Versorgungssicherheit & Autarkiekonzepte Ihr gutes Recht bei Konzessionsvertrag oder Eigenbetrieb


Rekommunalisierung: Die örtlichen Stromversorgungsnetze wieder im Eigenbetrieb zu führen bekommt manchen Gemeinden schlecht, wenn die Schritte auf dem Weg dorthin nicht sorgfältig vorbereitet sind.

01.02.2012

Auslaufende Konzessionsverträge für die örtlichen Energienetze geben Gemeinden die Chance, das Heft wieder selbst in die Hand zu nehmen. Oft sind die Erwartungen aber unrealistisch hoch. Lesen Sie, worauf es ankommt und welche juristischen Feinheiten zu beachten sind.

Viele Konzessionsverträge zum Betrieb von Energieversorgungsnetzen laufen 2016 und 2017 aus. Dabei bieten sich für Gemeinden verschiedene Handlungsoptionen: Sie können die Verlängerung eines bestehenden Konzessionsvertrages anstreben oder sie können den Abschluss eines Konzessionsvertrages mit einem Dritten oder mit einem Eigenbetrieb (gegebenenfalls im Konsortium mit einem Dritten) anstreben. Bei der Bewertung dieser Optionen sollte zunächst geprüft werden, welche inhaltlichen Ziele die Gemeinde in Bezug auf den künftigen Betrieb der örtlichen Energienetze verfolgt. Ist dies geklärt, stellt sich die Frage, welche der Handlungsoptionen sich am besten zur Erreichung der definierten Ziele eignen.

1. Schritt: Ziele präzise definieren

Der erste Schritt ist die Definition der Ziele des künftigen Netzbetriebs. Dabei ist wichtig, dass diese Ziele konkret definiert sind. Vielfach sind die Vorstellungen in diesem Bereich nur vage. Ziele wie etwa „mehr Kontrolle“ oder „Förderung erneuerbarer Energie“ sind zunächst noch zu abstrakt, um als Entscheidungsgrundlage für oder gegen die Konzessionsvergabe an einen Eigenbetrieb oder einen Dritten zu dienen. Vielmehr sollten die Ziele zumindest so konkret gefasst sein, dass sie als Grundlage für die Festlegung geeigneter Maßnahmen zu ihrer Erreichung herangezogen werden können (Lage-Ziele-Maßnahmen).

Ein Beispiel für eine konkrete Formulierung wäre: „Errichtung der erforderlichen Infrastruktur zur Einrichtung einer verbrauchsorientierten Stromeinspeisung (Smart Grid)“. Gemeinden werden sich in diesem Zusammenhang Gedanken über ihre ökologische, soziale, finanzielle und bauliche Entwicklung machen. Im Einzelfall können aber auch nur sehr mittelbar mit dem praktischen Netzbetrieb verbundene Themen, wie etwa die Bürgerakzeptanz, eine wichtige Rolle einnehmen. Bei nur schwer definierbaren Zielen aufgrund der Vertragslaufzeit von 20 Jahren sollte zumindest der gewünschte Gestaltungsspielraum möglichst präzise bestimmt werden.

2. Schritt: Finanziellen Spielraum abschätzen

Besondere Bedeutung sollte bereits in diesem Stadium die finanzielle Leistungsfähigkeit haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in einer Vielzahl der Gemeinden das Fachwissen zum Netzbetrieb nicht oder nicht mehr vorhanden ist und der (Wieder-) Einstieg in das Netzbetreibergeschäft insoweit mit Anlaufkosten verbunden ist. Hinzu kommt das möglicherweise erforderliche Kapital zur Vergütung für die Übereignung des Netzes gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) -siehe Kasten Seite 41. Allerdings besteht insoweit gemäß § 46 Abs. 3 S. 3 EnWG auch die Möglichkeit der Besitzüberlassung, etwa im Wege der Pacht. Diese Option sollte insbesondere von solchen Gemeinden erwogen werden, bei denen die Übernahme des Netzes durch einen Eigenbetrieb insbesondere aufgrund der erheblichen Anfangskosten scheitern könnte.

3. Schritt: Maßnahmen vorsortieren

Nach der Feststellung der aktuellen Lage und der Definition ihrer Ziele sollte die Gemeinde prüfen, welche dieser Ziele sie nur durch die Kontrolle über einen Eigenbetrieb verwirklichen kann und welche auch hinreichend sicher im Konzessionsvertrag verankert werden können. Hier werden also die geeigneten Maßnahmen zur Zielerreichung vorsortiert. Die Einflussmöglichkeiten werden dabei oft falsch eingeschätzt.

Zunächst sind deshalb die Ziele auszufiltern, die im Rahmen der Vergabe von Konzessionsverträgen oder durch den Eigenbetrieb verfolgt werden können. Das vielfach formulierte Ziel, mehr Strom aus Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie in das Netz aufzunehmen, ist kein Thema, das in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt. Denn durch die im Erneuerbare-Energien-Gesetz geregelte Verpflichtung der Netzbetreiber zum Anschluss solcher Anlagen und zur vorrangigen Abnahme der damit produzierten Energie sowie durch die verbindliche Entflechtung von Energieversorgung und Netzbetrieb hat der Netzbetreiber praktisch keinen Einfluss mehr auf die Herkunft des in seinem Netz transportierten Stroms.

4. Schritt: Eigenbetrieb oder Konzessionsvertrag?

Als nächster Schritt sollte geprüft werden, welche der Ziele nur durch die Bewirtschaftung der Energienetze in einem Eigenbetrieb verwirklicht werden könnten und die Erreichung welcher Ziele auch durch entsprechende Regelung im Konzessionsvertrag einem Dritten auferlegt werden könnte. Konzessionsverträge sind ihrer Natur nach Wegenutzungsverträge. Aus diesem Grunde sind die Gestaltungsmöglichkeiten begrenzt. Den Rechtsrahmen für die zulässigen Regelungsinhalte bildet neben § 46 EnWG, der unter anderem eine maximale Laufzeit von 20 Jahren vorsieht, die Konzessionsabgabenverordnung (KAV). § 2 KAV sieht zunächst Höchstbeträge für die zu vereinbarenden Konzessionsabgaben vor, die sich nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde richten. Danach können Gemeinden mit vielen Einwohnern höhere Konzessionsabgaben verlangen als Gemeinden mit wenigen Einwohnern.

„Verbotene“ Leistungen in Konzessionsverträgen

§ 3 KAV (siehe Kasten S. 42) regelt, welche anderen Leistungen in Konzessionsverträgen vereinbart werden dürfen. Die in § 3 Abs. 1 geregelten zulässigen Leistungen, wie etwa Preisnachlässe für den Eigenverbrauch von Gemeinden oder Vergütungen und Beiträge für bei der Gemeinde entstehende Kosten, bieten dabei oft nicht den erforderlichen Spielraum, um die Ziele der Gemeinde zu erreichen. Explizit nicht vereinbart werden dürfen gemäß § 3 Abs. 2 KAV sonstige Finanz- und Sachleistungen, die unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis gewährt werden. Dies schränkt jedoch den Handlungsspielraum nicht so weit ein, wie vielfach angenommen. Einerseits dürfen auch in § 3 Abs. 2 KAV „verbotene“ Leistungen Gegenstand einer Verpflichtung im Konzessionsvertrag sein; sie müssen dann lediglich auf die zulässigen Höchstbeträge der Konzessionsabgabe angerechnet werden.

Im Ergebnis ist dies oft ein interessengerechter Ausgleich. Denn auch in einem Eigenbetrieb sind auch solche „verbotenen“ Leistungen mit Kosten verbunden, die sich auf die Wirtschaftlichkeit des Eigenbetriebs auswirken. Deshalb ist abzuwägen, ob die Kosten für eine solche Leistung in einem Eigenbetrieb geringer wären, als deren Berücksichtigung bei der Berechnung der Höchstbeträge der Konzessionsabgabe.

Weiterer Gestaltungsspielraum ergibt sich daraus, dass § 3 KAV lediglich „Leistungen“ erfasst. Leistungen sind aber beispielsweise nicht Vereinbarungen, die das konzessionierte Netz betreffen, wie etwa Investitionen, Ausbau und Effizienzsteigerungen - beispielsweise die Aufrüstung der Netzinfrastruktur zu einem „Smart Grid“.

Beliebte Ziele: Wertschöpfung und Bürgernähe

Zumeist verbleiben dann als mit der Übernahme des Energieversorgungsnetzes verbundene Ziele die Verbesserung der Wertschöpfung sowie Bürgernähe als Netzbetreiber. Dabei sollten Gemeinden nicht übersehen, dass ein Eigenbetrieb ebenso wie jeder Dritte den Entflechtungsvorschriften des EnWG unterliegt. Als Betreiberin des Netzes hat die Gemeinde also keinen weiteren Einfluss darauf, wen die Bürger als Versorger wählen. Zudem sind für eine realistische Einschätzung der Gewinnerwartung die Effizienzvorgaben der Anreizregulierungsverordnung zu beachten. Demnach wird Netzbetreibern eine Erlösobergrenze aufgegeben, die sich an einem ständig effizienter werdenden Netzbetrieb orientiert. Können die verlangten Effizienzsteigerungen nicht erreicht werden, ist der Netzbetrieb im schlimmsten Falle defizitär. Kann die Gemeinde jedoch sowohl das zur Übernahme des Netzes erforderliche Kapital aufbringen, als auch einen hinreichend effizienten Netzbetrieb gewährleisten, so kann der eigene Netzbetrieb eine attraktive und von den Bürgern willkommene Investition sein.

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