Chemiemarkt-Fusionen Lukrative Deals in der Chemiebranche

KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Sollte der Deal zwischen dem Leverkusener Pharmaunternehmen Bayer und dem amerikanischen Monsanto platzen, müssen die Leverkusener den Amerikanern zwei Milliarden US-Dollar Ausgleich bezahlen.

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04.05.2017

Die Chemiebranche war Anfang des Jahrtausends durch viele Fusionen und rekordhohe Transaktionsvolumina geprägt, doch die Ernüchterung kam schnell. Nun erwartet die Branche, dass im Bereich Agrochemie das Fusionsfieber wieder steigt – denn die Player dort scheinen die Krise überstanden zu haben. Sie könnten jetzt zum Wegweiser werden.

Zwischen 2006 und 2008 überschlugen sich die Volumina von Mergers&Acquisitions-Aktivitäten in der weltweiten Chemieindustrie laufend. Insgesamt wurden Transaktionen mit einem Gesamtwert von 330 Milliarden US-Dollar (USD) durchgeführt. Doch die fetten Jahre sind vorbei. In jüngster Vergangenheit erreichte das weltweite Deal-Volumen jährlich meist nur noch mit Mühe die 50-Milliarden-USD-Marke wie aus einer Studie der Unternehmensberatung AT Kearney hervorgeht. Keine einzige Transaktion überstieg einen Wert von fünf Milliarden USD, knapp zwei Drittel des Transaktionsvolumens stammten aus kleineren Deals mit einem Transaktionswert von jeweils weniger als einer Milliarde USD.

Das freut BASF. Zuletzt hatten der rekordtiefe Ölpreis und der Rückzug aus dem Gashandelsgeschäft den Branchenprimus schwer getroffen. Nur der Konzern ist robust – hat er sich über die Jahre doch ein komfortables Kapitalpolster angelegt, sodass auch 2016 der Nettogewinn erneut im Milliardenbereich lag. Doch die Konkurrenz sitzt BASF im Nacken. Denn sie hat ein probates Mittel gefunden, um den Player vom Thron zu stoßen: Fusionen. Nach der Durststrecke in den letzten Jahren scheint es endlich wieder bergauf zu gehen. Die Wirtschaftsprüfer von PwC schätzen, dass 2016 Transaktionen im Wert von 219 Milliarden USD die Chemiebranche aufgewirbelt haben. Im Detail waren dies knapp 200 Deals mit einem Volumen von je mehr als 50 Millionen USD.

USA und Europa verzeichnen lukrativste Deals

Tragend war hier die Mega-Fusion von Linde. Der Gasespezialist will sich mit dem Konkurrenten Praxair zusammentun. Ein erster Anlauf war im Herbst gescheitert, doch schnell verständigte man sich auf einen zweiten Versuch. Medien berichten, dass bereits im Mai positive Signale kommen sollen. Die Fusion soll Synergien von jährlich einer Milliarde Euro hervorbringen. Experten werten dies als solides Ziel, da beide Konkurrenten in einer Branche beheimatet sind, die von einem erbitterten Preiskampf gezeichnet ist, da der Markt gesättigt scheint.

Der Anteil der Transaktionen mit europäischer Beteiligung hat sich laut PwC 2016 gegenüber dem Vorjahr von sechs auf rund 30 Prozent verfünffacht. Deutsche Unternehmen haben entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen: Deals mit deutschen Beteiligten stellten 2016 mit über 100 Milliarden USD insgesamt einen Anteil von 47,5 Prozent am gesamten globalen Dealvolumen. In Europa und Nordamerika wurden durchschnittlich auch die lukrativsten Deals angekündigt und durchgeführt. Im Schnitt schlug im abgelaufenen Jahr ein Deal mit Beteiligten aus Nordamerika oder Europa mit über drei Milliarden USD Transaktionsvolumen zu Buche. Zum Vergleich: In Asien lag der durchschnittliche Transaktionswert bei gerade einmal gut einer halben Milliarde. „Europa und Nordamerika sind derzeit klar die Hochburgen für große internationale Übernahmen, während Asien und insbesondere China viele lokale Konsolidierungen durchführt“, analysiert Marcus Morawietz, Partner und Leiter des Bereichs Chemie bei PwC. „Das Ziel der chinesischen Regierung ist weiterhin die Schaffung großer Unternehmen, die im internationalen Vergleich bestehen können.“

Großfusionen im Bereich Agrochemie

Die meisten Fusionen und Übernahmen im Jahr 2016 gab es laut PwC in der Spezial- sowie Grundstoffchemie. Das mit Abstand höchste Transaktionsvolumen von 120 Milliarden USD erreichte hingegen der Bereich Agrochemie mit den Großfusionen Bayer/Monsanto und ChemChina/Syngenta. „2016 ist sicherlich das Rekordjahr für die weitere Konsolidierung bestimmter Chemiesegmente“, kommentiert Morawietz. „In den Bereichen Industriegase und Agrochemie sind die erwarteten Endspiel-Szenarien bereits in vollem Gange.“

Beispiel Leverkusen: Monatelang hatte Bayer um den US-Saatgutspezialisten Monsanto gefeilscht. 128 Dollar zahlt Bayer schließlich pro Monsanto-Aktie – insgesamt hat der Deal somit ein Rekord-Volumen von 66 Milliarden USD. Das übersteigt selbst die von Experten als „Hochzeit im Himmel“ gelobte Ehe von Daimler und Chrysler (48 Milliarden USD). So viel wie Bayer hat noch nie ein deutscher Konzern im Ausland ausgegeben. Dabei ist die Chemie-Ehe nur konsequent. Bayer-Chef Werner Baumann treibt den Konzernumbau in Leverkusen gnadenlos voran. Zum Jahreswechsel 2015/16 stieß man die Kunststofftochter Covestro ab und gab den Kurs Richtung Life-Science vor: nur noch Pharma und Pflanzenschutz. „Evolution statt Revolution“, predigt Baumann seither. Dass man nun zum Bigplayer mit Saatgut aufsteigen möchte, begrüßen Börsianer. Das Unternehmen gehört inzwischen zu den wertvollsten im Dax. Ebenso beeindruckend ist die 43 Milliarden USD schwere Übernahme von Syngenta durch den chinesischen Staatskonzern ChemChina. Branchenkenner waren sich sicher, dass die Kartellwächter den Deal bis Ende 2016 eigentlich durchwinkten, immerhin teilen ChemChina und der Agrarriese Syngenta bislang keine Geschäftsfelder. Doch die EU bremste die Fusion, denn die ChemChina-Tochter Adama ist den Behörden zu mächtig. Es muss nachgebessert werden.

Die Bedenken werden durch die neue Konsolidierungsfreude auf dem ohnehin schon dünn besiedelten Sektor befeuert. Die Agrochemie dient als Blaupause für notwendige Umstrukturierungen. Denn es gibt eine überschaubare Anzahl von globalen Playern, die sich in neuen Pärchen zusammenfinden. Vier Anbieter werden wohl bald 70 Prozent des Markts beherrschen. Hochzeit Nummer drei in dem Sektor ist die Ehe von Dupont und Dow Chemical. Beide Unternehmen kommen auf einen Börsenwert von je 60 Milliarden USD. Die Fusion von beiden soll, so Experten, den Jahresumsatz des dann entstandenen Giganten auf locker 90 Milliarden USD treiben. Deshalb sprechen nicht wenige hier von einer Traumkonstellation.

Doch dass es in der Branche wieder rasant bergauf geht, kann auch zum Nachteil werden. Denn das hohe Tempo bremst. Seit der Bayer/Monsanto-Deal bekannt wurde, haben bisherige kartellrechtliche Prüfungen der bereits angemeldeten Chemie-Hochzeiten eine neue Dimension bekommen. Die Verfahren in der EU und den USA werden komplexer und zäher. Die Parallelität der vielen Deals macht es kompliziert. Dass gerade Bayer und Monsanto ihren Deal bis Ende dieses Jahres vollziehen können, scheint eher unwahrscheinlich. Sollte der Deal platzen, müssen die Leverkusener den Amerikanern zwei Milliarden USD Ausgleich bezahlen. Denn Baumann hat in das Angebot auch eine hohe Break up-fee eingebaut. Normalerweise beträgt diese Rückversicherung drei Prozent des Übernahmevolumens – Bayer bietet vier.

Großinvestitionen bei Spezialchemie

Auch außerhalb des Agrochemiemarkts investieren deutsche Chemiekonzerne Milliarden in Unternehmen der Spezial­chemie. Evonik übernahm 2016 große Teile des Spezialchemiegeschäfts des US-Gasproduzenten Air Products für knapp vier Milliarden USD – der größte Deal in der Geschichte von Evonik. Der Essener Konzern sicherte sich damit nicht nur die Marktführerschaft in Nordamerika, sondern kommt auch dem Unternehmensziel näher, bis 2018 den Umsatz auf 18 Milliarden Euro zu steigern. Zudem erwarb die BASF den Lackspezialisten Chemetall, Teil der Albermale Gruppe, für drei Milliarden USD und ergänzt damit seine eigene Lacksparte mit Expertise in der Oberflächenbehandlung. Vir Lakshman von der Wirtschaftsprüfer KPMG dazu: „Wie bereits Anfang des Jahres erwartet, fokussieren sich Chemieunternehmen derzeit vor allem auf die margenstarke Spezialchemie, ein Geschäftsfeld mit hohen Eintrittsbarrieren für neue Wettbewerber.“

Konsolidierung geht weiter

„Der Konsolidierungstrend der Branche hält an“, ist sich der KPMG-Experte sicher. Auch PwC rechnet für dieses Jahr mit einer hohen Dynamik bei den Fusionen und Übernahmen in der chemischen Industrie. „Wichtige Treiber dürften zum einen das weiterhin günstige Finanzierungsumfeld sein, zum anderen aber auch strategische Erwägungen wie Abspaltungen aus den laufenden Transaktionen sowie weitere Übernahmen zur Konsolidierung und Portfolio-Erweiterung“, so Morawietz. Darüber hinaus werde der Zugang zu neuen Fähigkeiten, beispielsweise im Bereich kundenspezifischer Produkte und Lösungen, zu einem immer wichtigeren Antrieb für Unternehmensübernahmen. „Der intensive Wettbewerb um attraktive Unternehmen wird auch 2017 weitergehen und die Preise für Übernahmen treiben“, erläutert Morawietz. „Allerdings stellen damit auch die erforderlichen Synergieeffekte eine immer größere Herausforderung für die Unternehmen dar.“ Konkrete Namen will auch AT Kearney nicht nennen. „Flexibilität und die Verfügbarkeit von Optionen beim Rohstoffangebot sind wesentliche Bestandteile jeder Investitionsentscheidung“, so Joachim von Hoyningen-Huene. „Hier hat die US-Industrie aber besonders günstige Voraussetzungen.“ Sollte in diesem Jahr also nicht erneut ein deutscher Konzern mit dem Format von Bayer einen Zukauf tätigen, scheinen hierzulande die fetten Jahre vorbei zu sein – erneut.

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  • Dass gerade Bayer und Monsanto ihren Deal bis Ende dieses Jahres vollziehen können, scheint eher unwahrscheinlich.

    Dass gerade Bayer und Monsanto ihren Deal bis Ende dieses Jahres vollziehen können, scheint eher unwahrscheinlich.

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  • Mega-Fusion von Linde: Der Gasespezialist will sich mit dem Konkurrenten Praxair zusammentun.

    Mega-Fusion von Linde: Der Gasespezialist will sich mit dem Konkurrenten Praxair zusammentun.

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  • Im Schnitt schlug im abgelaufenen Jahr ein Deal mit Beteiligten aus Nordamerika oder Europa mit über drei Milliarden USD Transaktionsvolumen zu Buche. Zum Vergleich: In Asien lag der durchschnittliche Transaktionswert bei gerade einmal gut einer halben Milliarde.

    Im Schnitt schlug im abgelaufenen Jahr ein Deal mit Beteiligten aus Nordamerika oder Europa mit über drei Milliarden USD Transaktionsvolumen zu Buche. Zum Vergleich: In Asien lag der durchschnittliche Transaktionswert bei gerade einmal gut einer halben Milliarde.

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  • Monatelang hatte Bayer um den US-Saatgutspezialisten Monsanto gefeilscht. 128 Dollar zahlt Bayer schließlich pro Monsanto-Aktie – insgesamt hat der Deal somit ein Rekord-Volumen von 66 Milliarden USD.

    Monatelang hatte Bayer um den US-Saatgutspezialisten Monsanto gefeilscht. 128 Dollar zahlt Bayer schließlich pro Monsanto-Aktie – insgesamt hat der Deal somit ein Rekord-Volumen von 66 Milliarden USD.

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  • Von 2006 bis 2008 überschlugen sich die Volumina von Mergers&Acquisitions-Aktivitäten weltweit in der Chemieindustrie. Insgesamt wurden Transaktionen mit einem Gesamtwert von 330 Milliarden US-Dollar durchgeführt.

    Von 2006 bis 2008 überschlugen sich die Volumina von Mergers&Acquisitions-Aktivitäten weltweit in der Chemieindustrie. Insgesamt wurden Transaktionen mit einem Gesamtwert von 330 Milliarden US-Dollar durchgeführt.

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  • Die meisten Fusionen und Übernahmen im Jahr 2016 gab es laut PwC in der Spezial- sowie Grundstoffchemie.

    Die meisten Fusionen und Übernahmen im Jahr 2016 gab es laut PwC in der Spezial- sowie Grundstoffchemie.

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  • Zudem erwarb die BASF den Lackspezialisten Chemetall, Teil der Albermale Gruppe, für drei Milliarden USD und ergänzt damit seine eigene Lacksparte mit Expertise in der Oberflächenbehandlung.

    Zudem erwarb die BASF den Lackspezialisten Chemetall, Teil der Albermale Gruppe, für drei Milliarden USD und ergänzt damit seine eigene Lacksparte mit Expertise in der Oberflächenbehandlung.

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  • Sollte der Deal zwischen dem Leverkusener Pharmaunternehmen Bayer und dem amerikanischen Monsanto platzen, müssen die Leverkusener den Amerikanern zwei Milliarden US-Dollar Ausgleich bezahlen.

    Sollte der Deal zwischen dem Leverkusener Pharmaunternehmen Bayer und dem amerikanischen Monsanto platzen, müssen die Leverkusener den Amerikanern zwei Milliarden US-Dollar Ausgleich bezahlen.

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