Alexander Melkus und Franz Aschl von Sigmatek im Interview „Maschinenbauer müssen digital denken“

The CNC machine and the NC data scene

Bild: iStock, Phuchit
30.10.2017

Maschinenbauer stehen vor einem radikalen Wandel, die Digitalisierung und neue Produktionskonzepte erfordern ein Umdenken. Worauf die Unternehmen hier achten müssen und welche Unterstützung es gibt, erläutern von Sigmatek Alexander Melkus, Geschäftsführer, und Franz Aschl, Innovationsmanager, im Gespräch mit A&D.

A&D:

Losgröße 1 zieht bei Produktherstellern zunehmend ein. Wie ändern sich die Anforderungen an Maschinen?

Aschl:

Das ganze abgeschottete Inseldenken ist weg, dass die verkaufte Maschine nur für sich „stupide“ Produktionsschritte abarbeitet. Heute muss ein Maschinenbauer sich darum kümmern, wie binde ich Zu- und Abtransporteinheiten an, wie hole ich mir Daten aus übergeordneten Systemen, um rechtzeitig für die nächste Losgröße gerüstet zu sein. Nehmen wir das Beispiel einer Spritzgußmaschine. Um für den nächsten Auftrag bereit zu sein, müssen die erforderlichen Formen frühzeitig vorgewärmt werden, die In­tralogistik muss den notwendigen Materialfluss mit anderen Kunststoffen bereitstellen. Die Maschine benötigt also eine vorausschauende Kommunikation mit anderen Systemen.

Melkus:

Früher waren die Maschinen oft im Stand-Alone Betrieb. Heute müssen sie sozusagen nach links und rechts schauen, wann kommen die Aufträge, wie sieht die Koppelung mit anderen Maschinen aus, welche Schnittstellen brauche ich überhaupt. Wenn man einen Produktionsbetrieb anschaut, so sind viele Einzelmaschinen von unterschiedlichen Maschinenherstellern verbaut. Die müssen sich untereinander abstimmen können. Standardisierung von Kommunikationsprotokollen und Datenformaten ist deshalb essentiell.

Wenn es also viel um Kommunikation geht, sollten Maschinenbauer Ihren Kunden nicht erst mal ein Retrofitting anbieten? Schließlich laufen die verkauften Maschinen oft 20 Jahre und mehr!

Aschl:

Das ist, wie wenn Sie versuchen, einem alten Auto einen neuen leistungsfähigeren Motor einzubauen. Deshalb fährt der Wagen auch nicht autonom oder sicherer. Außerdem bewegen sich die Kosten schnell auf dem Niveau einer Neuanschaffung. Das gleiche gilt für Maschinenbauer. Ethernet-Schnittstellen haben die Maschinen schon lange, doch das simple Datenauslesen ist ja nur ein Teil der Anforderungen an moderne Maschinen. Flexibiltät für Losgröße 1 erfordert mehr als ein Retrofitting. Maschinenbauer sollten also ihre volle Kraft in Neuentwicklungen stecken. Bei Anlagenbetreibern sieht es natürlich anders aus, die können durch Retrofitting bei alten Maschinen zumindest Transparenz erhalten.

Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit einer Maschine funktioniert nicht ohne Software. Sehen Sie in Softwarekompetenz den größten Bedarf bei Maschinenbauern?

Melkus:

Ja ganz eindeutig! Die Applikationsmannschaft, die wir haben, ist auch ein großer Pluspunkt von Sigmatek, den unsere Maschinenbauer-Kunden sehr schätzen. Wir können sehr schnell Mitarbeiter zur Verfügung stellen, die bei der Erstellung der Anwendungssoftware oder Wartung unterstützen. Unsere Softwarekompetenz für komplexe Anwendungen ist eine weltweite Stärke von uns.

Bei Ihrer Software für Maschinenbauer setzen Sie stark auf Modularität und vorgefertigte Funktionen. Bekommt Ihr Kunde somit Funktionalität auf Mausklick?

Aschl:

Vorgefertigte Software-Funktionen verkürzen das Engineering und das ist uns sehr wichtig. Bei unserem objekt­orientierten Tool Lasal sprechen wir von Technologiemodulen und Add-ons. Wenn der Maschinenbauer beispielsweise die Funktion Kurvenscheibe mit einer weiteren Bewegungskoordination benötigt, dann gibt es von uns eine fertig konfigurierte Lösung. Wir müssen den Programmieraufwand für den Kunden minimieren und komplexe Standardfunktionen wie beispielsweise CNC einsatzbereit liefern. Zwar könnte das der Maschinenbauer auch selbst erledigen, aber meist nur mit hohem Zeitaufwand und entsprechenden Kosten. Für unsere Applikationsmannschaft mit unseren vorgefertigten Software-Klassen ist das Tagesgeschäft, unsere Kernkompetenz. Wir stellen für unsere Kunden auch sicher, die Software für künftige Maschinen und Anforderungen einfach wiederverwenden und anpassen zu können. Gerade im Maschinenbau gibt es viele Sonderserien, da kann die Software nicht jedesmal aufwändig angepasst werden. Einfachheit und Modularisierung mit objektorientierter Programmierung ist hier der Weg!

Die Software differenziert ja zunehmend den Maschinenbau. Kann Sigmatek hier auch für Individualität sorgen?

Melkus:

Unsere Lasal-Software ist in Schichten aufgebaut. Auf der unteren Ebene haben wir alle Standardfunktionen, damit bedienen wir schon mindestens 80 Prozent aller notwendigen Funktionalitäten im Maschinenbau. Diese Module besitzen Standardschnittstellen, Kunden können hier noch eigene Spezialfunktionen und Regelalgorithmen hinzu programmieren. Eine sehr komfortable Ebene der Individualisierung bieten unsere Add-ons. Die Add-Ons sind wie Wizards aufgebaut. Damit kann der Kunde menügeführt beispielsweise eine komplette Steuerung eines Deltaroboters und der dazu passenden Visualisierung mit wenigen Mausklicks erstellen. Natürlich bieten wir unseren Kunden auch die zugehörige Hardware wie kompakte Steuerungssysteme und moderne HMIs wie mobile Panels mit wireless Datenübertragung an. Das gilt auch für Safety oder Motion-Komponenten. Maschinenbauer erhalten von uns Software-Unterstützung und die passende Hardware aus einer Hand. Das minimiert für den Kunden wieder den Aufwand und das Risiko. Steuern von Achsen und Bewegungen liegt uns in den Genen, heute transportieren wir unsere Kompetenz zu unseren Kunden zusätzlich durch einfach nutzbare und individualisierbare Software.

Schon eingangs wurde erwähnt, moderne Maschinen müssen auch den Materialfluss flexibel einbinden können. Engagiert sich Sigmatek deshalb stark in der Intralogistik mit FTS?

Melkus:

Natürlich! Moderne Produktionen gehen stark in Richtung modulare Anlagen mit flexiblen Materialflüssen. Zunehmend verlangen Kunden nach individualisierten Produkten, das ist mit starrem Materialtransport nur noch schwer abbildbar. Ein Paradebeispiel ist natürlich die Automobilindustrie, die ihre starren Linien zunehmend auflösen und die Karossen und Materialien zwischen modularen Bearbeitungsstationen bewegen. Fahrerlose Transportsysteme können Sie aber auch in bestehende Materialflüsse einbauen. Sicherlich sind wir hier in vielen Branchen noch ganz am Anfang, aber der Trend zu flexiblen Materialflüssen und FTS zeichnet sich klar ab. Unser kompaktes und vibrationsfestes Steuerungssysstem S-Dias ist für den mobilen Einsatz perfekt geeignet und wir verfügen über viel Know-how in der wireless Automatisierung von FTS.

Zurück zur Kommunikation von Maschinen: Empfehlen Sie Maschinenbauern ganz klar OPC UA als Standard?

Aschl:

Für die Kommunikation zwischen Maschinen und darüberliegenden Ebenen wie ERP oder Cloud ist OPC UA die klare Empfehlung. Inzwischen ist das Thema bei unseren Kunden auch gesetzt. Gerade in modularen Szenarien und internationalen Märkten braucht der Maschinenbauer einen Standard, der weltweit akzeptiert ist.

Und was passiert mit Sigmateks eigenem Echtzeit-Ethernet Varan?

Aschl:

Wie die Maschine intern kommuniziert, ist doch dem Kunden völlig egal. Die Maschine muss sicher laufen und ihre Aufgabe erfüllen. Und für die interne Kommunikation von Komponenten in der Maschine erfüllt das Echtzeit-Ethernet Varan genau alle Anforderungen, insbesondere auch die Safety. Wenn in einigen Jahren das Thema OPC UA über TSN ebenfalls alle Features und Anforderungen erfüllen kann, die Varan jetzt liefert, dann ist eine Adaption kein Problem, es bleibt ja beim Ethernet-Stecker. Allerdings müssen hier die Standards erst definiert werden und die Safety-Frage gilt es zu klären. Wir empfehlen unseren Kunden immer eine sichere und funktionierende Technologie. Ist OPC UA über TSN auch für die interne Kommunikation eine Alternative, dann klammern wir uns nicht an die eigene Varan-Technik.

Safety ist ja gerade im Maschinenbau sehr wichtig. Wie können Sie hier Ihre Kunden unterstützen?

Melkus:

Safety ist bei uns schon lange nahtlos in die Steuerungstechnik integriert. Maschinenbauer bekommen also von uns eine Lösung, die weit über die normale Maschinensteuerung hinausgeht. Alles ist aufeinander abgestimmt und integriert, für den sicheren Betrieb ist nicht noch eine zusätzliche Sicherheitssteuerung notwendig. Wir ermöglichen den sicherheitsgerichteten Datenaustausch nicht nur über den Systembus, sondern auch über TCP/IP-Netzwerke und sogar drahtlos über WLAN. Dafür wird das Black Channel-Prinzip genutzt. Maschinenbauer müssen sich bei unseren Lösungen um Safety keine Sorgen machen, die ist schon mit integriert, selbst in drahtlosen Bediengeräten.

Wo sehen Sie denn den Mehrwert von Sigmatek für Maschinenbauern gegenüber anderen Komplettautomatisierern?

Melkus:

Neben der erwähnten Safety-Integration haben wir jede unserer Lösungen und Produkte selbst entwickelt. Das gibt uns die Flexibilität, die individuellen Wünsche unserer Kunden einfach umzusetzen, weil wir die Entwicklung selbst in der Hand haben. Außerdem werden beim objektorientierten Ansatz unserer Entwicklungsumgebung Lasal reale Maschinenkomponenten in der Software abgebildet. Diese modularen Software-Funktionsmodule sind unabhängig von der eingesetzten Hardware und lassen sich beliebig kombinieren oder austauschen. Dadurch können Maschinenbauer sehr einfach ohne Programmieraufwand auf Kundenwünsche reagieren.

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