CO2-Management Himmel frei von CO2


(Carbon Capture and Utilization) könnte die Atmosphäre etwas entlasten.

29.05.2012

Anstatt Kohlendioxid in den Himmel zu pusten, könnte man es auch deponieren. Aber die Angst vor einem CO2 -Endlager ließ die Einigung über ein Gesetz in Deutschland scheitern, das mit dem Kürzel CCS verknüpft ist. CCU geht noch weiter: Ein Projekt zeigt nun, wie die Industrie den ungeliebten Reststoff nicht nur entsorgen, sondern sogar nutzbringend verwenden könnte.

Es ist schon ungerecht: Wohl kaum jemand möchte auf das Kohlendioxid in seinem Feierabendbier oder einem erfrischenden Softdrink verzichten. Doch was im Glas so schön prickelt und perlt, löst als Kraftwerksemission immer neue Diskussionen aus. Die reine Speicherung des Gases, genannt Carbon Capture and Storage (CCS), hat sich in Deutschland bisher nicht durchgesetzt. Zu skeptisch ist man bezüglich der Sicherheit, zu groß ist die Angst, auf einer Zeitbombe zu sitzen, prall gefüllt mit unkontrollierbarem Kohlendioxid.

Wohin mit dem CO 2?

Forscher der Technischen Universität München sowie der Fraunhofer-Gesellschaft und die Industrieunternehmen MAN, Eon, Linde, Siemens, Clariant und Wacker Chemie wollen deshalb die Weiterverwendung von CO 2voranbringen. Ihr Projekt iC 4steht für Carbon Capture, Conversion and Cycling und beschäftigt sich mit CCU (Carbon Capture and Utilization), also der Umwandlung und Weiterverwendung des Stoffes für industrielle Zwecke. Das Projekt, das vom Bundesumweltministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, geht also über die Idee von CCS hinaus und soll Ansätze hervorbringen, die CO 2in den chemischen Stoffkreislauf der Industrie zurückführen oder es dort in anderer Form weiterverwerten. Wenn CO 2schon als Rohstoff dienen soll, dann doch am besten gleich am Ort der Entstehung.

Vier Säulen für die CO 2-Verwertung

Ihre Visionen stellten die Projektverantwortlichen Ende April im Rahmen eines Auftakt-Symposiums in München vor. Der Cluster des ganzen Projekts baut auf den vier Säulen Membrantechnologien, adsorptive Abtrennung, Methanisierung und photokatalytische Nutzung auf und ist damit an die Expertise der teilnehmenden Unternehmen angelehnt.

So entwickelt etwa Siemens ein eigenes Verfahren zur CO 2-Abscheidung aus Rauchgasen. Dieses Postcap-Verfahren basiert auf Aminosäuresalzen und eignet sich für fossil befeuerte Kraftwerke sowie für die Nachrüstung bestehender Kraftwerke. Durch die verwendete Aminosäuresalzlösung sei das Verfahren umweltverträglich und soll nur wenig Hilfsenergie benötigen. 2009 ging eine Pilotanlage in Großkrotzenburg bei Hanau in Betrieb, die eine CO 2-Abscheideleistung von mehr als 90 Prozent erreichte.

Von der Abscheidung zur Photokatalyse

CO 2aus industriellen Prozessen zu gewinnen ist dagegen eigentlich kein Problem. Das Ziel von CCU ist es aber, an genau dieser Stelle weiterzudenken. Deshalb wollen die iC 4-Partner an Lösungen für die Methanisierung von CO 2arbeiten. Bis dies aber im großen Stil erfolgen kann, müssen zunächst die Katalysatoren optimiert werden, damit das Verfahren auch mit unreinen Verbrennungsgasen und unstet anfallender Überschussenergie optimal funktioniert. Ausgerechnet das Treibhausgas könnte dann dabei helfen, das Speicherproblem zu lösen, das mit dem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz einhergeht. Der für die Umwandlung nötige Wasserstoff könnte mit Hilfe überschüssiger Energie aus regenerativen Quellen hergestellt werden, um damit Lastspitzen abzubauen. Zudem lässt Methan sich problemlos ins Erdgasnetz einspeisen. Diesen Power-to-Gas-Ansatz verfolgt auch Eon bei einer Pilotanlage in Falkenhagen. Ab 2013 soll die Anlage durch Elektrolyse aus regenerativ erzeugtem Strom pro Stunde etwa 360 Kubikmeter Wasserstoff produzieren.

Auch andere Unternehmen wie etwa SolarFuel aus Stuttgart sind längst auf diesen Zug aufgesprungen. Die Schwaben sehen bei Engpässen in Power-to-Gas eine wirtschaftliche Alternative zu kurz- oder mittelfristigen Speichern wie Batterien oder Pumpspeicher. Das Unternehmen kündigt an, ab 2015 kommerzielle Anlagen mit einer elektrischen Anschlussleistung von modular bis 20 MW zur Verfügung zu stellen. Der Strom-Gas-Wirkungsgrad ohne Wärmenutzung soll dann bei über 60 Prozent liegen und mit integrierter Wärmenutzung ähnlich der KWK-Technik sogar auf 75 Prozent steigen.

Großes Potenzial bescheinigte Prof. Dr. Bernhard Rieger, Lehrstuhlinhaber des Wacker-Lehrstuhls für Makromolekulare Chemie an der Technischen Universität München, beim Symposium auch der Photokatalyse, also der mit Hilfe von Sonnenlicht ablaufenden Umwandlung von CO 2in leicht lagerbares Methanol. Bei diesem Verfahren könnte mit Sonnenenergie CO 2und Wasser zur Erzeugung chemischer Grundstoffe hergestellt werden. �?hnlich wie bei der Photosynthese könnte das aus Kraftwerksemissionen gewonnene CO 2mit Wasser in Methanol umgewandelt werden, wobei das Sonnenlicht direkt genutzt werden könnte. Noch ist das alles Theorie, verschiedene Projektgruppen, wie etwa die Fraunhofer-Allianz Photokatalyse oder die Universität Regensburg, arbeiten an der Erforschung eines solchen Verfahrens.

CCU klingt also noch nach Zukunftsmusik, doch das Engagement namhafter Unternehmen wie Wacker und Siemens im iC 4-Projekt zeigt, dass die Technologien durchaus Potenzial haben. Einstweilen bleibt der Industrie und Kraftwerksbetreibern aber nicht viel anderes übrig, als die Effizienz bestehender und neuer Anlagen zu verbessern, um Emissionen zu reduzieren. Selbst wenn CCU dereinst helfen kann, den Himmel ein bisschen CO 2-ärmer zu machen, wird es nicht annähernd die Mengen auffangen können, die heute allein von Kraftwerken ausgestoßen werden (siehe dazu das Interview auf Seite 70 und 71).

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