Aktuelle Quantencomputer basieren auf 30 bis 100 Qubits, die „verrauscht“ sind. Das bedeutet, dass ihre Zustände Abweichungen von den gewünschten Zuständen aufweisen, wodurch die fehlerfreie Ausführung bereits kleiner Quantenrechnungen zurzeit nur schwer möglich ist. Eine umso größere Herausforderung für Forschung und Entwicklung ist die Skalierung hin zu höheren Qubit-Zahlen bei gleichzeitig hoher Qualität der Qubits.
Juniorprofessor Martin Kliesch hat mit seiner Arbeitsgruppe Quantentechnologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) kürzlich drei neue Projekte in diesem Themenfeld gestartet. Sie alle haben zum Ziel, die Zukunftstechnologie Quantencomputing näher an die Anwendung zu bringen.
Das „Miqro“-Projekt: Quantencomputer für die praktische Anwendung
Mit 15,8 Millionen Euro fördert das Bundesforschungsministerium seit dem 1. Mai 2021 das auf vier Jahre ausgelegte Verbundforschungsprojekt „Miqro“. Hierin soll die Grundlage eines neuen Typs von Quantencomputern entwickelt werden, dessen Skalierung bis hin zu praktischen Anwendungen besonders vielversprechend erscheint.
Die Grundeinheit des Geräts wird aus 32 Qubits bestehen, die mittels gefangener Ionen realisiert und mithilfe von Hochfrequenzfeldern gesteuert werden. Die Forscher erhoffen sich, dass solche Grundeinheiten unproblematisch zu größeren Einheiten zusammengeschaltet werden können, sodass letztlich für die Praxis taugliche Dimensionen entstehen.
Das Team um Kliesch vom Institut für Theoretische Physik übernimmt in diesem von der Universität Siegen koordinierten Projekt mit Industriebeteiligung den theoretischen Part. Es geht darum, einen Quantencomputer und seine Komponenten zu charakterisieren, also sowohl die Einzelkomponenten als auch ihr Zusammenspiel vermessen zu können.
Dazu Kliesch: „Wir werden die Komponenten eines hochfrequenzgesteuerten Ionenfallen-Quantencomputers erstmals umfassend auf logischer Ebene charakterisieren. Dies wird die Grundlage etwa für eine automatisierte Fehlerreduktion bilden. Insbesondere werden wir dafür neue mathematische Verfahren entwickeln und deren Genauigkeit und Zuverlässigkeit auch mathematisch rigoros beweisen.“
Das „Emmy-Noether“-Projekt: Charakterisierung von Quantencomputern
„Miqro“ ergänzt sich sehr gut mit den Zielen des „Emmy-Noether“-Projekts von Kliesch, das seit April 2021 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Unter dem Titel „Verifizierung und Charakterisierung von Quantentechnologie“ erarbeitet sein Team hier neue Konzepte und mathematische Methoden für die Charakterisierung von Quantencomputern.
Während sich das „Miqro“-Projekt vorwiegend mit praktischen Aspekten hinsichtlich der konkreten Implementierung beschäftigt, liegt der Fokus bei „Emmy-Noether“ auf grundsätzlichen Fragen. Unter anderem wollen die Physiker klären, inwieweit die Verlässlichkeit eines Quantencomputers in Hinblick auf Anwendungen grundsätzlich bestimmt werden kann. Ebenfalls im Zentrum steht, wie sich die Richtigkeit von Quantencomputer-Lösungen im Fall von Problemen, die klassisch praktisch unlösbar sind, testen lässt.
Das „Maniqu“-Projekt: Anwendung in Quantenchemie und Materialforschung
Im März 2021 startete das Verbundprojekt „Maniqu“, das von der Firma Bosch geleitet wird und an dem ein weiterer Universitäts- und zwei weitere Industriepartner beteiligt sind. Das Ziel dieses Projekts ist, Quantencomputer für Rechenprobleme aus der Quantenchemie und Materialforschung nutzbar zu machen. Der Fokus liegt auf hybriden Quantenalgorithmen, bei denen Quanten- und konventionelle Computer zusammenarbeiten, um schwierige Optimierungsprobleme zu lösen.
In diesem Zusammenhang entwickelt Klieschs Team neue Methoden, um die Zusammenarbeit der zwei unterschiedlichen Computer effizient zu gestalten. Für hybrides Quantenrechnen ist ein sehr häufiges Auslesen des Quantencomputers notwendig, was bisher einen Flaschenhals dieses Ansatzes darstellt und hier mittels effizienter Messverfahren gezielt angegangen wird.