Stromversorgung im digitalen Wandel Mit Sicherheit voll auf Kurs

Ein unterbrechungsfreie Versorgung lässt sich durch ein intelligentes Stromnetz realisieren.

Bild: scorpp, iStock.com
26.08.2016

Die Energiebranche durchläuft umfassende digitale Transformationsprozesse, auch um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Im Rahmen der Energiewende stehen für einen Übertragungsnetzbetreiber daher der Bau eines neuen Rechenzentrums sowie ein Sicherheitskonzept für dessen IT- und Telekommunikationsinfrastruktur im Mittelpunkt.

Der Strom kommt aus der Steckdose und zwar jederzeit: Energiesicherheit ist in Deutschland für viele selbstverständlich. Als Übertragungsnetzbetreiber ist 50Hertz für die Sicherheit des elektrischen Gesamtsystems in seinem Netzgebiet verantwortlich.

Versorgung mit Erneuerbaren digital gesteuert

Das Unternehmen mit Sitz in Berlin betreibt das Höchstspannungsnetz im Norden (im Raum Hamburg) und Osten Deutschlands mit einer Gesamtlänge von knapp 10 000 Kilometern Leitungen. Die Energiewende ist für das Energieunternehmen eine der größten Herausforderungen. Denn in der Regelzone des Übertragungsnetzbetreibers wird überproportional viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt – rund 49 Prozent des im Netzgebiet verbrauchten Stromes stammte im Jahr 2015 schon aus erneuerbaren Quellen.

Der Zubau von Erneuerbaren-Energien-Anlagen findet zum größten Teil in dezentralen Anlagen auf dem Land statt. Schon heute wird in Nord- und Ostdeutschland mehr Strom erzeugt, als dort verbraucht werden kann. Der Überschuss wird nach Süd- und Westdeutschland transportiert. Den Transport aus entlegeneren Gegenden in die Industriezentren übernimmt das Übertragungsnetz – und das ist digital gesteuert.

Dezentral und digital

50Hertz baut derzeit im Europaviertel in Berlin einen neuen Standort und Data Center auf, da die bisher auf verschiedene Standorte verteilte Unternehmenszentrale aus allen Nähten zu platzen drohte.Aber auch, weil die dezentrale, erneuerbare Energieversorgung sowie die fortschreitende digitale Transformation ein deutlich erhöhtes Datenaufkommen mit sich bringen.

Der Neubau ist ein businesskritischer Meilenstein, der aktuelles Know-how gleich auf mehreren IKT-Fachgebieten erfordert.

Deshalb setzt das Unternehmen seit Beginn des Projekts 2012 auf externe Unterstützung: TÜV Rheinland hat die Gesamtkoordination inne. Daneben begleiten die Experten den Übertragungsnetzbetreiber sowohl in seiner IKT-Strategie und -Konzeption als auch in der Umsetzung von Teilprojekten.

Unter anderem sorgen sie dafür, dass alle wesentlichen Aspekte der IT-Sicherheit in den Grundstrukturen der neuen IKT-Architektur als integraler Bestandteil verankert werden.

Darüber hinaus ist der Prüfdienstleister für die Qualitätssicherung während der Bauphasen verantwortlich. Außerdem erstellen die Fachleute ein Konzept für den Autarkietest. Damit soll sichergestellt werden, dass die wichtigen Bereiche des Neubaus im Falle eines regionalen Stromausfalles auch autark betrieben werden können.

Der Übertragungsnetzbetreiber setzt auf ein intelligentes Stromnetz, mit dem sich die Verteilung der Energieströme steuern lässt. „Alles, was früher mechanisch im Umspannwerk geschaltet wurde, ist heute reine Informationstechnik und die wird aus der Ferne gesteuert. Damit ergeben sich allerdings neue Angriffsszenarien und potentielle Einfallstore, denen man begegnen muss“, sagt Dominik Spannheimer, CIO von 50Hertz. Über die Data Center mit einer Kapazität von einigen hundert Terrabyte werden alle digitalen Prozesse gesteuert. Die neuen IT-Schaltzentralen müssen daher nicht nur performant, sondern gegenüber Cyber-Angriffen ebenso resilient sein wie gegenüber physikalischen Störungen. Zudem ist der Betreiber kritischer Infrastrukturen gesetzlich verpflichtet, Echtzeitsysteme wie Netzleitsystem und die Steuerung der Umspannwerke mit einer nahezu 100-prozentigen Ausfallsicherheit zu betreiben.

Unterbrechungsfreier und sicherer Betrieb

„Physikalische Sicherheit und Verfügbarkeit der IT sind für Übertragungsnetzbetreiber von existentieller Bedeutung, denn die IT-gestützten Geschäftsprozesse müssen als Realtime-Anwendung laufen“, so Spannheimer.

Die große Kunst im Rahmen der Energiewende ist, analoge Stromnetze digital zu steuern.

„Dabei sind die Härtung der Systeme gegenüber dem Internet sowie die Vorbereitung für den Einsatz intelligenter Stromzähler und der Ausbau der Smart Grids enorm wichtig.“

Eine Unterbrechung der Prozesse durch einen Cyber-Angriff oder einen physikalischen Sabotage-Akt hätte angesichts des hohen Vernetzungsgrades von 50Hertz im Inland und mit dem europäischen Ausland gravierende Auswirkungen.

Darüber hinaus unterstützt TÜV Rheinland das Energieunternehmen dabei, den hohen Anspruch an Verfügbarkeit für das Rechenzentrum zu erreichen. Für betriebs- und ausfallsichere Rechenzentren hat der Prüfdienstleister einen eigenen Standard entwickelt, der die gewachsenen Anforderungen an Data Center berücksichtigt. Die Prüfanforderungen sind niedergelegt im „Kriterienkatalog zum Audit von Serverräumen und Rechenzentren“. Er enthält mehrere hundert Kriterien, anhand derer Technik und Prozesse von Rechenzentren bewertet werden können. Außerdem unterzieht TÜV Rheinland die Rechenzentrumsinfrastruktur einem Belastungstest. Der Katalog basiert auf internationalen Branchen-Normen wie der DIN EN ISO 50600, Uptime und TIA 942. Auf dieser Basis begleiten die Spezialisten vom Team „Data Center Services“ das Energieunternehmen durch den Implementierungsprozess bis zur Zertifizierungsreife. Spätestens 2016 soll die Erstzertifizierung erfolgen.

Redundanz für Ausfallsicherheit

TÜV Rheinland entwickelte auch eine umfassende IT-Sicherheitsstrategie für die neuen Rechenzentren. Sie sind nach Funktion gegliedert, also nach Büroanwendungen (SAP und Microsoft), nach Netzwerken, Übertragungstechnik und Telefonie sowie einem Rechenzentrum für Echtzeit-IT für das Netzleitsystem und Scada-Systeme. Aus Gründen der Ausfallsicherheit sind alle Data Center in der neuen Konzeption redundant aufgebaut. Um Zugriffe auf Prozessrechner der technischen Systeme zu verhindern, wurden typische Angriffsvektoren, wie etwa das Wlan für Gäste oder Remote-Zugänge für die Wartung entsprechend abgesichert. Darüber hinaus bestätigt das Prüfunternehmen die bestehende umfassende Trennung von Office- und Echtzeit-IT, die konsequente Netzwerk-Segmentierung sowie die nachhaltige Absicherung der einzelnen Bereiche. Die Wirksamkeit wird durch Penetrationstests überprüft.

Zur Steuerung und Überwachung des Übertragungsnetzes nutzt 50Hertz ein eigenes Kommunikationsnetz, das von entscheidender Bedeutung für dessen Kerngeschäft ist. Dieses Netz muss aufgrund von Messungen und weiteren essentiellen und hoch verfügbaren Funktionen besondere Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Redundanz erfüllen. Die Herausforderung besteht darin, die vorhandene Hardware der Telekommunikationsinfrastruktur im Zusammenspiel mit den Prozessnetzen zu modernisieren sowie die Schnittstellen zum Sicherheitsnetz, wie etwa der Haustechnik zur Überwachung, entsprechend abzusichern.

Bis zur geplanten Fertigstellung des Gesamtprojekts bis 2020 sind noch einige Aufgaben zu bewältigen: Neben der Modernisierung des Kommunikationsnetzes und der Spannungsversorgung stehen die Implementierung des Netzmanagementcenters, die Übernahme der Betriebsführung, die Migration der Sprachdienste sowie die Überführung der Netzdokumentation auf der Agenda.

Bildergalerie

  • Energieverteilung: Im intelligenten Stromnetz lassen sich Energieströme dezentral aus der Ferne steuern.

    Energieverteilung: Im intelligenten Stromnetz lassen sich Energieströme dezentral aus der Ferne steuern.

    Bild: iStock, MaFelipe

  • Ausfallsichere Rechenzentren: Die IT-Schaltzentrale des Übertragungsnetzbetreibers muss sicher gegenüber Cyber-Angriffen und physikalischen Störungen sein.

    Ausfallsichere Rechenzentren: Die IT-Schaltzentrale des Übertragungsnetzbetreibers muss sicher gegenüber Cyber-Angriffen und physikalischen Störungen sein.

    Bild: iStock alexsl

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