Immer, wenn eine neue Technologie den Markt erobert, verbreiten sich Fehlinformationen fast ebenso schnell wie technische Fakten – und halten sich oft sehr lange hartnäckig. Das ist auch bei Ultra-Wideband (UWB) der Fall, da die Technologie nach und nach den Massenmarkt erobert.
Räumen wir deshalb mit den häufigsten Mythen rund um UWB auf!
UWB nur über kurze Distanzen
Es ist nachvollziehbar, wie diese Aussage zustande kommt. Trotzdem ist sie falsch. Zwar ist UWB technisch gesehen eine drahtlose Übertragungstechnologie für kurze Distanzen (so wie Bluetooth, WiFi und NFC), doch das ist lediglich eine theoretische Kategorisierung.
UWB kann im Frequenzspektrum von 6,5 bis 10 GHz kommunizieren, während beispielsweise Bluetooth auf 2,4 GHz festgelegt ist. Eigentlich gilt: je höher die Frequenz, desto geringer die Reichweite. Besteht jedoch eine Sichtverbindung, kann UWB Signale über eine Distanz von bis zu 100 m problemlos übertragen.
Natürlich hängt die Reichweite in der Praxis von vielen Faktoren wie dem Endgerät und der Umgebung ab, in der die UWB-Technologie zum Einsatz kommen soll. Dazu gehören das Antennendesign, die Sendeleistung und - Frequenz, die Komplexität der Umgebung sowie die Art der Materialien, die das Signal möglicherweise durchqueren muss. All das beeinflusst die tatsächliche Reichweite.
Bei metallischen Hindernissen wird UWB nicht gut funktionieren. Andere Materialien wie Holz, Gips und sogar Ziegel kann das Signal jedoch durchdringen, wobei die Reichweite von der Dichte abhängt. Obwohl UWB derzeit in vielen Nahbereichsanwendungen zum Einsatz kommt, kann es sehr viel höhere Reichweiten erzielen.
UWB ist eine Konnektivitätstechnologie
Tatsächlich wurde UWB ursprünglich für die Übertragung hoher Datenraten und als Konkurrenz zu WiFi eingeführt. Aber das ist lange her. Seither hat sich die Technologie stark gewandelt: Von einer OFDM-basierten Datenkommunikation hat sich UWB zu einer Impulsfunktechnologie, basierend auf dem Standard IEEE 802.15.4a, weiterentwickelt. Eine Sicherheitserweiterung wurde später in Form des IEEE-802.15.4z-Standards (auf PHY/MAC-Ebene) spezifiziert.
So ist aus der einstigen Technologie zur Datenkommunikation eine sichere, hochpräzise Impulsfunktechnologie entstanden, die in die Kategorie der Sensortechnologien einzuordnen ist. UWB kann den Standort von Objekten präziser als jede andere Technologie auf bis zu 10 cm genau bestimmen und eröffnet damit eine neue Qualität räumlicher und kontextbezogener Wahrnehmung für die Produkttechnologie.
Bluetooth steht UWB bei Präzision in nichts nach
Seitdem die Fähigkeiten von UWB bei der präzisen Lokalisierung von Objekten eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurden, ist nun auch die Lokalisierung und Präzision bei Bluetooth LE und WiFi weiterentwickelt und verbessert. Bei Experimenten unter Laborbedingungen, das heißt mit einer dichten Infrastruktur und ungestörter Sichtverbindung, konnte Bluetooth 5.1 Verbesserungen im Vergleich zur vorherigen Version erzielen.
Auch die WiFi Alliance hat Überarbeitungen der Lokalisierungsfunktionen für die nächste Version angekündigt. Doch die Technologien sind physikalisch schlichtweg nicht mit UWB vergleichbar. Sie übertragen Signale über eine modulierte Sinuskurve in einem engen Frequenzspektrum, während UWB kurze 2-ns-Impulse in einem Spektrum von 500 MHz aussendet.
Bluetooth LE und WiFi basieren auf RSSI (Receiver Signal Strength Indication), das bekanntermaßen empfindlicher gegenüber Umgebungsfaktoren wie Hindernissen oder Interferenzen anderer Funksender ist und dadurch an Präzision verliert. So kann ein Hindernis in der Sichtverbindung die Signalstärke stark herabsetzen und Abweichungen von mehreren Metern verursachen.
UWB hingegen basiert auf Time-of-Flight-Messungen (ToF). Die Entfernung wird anhand der Laufzeit eines Signalpakets, multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit, ermittelt. Das FiRa Consortium bestätigt: „Die überaus schnelle Übertragung von kurzen, eng getakteten Impulsen ermöglicht es, die Ankunftszeit des Signals sehr viel exakter zu messen. Das UWB-Signal verliert auch bei größer werdenden Entfernungen zwischen Objekten nicht an Präzision und zeigt sich unempfindlich gegenüber gestörten Sichtverbindungen.“
Kurzum: UWB kann mehr, ist präziser, zuverlässiger und unempfindlicher gegenüber Umwelteinflüssen.
UWB ist eine Nischentechnologie
Es stimmt, dass UWB hauptsächlich in einem Atemzug mit drei großen Branchennamen – Apple, Samsung und BMW – und im Kontext mobiler Zugangslösungen und Datenübertragung genannt wird. Gleichzeitig findet die Technologie allerdings immer stärker Eingang in die Weiterentwicklung des entsprechenden Ökosystems, das den notwendigen Rahmen für derartige Anwendungen und Lösungen bildet.
Die Automobilindustrie ist geprägt von langen Produktlebenszyklen. Wenn dort eine neue Technologie Einzug hält, wird sie ihren festen Platz finden. Dasselbe gilt für den Mobilfunk. Die Entscheidung für eine zusätzliche Frequenz oder Antenne hat weitreichende Ausmaße und fällt nur, wenn der Mehrwert für den Verbraucher entsprechend hoch ist. Sobald es eine neue Technologie auf die Endgeräte geschafft hat, wird sie eine frei zugängliche Ressource und stößt neue Einsatzmöglichkeiten an.
Bereits heute listet das FiRa Consortium über 35 Anwendungsfälle, und weitere werden folgen. GPS für Innenräume, gemeinsame Zugangsdaten, Zutrittskontrolle, gestenbasierte Steuerung, VR-Spiele, präsenzbasierte Geräteaktivierung – die Möglichkeiten sind schier grenzenlos.
UWB-Signale können in Telefonen, Fahrzeugen und IoT-Sensoren und vielen weiteren Geräte und Objekte eingesetzt werden. Und sehr wahrscheinlich werden Mobilgeräte den Nährboden für eine breitere Anwendung von UWB bilden.