Fernwärme Was Kaltes zum Kuscheln

Danke, liebes Kühlregal: Mit der Abwärme von Kühlgeräten im Supermarkt lassen sich Wohnungen in der Nachbarschaft mit kuscheliger Wärme versorgen.

Bild: Danfoss; iStock, dima_sidelnikov
04.10.2016

Kühltheken im Supermarkt haben mehr mit Windkraft- und PV-Anlagen gemein, als man denkt. Denn wo Pizza, Fischstäbchen und Pommes frösteln, entsteht Energie in Form von kuscheliger Wärme. Wer nachbarschaftlich teilt, kann davon profitieren.

Es klang alles so einfach, als die Energiewende beschlossen war: Die Atomkraft weicht erneuerbaren Energien, auf den Straßen krempeln flüsterleise Stromer das Verkehrssystem um und sowohl die Erde als auch die Sonne wärmen unser Zuhause. Doch je mehr Energieverbraucher mit anpackten, desto klarer zeichnete sich ab: Ohne ein durchdachtes und vernetztes System, in dem alle zusammen arbeiten statt jeder für sich, platzt der Traum von der sauberen Energiezukunft.

Wie aber lässt sich diese Mammutaufgabe mit Hilfe von Effizienzsteigerungen, Energiespeicher oder Smart Grids bewältigen? Diese Frage stellen sich nicht nur Netzbetreiber, sondern auch Industrieunternehmen wie Danfoss. Für den dänischen Konzern liegt die Lösung ganz nah, sozusagen direkt um die Ecke: im nächsten Supermarkt. Dort wird zunächst einmal Energie verbraucht, um zum Beispiel Waren in Szene zu setzen oder sie in Kühllagern und -regalen frisch zu halten. Eben diese Lager besitzen aber auch das Potenzial, zu mehr Flexibilität im Smart Grid beizutragen und durch ihre Anzahl als gigantische Speicher zu fungieren. Das erklärte Niels B. Christiansen im Rahmen der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris.

Energie übern Gartenzaun

Für den Danfoss-CEO ist District Energy der Schlüssel, um dieses Potenzial zu heben, insbesondere in Verbindung mit Kraft-Wärme-Kopplung. Laut Studien nutzen herkömmliche Anwendungen nur etwa 30 Prozent der Kälteleistung des Verdichters. Die überschüssige Leistung kann den Supermarkt in einen Energielieferanten verwandeln – für sich selbst und seine Umgebung. Dazu werden die Verdichter als Wärmepumpen eingesetzt, wenn der Kältebedarf niedrig und der Wärmebedarf hoch ist, etwa in der kalten Jahreszeit. Die überschüssige Wärme aus der Kälteanlage kann in das Fernwärmenetz gespeist werden. Kombiniert mit Solarenergie verwandelt dieser Ansatz den Supermarkt in ein lokales Mini-Heizkraftwerk. Die Idee ist nicht neu, denn auch in der Industrie wird Prozessabwärme zurückgewonnen und anderweitig genutzt.

Wie gut das aber auch in Wohngebieten funktioniert, hat ein Einzelhändler aus Dänemark vorgemacht: Er versorgt knapp 20 Haushalte seiner Gemeinde mit Wärme. Sie stammt aus der zurückgewonnenen überschüssigen Wärme aus der Kälteanlage seines Supermarktes. Mit diesem Überschuss erwärmt das System zudem Leitungswasser, das für die Reinigung des Marktes verwendet wird. Durch die Maßnahmen reduzierte sich die CO2-Bilanz des Supermarktes um 34 Prozent. Insgesamt spart der Einzelhändler dadurch fast 30 000 Euro beim Gasverbrauch.

Speichern mit Kühltechnik

Doch damit ist das Potenzial von District Energy längst nicht ausgeschöpft: Moderne Kühltechnik ist nicht nur in der Lage, Wohnräumen Wärme zu spenden, sondern kann auch Lastspitzen glätten und Flexibilität für Smart Grids bieten. Drei Prozent des Stromverbrauchs fließen in Deutschland in Kühlprozesse von Supermärkten. Zusammen könnten sie somit eine Flexibilität bieten, die 30 Prozent der in Europa produzierten Windenergie entspricht. Hinzu kommt die Möglichkeit, mit Hilfe der zahlreichen Gefriertruhen in Supermärkten Energie zu speichern.

„Während einer windreichen Nacht, wenn besonders viel Energieüberschuss entsteht, könnte man ganz einfach die elektrische Energie in Wärme oder Kälte umwandeln, indem man Wasser erhitzt oder abkühlt“, veranschaulichte Niels B. Christiansen die Idee auf der UN-Klimakonferenz. „Am Morgen, wenn viele Menschen zur gleichen Zeit heiß duschen oder die Klimaanlage aufdrehen, liefert das District-Energy-System über isolierte Leitungen Wärme oder Kälte an umliegende Wohnungen und Büros.“

Für den Danfoss-CEO sind lokale Systeme, die Wärme und Kälte als Energieform speichern statt lediglich Strom zu puffern, die Lösung des Speicherproblems. Supermärkte könnten auf der einen Seite ihre Energiebilanz verbessern und von neuen Geschäftsmodellen profitieren. Auf der anderen Seite würde ein solches lokales Energiepuffersystem die Netzbetreiber und Energieerzeuger entlasten, indem es Energiespitzen reduziert, Speicherkapazitäten für volatile Erneuerbare bereitstellt und zusätzlich Flexibilität schafft.

Nachbarschaftshilfe der cleveren Art

Letztlich zählt bei Ideen wie District Energy die Verknüpfung vieler Akteure im immer kleinteiliger werdenden Energienetz. Egal ob der Supermarkt seine Abwärme verkauft oder seine Kälteanlagen als Energiepuffer für den Energieversorger zur Verfügung stellt – es bedarf keiner Raketentechnik, um District Energy heute schon umzusetzen. Komponenten, Systeme, Software und Infrastruktur: Alles ist bereits vorhanden und wartet nur darauf, miteinander verbunden zu werden.

Denn auch wenn Strom, der aus Wind oder Wärme, die aus Sonne geerntet wird, nachhaltig und sauber ist – am saubersten bleibt immer noch die Energie, die nicht verbraucht wird. Auch Energie, die gespeichert wird, trägt mehr dazu bei, die Energiewende voranzubringen, als Windkraftanlagen, die stillstehen, wenn der Wind weht. Wozu also auf die Million Elektroautos auf den Straßen warten, wenn die Kühltheken von Lidl, Edeka und Co. direkt nebenan bereits die Wärme von morgen produzieren könnten?

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    Bild: Danfoss

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    Bild: Danfoss

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