A&D:
Herr Wiedemann, was haben Sie Ihrer Tochter mit auf den Weg gegeben, als diese vor zwei Jahren in die Geschäftsführung eingestiegen ist?
Wolfgang Wiedemann:
Meine Frau und ich haben ihr alles mit gegeben, was wir für richtig hielten. Vor allem, dass es nicht um eine größtmögliche Gewinnmaximierung geht, sondern darum, ein sicherer und fairer Arbeitgeber zu sein.
Sonja Wiedemann:
Und das möchte ich auch leben. Das ist das, was ich am meisten mitbekommen habe. Ich ging zur Schule als mein Vater plötzlich zu Hause war und unsere Firma gründete. Damals habe ich gelernt, dass eine Firma fast schon ein Familienmitglied ist: Man muss sich genauso um sie kümmern und trägt viel Verantwortung für die Mitarbeiter.
Jetzt kommen durch Industrie 4.0 zwangsläufig immer weniger ungelernte Werker in die vernetzte Fabrik. Das wäre dann ein problematischer Punkt für STW?
Katharina Wiedemann:
Bei uns sehe ich diese Entwicklung nicht. In der Produktion stehen Maschinen, die stets komplexer werden, wodurch kontinuierlich mehr Fachwissen nötig ist. Also wird sich wohl der Spezialisierungsgrad in den verschiedenen Bereichen steigern. Aber ja, von der Fließbandarbeit geht es auf jeden Fall weg. Das Fachspezifische wird ja auch viel mehr im Betrieb selbst vermittelt. Tatsächlich brauchen wir sogar mehr Mitarbeiter.
Wolfgang Wiedemann:
Wir machen Produkte, damit man Industrie 4.0 machen kann. Dazu muss immer mindestens eine Komponente kommunikationsfähig sein, das wiederum muss per Software verwaltet werden. Deshalb wird die Komplexität unserer Produktion und unserer Produkte höher.
Ihr Kernmarkt liegt auf der mobilen Automation. Aber STW stößt immer mehr in andere Branchen vor.
Michael P. Schmitt:
Ja, einer unserer Schwerpunkt liegt in der Steuerung von Arbeitsfunktionen mobiler Maschinen. Darin haben wir über 25 Jahre Erfahrung. Und mit unseren Safety-Steuerungen stellen wir ein breites Lösungsportfolio bereit. Aber wir adressieren auch aktuelle Themen für mobile Bau-, Land- und Kommunalmaschinen mit Produkten aus der Leistungselektrifizierung und Vernetzung.
Sonja Wiedemann:
Aber unsere Lösungskompetenz geht über diesen Markt hinaus. Auf Basis unserer Technik und Plattformen realisieren wir auch kundenspezifische Lösungen für den Automobil- und Industriemarkt.
Sie haben mit Sensoren angefangen, sind jetzt aber viel breiter aufgestellt. Wie kam es dazu?
Katharina Wiedemann:
Als wir anfingen, mussten wir stark sondieren, wo unser Markt liegt. Von diesem kamen Strömungen, nach denen wir unser Portfolio erweiterten. Inzwischen machen wir das strategisch.
Michael P. Schmitt:
Im Kern unseres Geschäfts standen und stehen weiterhin Plattformen, auf deren Basis wir sowohl eigene Produkte als auch kundenspezifische Varianten entwickeln. Erst die systematische Nutzung der Plattformsynergien über alle Lösungsbereiche hinweg hat uns die Breite unseres Portfolios ermöglicht – allerdings wird der Anteil an Standardprodukten zunehmen.
Die Strategie von STW wird sich also ändern?
Sonja Wiedemann:
Ja, sie ändert sich gerade. Zum einen wird die Welt für unsere Kunden komplexer. Mit den Themen Maschinensicherheit, Vernetzung und Hybridisierung wird der Ruf nach einem Lösungslieferanten lauter. Und zum anderen kommen durch Michael Schmitt und mich natürlich frischer Wind und neue Ideen in die Firma. Es ist einfach eine Zeit des Umbruchs. Wir nutzen die Möglichkeiten und möchten uns noch stärker als Systemanbieter etablieren. Mit unserem Plattformansatz können wir wirkungsvoll individuelle Systemlösungen realisieren. Systemlösungen und Dienstleistungen, das bieten wir für unsere Kunden aus einer Hand an.
Michael P. Schmitt:
Zum Beispiel bieten wir Condition Monitoring - für mobile Arbeitsmaschinen ist das ein recht neues Thema. Gemeinsam mit unseren Partnern bieten wir Lösungen, um Maschinenzustände zu erfassen, zu verarbeiten und zu übermitteln. So wissen die Betreiber schon vorher, wann ihre Maschine gewartet werden muss. Das bringt natürlich eine große Kosteneinsparung für unsere Kunden.
Sonja Wiedemann:
Trotzdem sind wir ein Produktionsunternehmen, wir leben primär noch von der Herstellung von Komponenten. Jetzt liegt unser Augenmerk aber auch auf dem System: Unsere Produkte kann man so und so kombinieren, damit können wir skalierbare Lösungen anbieten – und dazu auch noch Serviceleistungen.
Was darf sich auf keinen Fall verändern?
Katharina Wiedemann:
Niemals darf der Gewinn über den Werten der Firma stehen. Also dass die Geschäftsführung beschließt, die Mitarbeiter müssen raus und wir produzieren irgendetwas, nur damit Geld reinkommt.
Michael P. Schmitt:
Sonja Wiedemann und ich haben bei unserem Einstieg in die Geschäftsführung die Vision formuliert, dass wir als unabhängiges Unternehmen unsere Mitarbeiter fördern und unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und Umwelt wahrnehmen. Unabhängigkeit ist für uns ganz wichtig, die haben wir und wollen wir auch fortführen.
STW wird diesen Sommer 30 Jahre alt. Wie feiern Sie dieses Jubiläum?
Katharina Wiedemann:
Groß! In erster Linie soll es ein Fest für unsere Mitarbeiter sein – mit Familie und Kindern. Natürlich sind auch Kunden und Lieferanten eingeladen; aber auch offizielle Teile wie Organisationen, mit denen wir zusammen gearbeitet haben. Für die ist der offizielle Teil am Vormittag gedacht. Nachmittags kommen die ganzen Familien der Mitarbeiter, es gibt ein Kinderprogramm und wir haben Zeit, über andere Dinge zu sprechen als die Firma. Das geht dann auch mal länger.
Bei so viel Nähe zu den Mitarbeitern wird es schwierig, Ihre Produktion woanders hin zu verlagern.
Sonja Wiedemann:
Das haben wir auch nicht vor. Wir bleiben in Kaufbeuren!