Wie lassen sich Funk-Schaltgeräte entwickeln, die die hohen Anforderungen der Industrie an Übertragungssicherheit, Reichweite und Schalthäufigkeit erfüllen? Gesucht werden ganzheitliche Lösungen, die einen Verzicht auf Signal- und Energieleitung erlauben.
Diese Aufgabe wurde in mehreren Schritten gelöst. Einer der ersten Schritte war die Adaption einer vorhandenen Energy-Harvesting-Technologie für die Gebäudetechnik. Inzwischen stehen mehrere Funksysteme zur Verfügung, die dezidiert für industrielle Anwendungen entwickelt wurden. Sie nutzen unterschiedliche Energieversorgungsarten wie Energy Harvesting, Longlife-Batterie und diverse Funktechnologien: uni- und bidirektional, mit und ohne Empfangsbestätigung, mit und ohne Präsenzsignal, Frequenzbereiche von 868 MHz und 2,4 GHz.
Dank eines intelligenten Baukastensystems können verschiedene Schaltgeräte-Bauarten wie Positions-, Fuß-, Seilzug-, und Türgriffschalter sowie Befehlsgeräte mit den diversen Funktechnologien kombiniert werden. In Kombination mit batteriegestützten Systemen stehen auch unterschiedliche Bauarten von Funk-Sensoren zur Verfügung.
Alle Systeme erreichen selbst unter ungünstigen Umgebungsbedingungen eine gute Koexistenz mit anderen Funksystemen wie DECT-, WLAN- und PMR-Systemen. Auch der Parallelbetrieb ist möglich, das heißt die Möglichkeit des störungsfreien Betriebs mehrerer Funksysteme in einem Senderaum bei hoher Systemdichte.
Kosten-Nutzen-Relation
Die Technologievielfalt macht durchaus Sinn, weil die einzelnen Baureihen und Kommunikationsstandards jeweils unterschiedliche Anwendungsbereiche adressieren. Dementsprechend haben sich diese Schaltgeräte inzwischen in vielen Einsatzfeldern etabliert. Die konkreten Anwendungen ergeben sich aus der Kosten-Nutzen-Korrelation. Natürlich ist der Preis von Funkschaltgeräten höher als der von kabelgebundenen Schalt- und Bediensystemen. Aber sobald Montage und Installation höheren Aufwand erfordern, weil zum Beispiel Leitungen über lange Strecken verlegt werden müssen oder weil zusätzliche Komponenten wie Schleifleitungen und Kabelschlepp-Einrichtungen erforderlich sind, rechnet sich ein Funkschaltgerät. Zu den häufiger realisierten Anwendungen gehören zum Beispiel:
kabellose Zugschalter zum Öffnen von Industrietoren,
Funk-Positionsschalter an rotierenden Maschinenteilen,
energieautarke Bedienelemente an seitlich verschiebbaren Schutztüren.
Erweiterung des Einsatzes im Ex-Schutz
Auf der Basis des Plattformkonzepts wurden außerdem Energy-Harvesting-Funksysteme für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen entwickelt und entsprechend zertifiziert. Sie überwachen zum Beispiel die Ventilstellung von dezentralen Gaspumpstationen, erfassen die Positionierung von Dockingsystemen an den Verladebahnhöfen der Chemie-Industrie und schalten Fördersysteme von Applikationslanzen für die Pulverbeschichtung ein und aus.
Der Nutzwert ist hier nochmals größer als in den klassischen Anwendungsfeldern von Funkschaltgeräten, weil Ex-Schaltgeräte aus dem explosionsgefährdeten Bereich hinausfunken können. Somit kann der Anwender auf aufwändige Kabelverbindungen ebenso verzichten wie auf regelmäßigen Service für den Batteriewechsel.
Sicherheitsgerichtete Funktechnik
Eine aktuelle Erweiterung der Wireless-Technologien für Industrie-Anwendungen betrifft die Maschinensicherheit. Das sicherheitsgerichtete Funksystem sWave 2.4-GHz-Safe basiert auf einem Funkprotokoll, das ursprünglich für die Medizintechnik entwickelt wurde und den Herstellern medizintechnischer Geräte die Möglichkeit bietet, Funk-Fußschalter ohne störende Leitungen anzubieten. Dabei wird ein bidirektionales Funksystem auf dem lizenzfreien 2,4GHz-ISM-Frequenzband verwendet, das sich durch hohe Störsicherheit und stabilen Langzeitbetrieb selbst in sensiblen Anwendungen auszeichnet.
Bidirektionaler Funkstandard
Das sicherheitsgerichtete Funksystem nutzt die physikalische Schicht des Standards IEEE 802.15.1. Sie wurde mit dem Ziel ertüchtigt, ein sicherheitsgerichtetes Funksystem für Industrie-Anwendungen zu entwickeln. Aufgrund der hohen Zuverlässigkeit, eignet sich diese Funktechnik für den Einsatz in rauen industriellen Umgebungen. Gewährleistet ist die Zuverlässigkeit unter anderem durch das FHSS-Verfahren (Frequency Hopping Spread Spectrum) auf 79 Kanälen und durch das adaptive Frequenzsprungverfahren sowie aufgrund der guten Koexistenz zu anderen Funksystemen. Das Sender-/Empfänger-Gesamtsystem ist – wie bei sicherheitsgerichteten Anwendungen nicht anders zu erwarten – grundsätzlich zweikanalig ausgelegt. Ein störungsfreier Parallelbetrieb mit anderen Systemen ist somit auch bei hoher Systemdichte möglich.
Wireless Safety bei Sicherheits-Fußschaltern
Das erste Schaltgerät, in dem die Safety-Technologie verwirklicht wurde, ist ein (Sicherheits-) Fußschalter aus der GFI/ GFSI-Baureihe. Diese Schalter sind bislang in kabelgebundener Ausführung sowie kabellos mit Energy-Harvesting-Technologie – dann aber für nicht sicherheitsgerichtete Anwendungen – verfügbar. Sie haben ein ergonomisches Design und eine ermüdungsfreie Betätigung, die aus der geringen Pedalhöhe resultiert. Zudem sind die Fußschalter standfest.
Zu den Applikationen, die bei der Entwicklung im Fokus standen, gehören die Zustimmfunktion und Sonderbetriebsarten wie Einrichtbetrieb oder Prozessbeobachtung: Solange der Bediener das Pedal des Funkschalters gedrückt hält, kann er eine Maschine starten und bei geöffneter Schutztür im Einrichtbetrieb fahren oder den Prozess beobachten. Auch beim Programmieren von Robotern bringt diese Betriebsweise Vorteile, ebenso beim Bedienen von Maschinen mit größeren beweglichen Komponenten, wie zum Beispiel Drahtwickelmaschinen und Pressen, sowie beim Werkzeugwechsel. Das aus Funkfußschalter und Empfangseinheit bestehende System ist EG-baumustergeprüft und gemäß ISO EN 13849-1 in Performance Level (PL) d sowie Safety Integrated Level (SIL) 2 nach IEC 62061 eingestuft. Diese Kategorisierung dokumentiert die Zuverlässigkeit des sicheren Funksignals und die Eignung für sicherheitsgerichtete Anwendungen.
Weiterentwicklung vorhandener Technologien
Neben der Entwicklung neuer Anwendungsfelder wie Explosionsschutz und Maschinensicherheit wird auch das Basisprogramm an Industrie-Funkschaltgeräten weiterentwickelt. Dies betrifft Schalterbaureihen, Auswerteeinheiten und Peripheriegeräte wie zum Beispiel Repeater und Funkmodule zum Anschluss von konventionellen Sensoren.
Bei den Funktionalitäten der vorhandenen Funksysteme gibt es ebenfalls Neu- beziehungsweise Weiterentwicklungen. Ein aktuelles Beispiel: Das bidirektionale Funkprotokoll sWave 868/915 wird in Kürze um die Funktionalität Listen Before Talk ergänzt. Sie ermöglicht es dem Schaltgerät, zunächst die Belegung der ausgewählten Frequenz zu prüfen, bevor das Signal abgesetzt wird. Damit wird ausgeschlossen, dass aufgrund einer nahezu zeitgleichen Betätigung mehrerer Funkschalter oder -sensoren der Kanal belegt ist, wenn der zweite Schalter sein Signal absetzen will. Dies ist eher eine theoretische Fehlerquelle als ein in der Praxis auftretendes Problem, das nun aber dennoch gelöst wird, um die Übertragungssicherheit der Funksignale nochmals zu erhöhen.
Markt differenziert sich
Der Überblick über aktuelle Entwicklungen bei Funkschaltgeräten zeigt: Der Markt ist ausgereift und differenziert sich weiter. Auch für besondere Bedingungen und Anforderungsprofile wie Ex-Schutz und Maschinensicherheit stehen dedizierte und selbstverständlich richtlinienkonforme Technologien zur Verfügung. Aus Sicht eines Herstellers von anspruchsvollen Schaltgeräten hat sich die Option Wireless in der Industrie gut etabliert und trifft auf hohe Akzeptanz der Anwender, was nicht zuletzt auf allgemein gute Erfahrungen mit kabellosen Schaltgeräten zurückzuführen sein dürfte.