaben.

Ist denn die ISO-Norm für das Combined Charging überhaupt schon verabschiedet?

Nein, aber wir machen große Fortschritte, und was dabei herauskommen wird, ist klasse.

Das heißt, Sie haben das Powerline-Protokoll in Ihren Ladestationen auch noch nicht appliziert?

Für das Laden mit Wechselstrom ist das Protokoll nicht zwingend erforderlich. Aber wir werden auch die Wechselstrom-Ladestationen auf dieses Level bringen. Das heißt aber nicht, dass die heutigen Ladestationen nicht kommunizieren können. Wir haben zum Beispiel im Rahmen eines Flottenversuchs nachgewiesen, dass wir das gesteuerte Laden in Abhängigkeit von Windstrom-Überschüssen beherrschen.

Für die Kommunikation zwischen Ladesäulen und größeren Marktplätzen gibt es aber nun noch gar keinen Standard.

Es gibt eine ganze Menge leistungsfähiger Backend-Systeme, die allerdings noch nicht wirklich standardisiert sind. Auch hier stellt die ISO-Norm 15118 die Voraussetzung dafür dar, dass man Informationen nutzen kann: Sie standardisiert, welche Daten in welchem Format geliefert und dann weiterverarbeitet werden können. Die Softwaresysteme selbst sind nicht so einfach zu standardisieren, denn die Betreiber der Ladesäulen, meist Energieversorger, versuchen, ihre Geschäftsmodelle über ihre Systeme abzudecken. Viele suchen auch noch nach Modellen oder haben diese in Forschungsprojekten erarbeitet, müssen die Ergebnisse aber noch zusammenführen.

Das klingt nach einem Prozess, der noch Jahre dauert.

So ist das bei der Entwicklung einer neuen Technologie. Wobei ich nicht daran glaube, dass es die eine genormte IT-Plattform geben wird. Es gibt so viele Nuancen, wie das Geschäft mit Elektromobilität und erneuerbaren Energien verschmilzt. Da erleben wir in den kommenden fünf Jahren noch eine unheimliche Dynamik.

Nochmal zurück zum Schnellladen: Ist es für den Erfolg der Elektromobilität überhaupt entscheidend?

Hier gibt es unterschiedliche Lager: Manche Automobilhersteller setzen sehr stark auf das Wechselstromladen mit zweistelliger Leistung und implementieren heute schon die dafür notwendige Ladetechnik in ihren Fahrzeugen. Das bietet dem Nutzer größtmögliche Flexibilität.

...bedeutet aber für den Hersteller einen erhöhten Aufwand.

Aus meinem eigenen Fahrverhalten weiß ich, dass man schon mal vergisst, über Nacht zu laden - und dann ist es mit einphasigem Wechselstrom unmöglich, kurz nachzutanken. Wenn ich zuhause mit 22 Kilowatt in einer Stunde laden könnte, dann hätte ich null Einschränkung bei der Reichweite. Die Freiheit des Nutzers wird durch Wechselstromladen mit hohen Leistungen deutlich gesteigert. Das Gleichstromladen nimmt den Aufwand aus dem Auto heraus und steckt ihn in die Infrastruktur. Das ist für den Autohersteller positiv, denn die Autos werden kostengünstiger. Eine Infrastruktur mit öffentlichen Gleichstrom-Ladestationen wird gerade in der Anfangszeit den Nutzbedürfnissen nicht gerecht. Denn anfangs wird das Netz aus Kostengründen recht dünn sein. Ich kann doch mit einem Elektroauto nicht erst 50 Kilometer fahren, um zur nächsten Ladestation zu gelangen. Deshalb glaube ich daran, dass sich das Wechselstromladen mit hoher Leistung durchsetzen wird.

Das heißt, Sie bleiben dem Wechselstrom auch bei Ihren Ladestationen treu?

Wir beobachten den Markt genau, aber vorerst wird es von Mennekes nur Wechselstrom-Ladesäulen geben.

Wie sieht denn Ihr Idealszenario für den Übergang von einer fragmentierten in eine flächendeckende Infrastruktur aus?

Das muss man pragmatisch sehen, denn die flächendeckende Infrastruktur steht kurzfristig nicht zur Verfügung. So lange werden Elektrofahrzeuge überwiegend als Zweitwagen verkauft und hauptsächlich in der heimischen Garage geladen. Gleichzeitig wird es einen relativ starken Trend zu Plug-in-Hybridfahrzeugen geben, die den Ausbau der Infrastruktur vorantreiben. Aus Nutzersicht fahren diese Autos aber auch ohne Strom, deshalb ist die flächendeckende Infrastruktur keine Voraussetzung für die Anschaffung.

Was ist denn das Ziel - also wie viele öffentliche Ladestationen braucht man für eine Million Elektroautos?

Ich habe einmal ausgerechnet, dass man eine Ladestation rentabel betreiben kann, wenn man drei Ladevorgänge pro Tag realisiert. Das ist mit einphasigem Laden schwierig, denn das dauert etwa acht Stunden. Mit 22-Kilowatt-Ladestationen dauert das Laden dann eine Stunde und man kann als Betreiber Geld verdienen.

Und damit ist für den Betreiber ein echtes Geschäftsmodell verbunden?

Ja, zumindest, wenn es sich um eine Wechselstromstation handelt, die wesentlich weniger als eine Gleichstromstation kostet. Und wenn die Station von einem Qualitätshersteller stammt, so dass es minimale Ausfallzeiten gibt. Eine dritte Voraussetzung: Das Abrechnungssystem muss so einfach wie möglich gestaltet werden.

Das Gespräch führte Johannes Winterhagen, Mobility 2.0

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