Fachbeitrag Optisch gegen den Strom


In der Entwicklung von Zellkulturtechnik auf dem Forschungscampus Biberach halten optische Sensoren Einzug.

16.04.2012

Optische Sauerstoff-Sensoren sind herkömmlichen amperometrischen Clark-Sensoren überlegen. Das testete Boehringer Ingelheim in ihrer Small-Scale-Prozessentwicklung: Die optischen Sensoren benötigen keinen Transmitter zur Signalverstärkung und bieten dank integrierter Intelligenz weitreichende Diagnose- und Monitoring-Funktionen.

In Biberach betreibt Boehringer Ingelheim sein größtes internationales Forschungs- und Entwicklungszentrum. Das Familienunternehmen, das weltweit mehr als 42.000 Mitarbeiter beschäftigt, investierte in den letzten Jahren massiv in den modernen Forschungscampus. Alle Forschungs- und Entwicklungsschritte sind dort vertreten: von der Idee bis zum marktreifen Produkt, sowohl für chemische als auch für biotechnische Wirkstoffe. Für Letztere hat Boehringer Ingelheim eine der größten Produktionsanlagen in Europa errichtet. Hier ist das Know-how vorhanden, um aus einem Basisansatz von weniger als 100ml eine Fermenter-Produktion von bis zu 15.000l zu realisieren. Die Entwicklung und ständige Verbesserung der Fermentationsprozesse mit tierischen Zellkulturen ist Aufgabe der Abteilung Process Science auf dem Forschungscampus. Die Abteilung gliedert sich in Gruppen, eine davon beschäftigt sich mit Upstream-Prozessen. Hier arbeiten verschiedene Laborbereiche am Etablieren einer Stammhaltung, der Separation, der Filtration, dem Aufreinigungsprozess, der Auswahl des Klons sowie mit den Fermentationsprozessen. Dabei stehen Fermenter bis zu 500l sowie eine Pilotanlage mit bis zu 2.000l zur Verfügung. Schrittweise werden die Fermentationsvolumina in der Small-Scale-Entwicklung erhöht, bis schließlich Pharmaprodukte im großen Maßstab von bis zu 15.000l in der Produktionsanlage in Biberach hergestellt werden können.

Second-Supplier-Strategie für Sensoren

Christian Sauter ist Laborverantwortlicher im Bereich Zellkulturtechnik in der Upstream-Gruppe. Zur Regelung der Prozessparameter DO und pH in Fermentationsprozessen mit tierischen Zellkulturen setzt er Sensoren der Hamilton Bonaduz AG und eines weiteren Herstellers ein. „Wir verfolgen eine Second-Supplier-Strategie, um mögliche Lieferengpässe oder Abhängigkeiten zu vermeiden“, begründet der Verfahrenstechniker den Ansatz. Gleichzeitig bietet der parallele Einsatz gute Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Sensoren zu vergleichen. Für die pH-Bestimmung hat Boehringer Ingelheim im Small-Scale-Bereich seit 2005 den Hamilton-Sensor EasyFerm Plus im Einsatz. „Diese Sensoren sind bei uns Verbrauchsartikel, nach unseren internen Qualitätsstandards tauschen wir sie nach maximal fünf Fermentationen aus. Sie bieten hohe Zuverlässigkeit und ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis“, erläutert Sauter die Erfahrungen. Als Hamilton mit der transmitterfreien ARC-Technologie im optischen Sauerstoffsensor VisiFerm DO ein neues Kapitel in der Sensortechnik aufschlug, war Boehringer Ingelheim als Testpartner in die Entwicklung involviert: „Gerade für unsere Anwendungsgebiete in der Zellkultivierung haben wir uns Vorteile von dieser Technologie versprochen. Seit 2006 waren bei uns Testsensoren im Einsatz und so sind unsere Anforderungen in die Konzeption mit eingeflossen“, betont Christian Sauter. Inzwischen hat der optische Sensor die amperometrischen weitestgehend abgelöst. Das optische Messprinzip basiert auf der Anwendung der sauerstoffabhängigen Lumineszenz. Sie entsteht am Luminophor nach Anregung durch blaues Licht. Ist der Luminophor in Kontakt mit Sauerstoff, zeigen Intensität und Dauer der Lumineszenz umgekehrt proportional die Sauerstoffmenge an.

Sichere Fermentation

Mit diesem optischen Prinzip ist die VisiFerm DO deutlich weniger anfällig für Störungen als die mechanisch empfindliche Sauerstoffmembran der klassischen Messgeräte. Sie benötigt keinen Elektrolyten und auch die bei Clark-Sensoren obligatorische Polarisationszeit von bis zu sechs Stunden entfällt. Das spart Arbeitszeit und erhöht die Sicherheit der Mitarbeiter sowie der Fermentationsprozesse.Auch Übertragungs- und Störungsempfindlichkeiten wie man sie von der Clark-Zelle kennt treten nicht auf. Statt des hochohmigen Signals des Clark-Sensors, das über einen Transmitter verstärkt werden muss, bietet der optische Sensor die Wahl zwischen drei unterschiedlichen Schnittstellen, die im Sensor integriert sind. Dieser wird mit den stabilen 4-20mA oder digitalen Signalen direkt angebunden. Alternativ kann über die ECS-Schnittstelle via RS485-ModBus ein nA-Signal ausgegeben und eine Clark-Zelle simuliert werden. Auf diese Weise ist der Sensor mit fast allen handelsüblichen Messgeräten kompatibel. Man kann also mit dem gewohnten Transmitter arbeiten, nutzt jedoch die Vorteile der optischen Messtechnik. Auch Boehringer Ingelheim hat die VisiFerm-Sensoren direkt mit der SPS verbunden. Sie können problemlos dampfsterilisiert, autoklaviert und SIP-gereinigt werden. Sämtliche Daten zu Sensorfunktionen, Diagnostik, Kalibration oder Wartung sind im Sensor gespeichert und können über die digitalen Schnittstellen ausgelesen und individuell programmiert werden. Aufgrund dieser Vorzüge resümiert Christian Sauter: „Wir haben die Clark-Zellen nicht komplett verbannt, aber VisiFerm hält immer mehr Einzug“. Für ihn sind vor allem die erhöhte Sicherheit, die wesentlich geringeren Kosten und die niedrigere Wartungsintensität überzeugende Vorteile: „VisiFerm liefert uns eine bessere Messqualität, ist wesentlich einfacher im Handling und in der Wartung und führt damit zu deutlich höherer Effizienz in der Prozesanalyse. Mit diesem Sensor hat Hamilton derzeit einen Sonderstatus auf dem Markt.“ Auch mit dem Kundenservice und den Reaktionszeiten ist der Techniker sehr zufrieden. Verbesserungsbedarf sieht er lediglich in der Kommunikation und Dokumentation technischer �?nderungen.

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