Energiespeicherung wird üblicherweise mit Batterien und Akkus in Verbindung gebracht. Doch zunehmend erlangen auch Superkondensatoren Aufmerksamkeit. Sie können sehr schnell große Energiemengen speichern und ebenso schnell wieder abgeben. Bremst beispielsweise ein Zug bei der Einfahrt in den Bahnhof ab, speichern Superkondensatoren die Leistung und stellen sie wieder bereit, wenn der Zug beim Anfahren sehr schnell sehr viel Energie benötigt.
Ein Problem der Superkondensatoren war bislang jedoch ihre geringe Energiedichte. Während Lithium-Ionen-Akkus eine Energiedichte von bis zu 265 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) erreichen, liefern bisherige Superkondensatoren lediglich ein Zehntel davon.
Höchstleistungen mit nachhaltigem Material
Nun hat ein TU-München-Team um den Chemiker Roland Fischer ein neuartiges, leistungsfähiges und auch nachhaltiges Graphen-Hybridmaterial für Superkondensatoren entwickelt. Es dient als positive Elektrode im Energiespeicher. Die Forscher kombinierten es mit einer schon bewährten, auf Titan und Kohlenstoff basierenden negativen Elektrode.
Der neue Energiespeicher erzielt eine Energiedichte von bis zu 73 Wh/kg, was in etwa der Energiedichte eines Nickel-Metallhydrid-Akkus entspricht. Zudem liegt er mit einer Leistungsdichte von 16 kW/kg auch deutlich über den meisten anderen Superkondensatoren. Das Geheimnis der Neuentwicklung ist die Kombination verschiedener Materialien. Chemiker nennen den Superkondensator daher „asymmetrisch“.
Knochen und Zähne als Vorbild
Die Forscher setzten auf sogenannte Hybridmaterialien, um die Leistungsgrenzen gängiger Materialien zu überwinden. „Die Natur ist voll von hochkomplexen, evolutionär optimierten Hybridmaterialien“, sagt Fischer. „Knochen und Zähne sind ein Beispiel dafür, ihre mechanischen Eigenschaften wie Härte oder Elastizität hat die Natur durch Kombination verschiedener Materialien optimiert.“
Diese abstrakte Idee übertrugen die Forscher auf ihre Superkondensatoren. Sie verwendeten dabei als Grundlage der neuartigen positiven Elektrode chemisch verändertes Graphen und verbanden es mit einer nanostrukturierten metallorganischen Gerüstverbindung, einem sogenannten Metal Organic Framework (MOF).
Entscheidend für die Leistungsfähigkeit der Graphen-Hybride sind einerseits eine große spezifische Oberfläche und steuerbare Porengrößen, andererseits eine hohe elektrische Leitfähigkeit. „Die hohe Leistungsfähigkeit des Materials basiert auf der Kombination des mikroporösen MOFs mit der leitfähigen Graphen-Säure“, erklärt Erstautor Jayaramulu Kolleboyina, ehemaliger Gastwissenschaftler bei Fischer.
Weitaus höhere Lebensdauer als Lithium-Ionen-Akkus
Für gute Superkondensatoren ist eine große Oberfläche wichtig, dort kann sich eine entsprechend große Anzahl von Ladungsträgern innerhalb eines Materials ansammeln. Indem bei dem neuen Kondensator die Graphen-Säure chemisch mit den MOFs verknüpft wird, entstehen Hybrid-MOFs mit sehr großen inneren Oberflächen von bis zu 900 m2/g.
Doch das ist nicht der einzige Vorteil des neuen Materials. Um ein chemisch stabiles Hybrid zu erzeugen, braucht es starke Bindungen zwischen den Komponenten. Diese Bindungen seien dieselben wie die zwischen Aminosäuren in Proteinen, erklärt Fischer. „Tatsächlich haben wir die Graphen-Säure mit einem MOF-Amin verknüpft – dabei entsteht eine Art Peptid-Bindung.“
Die stabile Verbindung zwischen den nanostrukturierten Komponenten hat Vorteile für die Langzeitstabilität der Kondensatoren. Je stabiler eine Verknüpfung ist, umso mehr Lade- und Entladezyklen sind möglich, ohne wesentlich an Leistung einzubüßen. Zum Vergleich: Ein klassischer Lithium-Ionen-Akku hat eine Lebensdauer von circa 5.000 Zyklen, die neue Zelle der TUM-Forscher behält auch nach 10.000 Zyklen noch fast 90 Prozent ihrer Kapazität.
Internationale Zusammenarbeit entscheidend
Fischer betont, wie wichtig bei der Entwicklung des neuen Superkondensators die ungehinderte, internationale Zusammenarbeit war. Aufgebaut wurde das Team von Jayaramulu Kolleboyina, einem indischen Gastwissenschaftler, der von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung eingeladen wurde und inzwischen Leiter des Chemie-Departments am neu gegründeten Indian Institute of Technology in Jammu ist.
„Unser Team hat sich auch mit Experten der Elektrochemie und Batterieforschung in Barcelona und mit Graphen-Derivat-Fachleuten aus der Tschechischen Republik vernetzt“, berichtet Fischer. „Darüber hinaus sind noch Partner aus den USA und Australien eingebunden. Diese großartige internationale Zusammenarbeit lässt noch einiges erwarten.“