Autokäufer werden sich kaum ein Elektrofahrzeug anschaffen, wenn sie unsicher sind, ob es überhaupt ausreichend Ladesäulen und Wasserstofftankstellen gibt. Für die Markteinführung von batterieelektrischen Autos (Battery Electric Vehicles, BEV) oder Brennstoffzellenfahrzeugen (Fuel Cell Electric Vehicle, FCEV) heißt das: Ein Massenmarkt lässt sich nur erobern, wenn die nötige Infrastruktur vorhanden ist.
Derzeit arbeiten alle Akteure intensiv daran, die nötigen Gegebenheiten zu schaffen. In Deutschland gibt es heute geschätzte 4000 Ladesäulen für Elektrofahrzeuge sowie 15 Tankstellen für Wasserstoff (H2). Rund 150.000 öffentliche Ladesäulen sollen nach Ansicht der EU künftig den Strombedarf für BEV decken. Für Brennstoffzellenfahrzeuge sind bis 2015 in Deutschland 50 Wasserstofftankstellen in Ballungsräumen und entlang von Verbindungskorridoren geplant.
Der Infrastrukturausbau ist an der Zeit, denn mehr als zwei Dutzend batterieelektrischer und fremdladbarer Hybrid-Fahrzeuge zum Beispiel von Daimler, Ford, Mitsubishi, Opel, Peugeot, Renault oder Volvo sind bereits auf dem Markt. Nissan verkaufte weltweit zum Beispiel zwischen 2010 und Juni 2013 bereits 70.000 elektrische Nissan Leaf. Die Serienproduktion von Brennstoffzellenfahrzeugen haben Ford, Daimler, GM, Honda, Nissan, Renault und Toyota für die Zeit zwischen 2014 und 2018 angekündigt, BMW will bis 2020 nachziehen. Hyundai lieferte Anfang Juni 2013 die ersten 15 in Kleinserie gefertigten wasserstoffbetriebenen Autos ihrer ix35-Baureihe an die Stadt Kopenhagen aus.
Laden zuhause und unterwegs
Markus Hackmann von der P3 Group aus Aachen, die kürzlich Testfahrten mit batterieelektrischen Fahrzeugen durch Europa und USA durchführte, meint, der sehr umfangreich geplante Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur sei vor allem eine vertrauensbildende Maßnahme: „Wir wissen, dass 80 Prozent der Fahrer ihre E-Autos zu Hause laden. Wer diese Möglichkeit nicht hat, wird kein BEV-Kunde. Zusätzlich könnten wir reservierbare Premium-Parkplätze zum Laden anbieten. Dies hat sich in London und Amsterdam bewährt.“
Anschlüsse zuhause sowie viele Ladestationen liefern eine Leistung von 3,6 kW. Im öffentlichen Raum sind zunehmend auch Schnelllade-Lösungen mit 22 oder gar 50 kW verfügbar. „Damit die Elektromobilität in Deutschland Erfolg hat, brauchen wir eine Technologie, die die Autofahrer in ihrer Mobilität nicht einschränkt und ihnen zeitliche und räumliche Flexibilität beim Laden bietet“, erklärt Carsten Busch von ABB, das kürzlich die Schnelladestation Terra 53 mit 50 kW auf den Markt brachte, die den CCS-Standard (Combined-Charging System) unterstützt.
Das Schnellladesystem Chademo kommuniziert mit dem Batteriemanagementsystem des Autos und passt die Ladeparameter den Gegebenheiten des jeweiligen Akkus an. „Derzeit gibt es weltweit bereits 2930 dieser Ladestationen, 1832 davon in Japan, 815 in Europa und 283 in den USA“, sagt Hayato Akizuki von Nissan. „Die unterschiedlichen Schnellladesysteme werden eine Zeit lang nebeneinander existieren.“ Weil sich die Ladestecker unterscheiden gehen einige europäische Hersteller dazu über, Säulen mit mehreren Armen zu produzieren. ABB kündigte zum Beispiel an, Terra 53 zusätzlich mit Wechselstrom-(AC-)Laden mit Mode 3, Typ 2 und später auch mit einem Chademo-Anschluss auszurüsten.
Eine andere Zukunftsoption wäre das Laden ohne Kabel: Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE stellte jetzt den Prototypen eines induktiven, kabellosen Ladesystems mit 22 kW Leistung vor: Eine auf dem Parkplatz eingelassene Spule überträgt dabei den Strom auf eine zweite Spule im Fahrzeugboden. „Damit sich der Betrieb solcher Ladesysteme lohnt, muss die Zahl der verkauften BEV deutlich steigen“, erklärt Akizuki. „Der Ausbau der Schnelllade-Infrastruktur kann dieser Entwicklung gleichzeitig den nötigen Schwung verleihen.“
Standardisierung der Bezahlsysteme
Die Nutzerakzeptanz lässt sich auch durch eine weitere Standardisierung der Bezahlsysteme erhöhen: „Deutschlandweit gibt es weit mehr als 70 verschiedene Bezahlkarten für den Autostrom“, berichtet Frauke Goll, die bei E-mobil BW, der Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie Baden-Württemberg, im Rahmen des Spitzenclusters Elektromobilität Süd-West für die Themen IKT und Energie zuständig ist. Die Vereinheitlichung der Standards und ein möglichst barrierefreier Zugang über unterschiedliche Bezahlwege (EC-Karte, Smartphone) habe jetzt Priorität.
„Eine großflächige Markteinführung von Elektrofahrzeugen bedarf sowohl einer flächendeckenden Infrastruktur - Experten gehen von 400.000 Ladestationen allein in Deutschland aus - als auch deren grenzüberschreitender Vernetzung“, sagt Prof. Dr. Herbert Kohler, Leiter Konzernforschung & Nachhaltigkeit und Umweltbevollmächtigter bei Daimler. „Wir engagieren uns daher aktiv in den Schaufenstern Elektromobilität der Bundesregierung sowie beispielsweise in Projekten wie Crome (cross border mobility for EVs) in der deutsch-französischen Grenzregion. Zudem treiben wir als Joint Venture Partner des Unternehmens Hubject die europaweite Vernetzung von Ladeinfrastrukturen voran.“ Als Gemeinschaftsunternehmen von Bosch, BMW, Daimler, EnBW, RWE und Siemens offeriert Hubject einen betreiberübergreifenden Zugang zu Ladeinfrastrukturen (eRoaming) und versorgt Anbieter von Geodaten, zum Beispiel für Navigationssysteme, mit Informationen zu Standorten und Verfügbarkeit von Ladestationen, die zum Netzwerk gehören.
1000 Wasserstofftankstellen als Ziel
Aufgrund größerer Reichweiten und kurzer Betankungszeiten benötigen Brennstoffzellenfahrzeuge deutlich weniger Tankpunkte. Die Kosten dafür liegen mit rund einer Million Euro pro Wasserstofftankstelle jedoch deutlich über denen einer Stromtankstelle. Der Grund sind technisch anspruchsvolle Komponenten wie Druckspeicher, Kompressoren und Vorkühler. „Etwa 150 Wasserstoff-Tankstellen werden den ab 2017 geplanten Markthochlauf flankieren. Mit rund 1000 Stück hätten wir schließlich langfristig eine sehr gute Abdeckung in Deutschland erreicht“, erklärt Markus Bachmeier von Linde. Gemeinsam mit Daimler investiert das Unternehmen jetzt in den Bau von 20 Wasserstoff-Tankstellen und beliefert die Stationen anschließend mit dem benötigten Treibstoff.
Für Großbritannien erarbeitete die Initiative UK H2Mobility, ein Zusammenschluss aus Ministerien und Industrieunternehmen, eine ähnliche Strategie. Geplant sind zunächst 65 Wasserstofftankstellen, die die Zentren und die Hauptrouten dazwischen versorgen. Bis 2030 sollen 1150 Stück den landesweiten Bedarf abdecken. Das geht aus einer im Februar 2013 erschienenen Studie der Initiative hervor. Berechnungen zufolge werden die Stationen wahrscheinlich erst ab 2020 wirtschaftlich arbeiten, wenn geschätzt 10.000 FCEV jährlich verkauft würden. UK H 2-Mobility entwickelt daher jetzt Geschäftsmodelle, die einen kostendeckenden Betrieb bereits früher sicherstellen könnten.
Kalifornien, so berichtet Catherine Dunwoody, Geschäftsführerin der California Fuel Cell Partnership, plane 68 H2-Tankstellen für die im ersten Kommerzialisierungsschritt anvisierten bis zu 30.000 Brennstoffzellenfahrzeuge. Steige die FCEV-Anzahl, solle die Tankstellendichte im nächsten Schritt auf 100 erhöht werden.
Tetsufumi Ikeda von der Initiative HySUT in Japan sagt: „Beim Aufbau einer H2-Tankstelleninfrastruktur gilt es, zwischen Kundenwünschen und wirtschaftlicher Machbarkeit abzuwägen. Im Jahr 2025 sollen Schätzungen zufolge rund zwei Millionen Brennstoffzellenfahrzeuge in Japan fahren. Ab diesem Zeitpunkt könnten die geplanten rund 1000 Tankstellen wirtschaftlich arbeiten.“
„Wir verfolgen in Deutschland einen konzertierten Hochlauf durch die enge Zusammenarbeit von Industriepartnern aus der Fahrzeug- und Infrastrukturbranche. Dies schafft die notwendigen Voraussetzungen, um die avisierten Zielsetzungen zu erreichen und im internationalen Vergleich vorne dabei zu bleiben“, sagt Dr. Manuel Schaloske, bei E-Mobil BW zuständig für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. In allen Ländern halten die Experten eine öffentliche Förderung des Wasserstoff-Infrastrukturaufbaus für unabdingbar. In einer von E-Mobil BW veröffentlichten Studie schlägt das Fraunhofer ISE vor, diese Förderung an die Verwendung „grünen“ Wasserstoffs aus mit Ökostrom betriebener Elektrolyse zu koppeln.
Kostenreduktion bei Wasserstoff aus Elektrolyse
Für die Akzeptanz der Nutzer ist nicht nur die Nähe zu einer Wasserstofftankstelle, sondern auch der Preis des Treibstoffs wesentlich. ITM Power, Produzent von Systemen zur Herstellung und Speicherung „grünen“ Wasserstoffs aus Großbritannien, berichtete im Juli 2013 von deutlichen Kostenreduktionen bei der Herstellung von Wasserstoff aus Elektrolyse. Im Vergleich zum Vorjahr produziert die „ITM HFuel Electrolysis Platform“ das chemische Element durch eine erhöhte Effektivität und Kostenreduktionen beim Elektrolyseur inzwischen um über 30 Prozent günstiger als bisher. „Damit unterschreiten wir bereits heute das europäische Kostenziel für Wasserstoff von 5,50 Euro pro kg für 2025“, sagt ITM Power-Geschäftsführer Graham Cooley. „Das bedeutet eine wesentliche Reduktion der Kosten für Wasserstoff. H2 ist damit mehr als wettbewerbsfähig mit anderen, heute üblichen Treibstoffen. Zwei Dinge zu kombinieren, Wasserstoff ins Erdgasnetz einzuspeisen (Power-to-Gas) und das Element als Kraftstoff zu nutzen, lastet Elektrolyseure künftig noch besser aus und lässt die Treibstoffkosten weiter sinken.“
Internationale Zusammenarbeit und Standards
„Damit Elektromobilität grenzüberschreitend bequem möglich ist, sind internationale Normen und Standards essentiell“, erklärt Daimler-Forschungsleiter Professor Herbert Kohler. Beim Betankungsprozess von Brennstoffzellenfahrzeugen ist eine solche Standardisierung bereits recht weit gediehen. Dazu beigetragen hat zum Beispiel die Clean Energy Partnership (CEP) mit Mitgliedern aus der Automobilindustrie (BMW, Ford, Daimler, GM, Honda, Toyota, VW), der Energie- und Gaswirtschaft, Verkehrsbetrieben sowie aus der Politik. Um den Prozess weiter voranzutreiben kooperiert die CEP jetzt eng mit der in Nordeuropa aktiven Scandinavian Hydrogen Highway Partnership (SHHP).
„Da es in Europa eine überschaubare Anzahl von Unternehmen gibt, die Wasserstofftankstellen bauen, und die Hersteller sich auf Betankungsdrucke von 350 und 700 bar einigen konnten, sind die Voraussetzungen für eine Vereinheitlichung im Bereich der H2-Tankstellen grundsätzlich gegeben“, erklärt Dr. Schaloske. H2-Tankstellen sind jedoch noch immer Einzelprojekte, die unterschiedlichen Konzepten folgen. Dadurch sind die Kosten pro Tankstelle hoch und die Genehmigungsverfahren langwierig. Eine weitere Vereinheitlichung werde die Kosten reduzieren sowie die Zuverlässigkeit und Bedienerfreundlichkeit erhöhen.
In Zukunft wird es viele unterschiedliche Antriebssysteme nebeneinander und entsprechende „Multi-Fuel“-Tankstellen geben, sagen die Experten. Prof. Kohler meint: „Die Zukunft liegt definitiv in der Elektrifizierung des Antriebs. Wir sind davon überzeugt, dass es künftig nicht die eine Technologie als Königsweg zur nachhaltigen Mobilität geben wird, sondern maßgeschneiderte Lösungen für alle Mobilitätsanforderungen. Dementsprechend fährt Daimler dreispurig in die Zukunft und setzt auf einen intelligenten Mix aus Hybridantrieben, emissionsfreien Elektrofahrzeugen mit Batterie- oder Brennstoffzelle sowie innovativen Verbrennungsmotoren.“