Sensorik & Messtechnik Häutchen unter Druck

11.04.2014

Hauchdünn und ziemlich empfindlich – diese Attribute verbinden wohl viele mit Membranen. Robust und langlebig sollen die „Häutchen" sein, wenn sie in der Messtechnik zum Einsatz kommen. Sie sind aus Keramik und zwar einer, die zehnmal härter als Edelstahl ist.

Messzellen von Druckmessgeräten müssen oft einiges aushalten. Die Wahl des richtigen Werkstoffs ist also essentiell. Keramik ist fast so hart wie Diamant, extrem robust und zehnmal härter als Edelstahl. Manuel Harter, Produktmanager bei Vega, sagt: „Diese Stärken spielen sich besonders in Anwendungen mit abrasiven Medien aus, wie zum Beispiel Schlämmen, Altpapier oder Wasser-Sand Gemischen.“ Das Unternehmen produziert seit über 40 Jahren Druckmessumformer für verschiedenste Anwendungen und Branchen. Noch vor 20 Jahren war Aluminiumoxid-Keramik ein junger Sensorwerkstoff – und eine Sensation für die Messtechnik, die damals mit metallischen Messzellen arbeitete. Vega entwickelt und fertigt diese Technologie selbst, am Stammsitz in Schiltach. Im eigenen Reinraum werden die Messzellen unter den Bedingungen der Reinraumklasse 100 gefertigt. In dieser vollkommen staubfreien Atmosphäre werden die Messzellen in Dickschichttechnik bedruckt und gebrannt.

Auch bei hohen Prozesstemperaturen kann Keramik auftrumpfen. Bei ölgefüllten metallischen Membransystemen dehnt sich das Öl temperaturabhängig aus. Schwankt die Temperatur entstehen Messfehler. Keramikmesszellen hingegen sind sogenannte trockene Messzellen: Sie benötigen kein Übertragungsmedium wie Druckmittleröle, der Druck wirkt direkt auf die Membran. Sie messen exakter, auch in Hochvakuum-Anwendungen, die bei Metallmembranen zu Deformationen oder sogar einem Austritt von Öl führen könnten. Auch korrosive Medien können die Keramikmesszelle nicht angreifen. Langlebigkeit, Sicherheit und Messgenauigkeit machen Keramikmesszellen darum bei vielen Druckmessungen zum Instrument der Wahl.

Baustein für Hygienic Design

Pionier bei der Entwicklung der keramischen Druckmesszelle für den industriellen Einsatz war Endress+Hauser, ein Konzern mit Stammsitz in der Schweiz und heute über 12.000 Mitarbeitern. „Seit ihrer Markteinführung 1987 ist die keramische Messzelle maßgeblich für den Aufstieg von Endress+Hauser zu den weltweit führenden Anbietern von Druckmesstechnik verantwortlich“, sagt Dirk Dohse, Produktmanager für Druckmesstechnik. Eine Stabilität gegen Druckschläge oder durch unsachgemäßes Handling sei ebenso gegeben wie die Unbedenklichkeit der verwendeten Werkstoffe beim Kontakt mit Lebensmitteln. „Die hervorragende Oberflächengüte und die TSE- und Ölfreiheit der Messzelle machen einen bedenkenlosen Einsatz der Keramik in hygienischen Anwendungen möglich“, so Dirk Dohse.

Das sei auch das entscheidende Argument für die kapazitive Keramische Messzelle in Hochvakuumanwendungen: weil das Sensoröl bei Vakuum und Temperatur in ölgefüllten Sensoren ausgasen kann. Ein weiterer Pluspunkt sei die Membranbrucherkennung. Immer wieder vorkommende Druckschläge, etwa durch schließende Ventile, können bei Metallmembranen zu einer mechanischen Ermüdung führen. Im schlimmsten Fall wird ein gültiger Messwert angezeigt, obwohl die Membran beschädigt und das Sensoröl ausgelaufen ist. Die robuste Keramikmembran überwacht sich über die gemessene Kapazität selbst und verursacht im Fehlerfall sofort eine Fehlermeldung. Gegenmaßnahmen könnten umgehend ergriffen werden, was dem Anwender die Sicherheit gebe, Produktverluste im Schadensfall auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.

Auch für Kondensatanwendungen ist die Messzelle geeignet. „Kondensatbildung ist für jede Relativdruck-Messzelle kritisch“, so Dirk Dohse. Die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit schlage sich an kalten Flächen als Kondenswasser nieder. Wenn die Temperatur am Sensor oder an der Sensorelektronik den Taupunkt unterschreitet, könne dies zum Ausfall herkömmlicher Sensoren führen. "Der von Endress+Hauser entwickelte Cerabar M Keramiksensor wurde durch mehrere konstruktive Maßnahmen, beispielsweise ein Dehydration-Modul und eine spezielle Druckausgleichsleitung, in Sachen Kondensatfestigkeit optimiert.“

Bei den Kunden von Endress+Hauser stünden je nach Einsatzzweck verschiedene Vorteile der Keramikmesszelle im Vordergrund:

  • bei Lebensmitteln die Ölfreiheit, Kondensatfestigkeit und Membranbruchüberwachung

  • bei Grundstoffen und Papier die Abrasionsfestigkeit

  • in der Chemie die Vakuumfestigkeit, Korrosionsbeständigkeit und Membranbruchüberwachung.

In manchen Branchen hat sich die Keramikmesszelle bereits ganz und gar durchgesetzt. „In der Papierindustrie, in Minen oder im Schiffbau setzen die Kunden auf die robuste Keramik“, sagt Vega-Produktmanager Manuel Harter. In vielen Anwendungen in diesen Branchen sei eine keramische Messzelle die einzig sinnvolle und haltbare Technologie. Wie kann diese noch besser werden? Manuel Harter: „So robust die Keramikzellen auch sind, hatten sie bislang Nachteile bei Temperaturschocks. Damit die Messzelle nicht wie früher „geschockt“ werde, ist nun ein zusätzlicher Sensor direkt hinter der Keramikmembran angebracht. Ihm entgehe nicht die kleinste Temperaturschwankung. Den Rest erledige die Elektronik, die den Temperaturschockfehler kompensiert. „Die Einsatzgebiete, in denen keramische Messzellen im Vorteil sind, werden sich dadurch noch einmal deutlich erweitern.“

Bildergalerie

  • Präzisionsarbeit: Die in Druckmessgeräten verwendete Keramik ist fast so hart wie Diamant und beständig gegen korrosive Medien.

    Präzisionsarbeit: Die in Druckmessgeräten verwendete Keramik ist fast so hart wie Diamant und beständig gegen korrosive Medien.

    Bild: Dominik Gierke

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