Industrial Software „Unsere Kunden schaffen Lösungen mit ­Alleinstellungsmerkmalen“

08.10.2014

Markus Sandhöfner, seit Anfang des Jahres Geschäftsführer von B&R Deutschland, hat in den USA erlebt, was Kundennähe bedeutet. Diese Erfahrung trägt er nun in das Unternehmen. Wie sich Vertrieb und Technik um dieses Thema drehen, verrät er in A&D.

A&D:

Seit Anfang des Jahres stehen Sie an der Spitze von B&R Deutschland. Worauf legen Sie Ihren Fokus?

Markus Sandhöfner:

Der Fokus liegt ganz klar auf der Kundennähe. Wir setzen auf Dezentralisierung von Entscheidungen, kompetente Mitarbeiter als Ansprechpartner und den weiteren Ausbau der Standorte in Deutschland. Und wir setzen auf fortschrittliche Automatisierungslösungen. Das ganze Team steht für ein Ziel: dass unsere Kunden, die Maschinenbauer, Lösungen schaffen, die Alleinstellungsmerkmale im Weltmarkt bieten.

Sie hatten zum Amtsantritt angekündigt, den Standort Deutschland zu stärken. Was bedeutet das im Einzelnen?

Neben der bereits erwähnten Dezentralisierung von Entscheidungen und mehr Standorten verstärken wir die Anstrengungen in Richtung Ausbildung. Nicht nur wir, auch unsere Kunden brauchen Nachwuchs, denn bald gehen mehr Ingenieure in Rente als ausgebildet werden. Die firmeninterne Ausbildung realisieren wir über das Engineering Camp, in dem wir junge Ingenieure mit Automatisierungskenntnissen im Maschinenbau ausstatten. Daneben setzen wir auf eine direkte Hochschulbetreuung, um für eine moderne Ausstattung und praxisnahe Ausbildungsinhalte zu sorgen. Des Weiteren arbeiten wir daran, die Endkundenbetreuung auszubauen. Die Maschinen- und Anlagenbauer werden teils mit Spezifikationen konfrontiert, die den Einsatz von Komponenten bestimmter Hersteller vorschreiben. Aus Sicht des Maschinenbauers sind diese aber nicht immer erste Wahl. Ein offener Dialog zwischen Endkunden, Maschinenbauern und uns als Automatisierungsanbieter bietet hohes Verbesserungspotenzial. So könnten in Zukunft einheitliche Standards anstelle von Herstellern vorgeschrieben werden. Der Erfolg dieses Ansatzes zeigt sich zum Beispiel am Standard PackML in der Verpackungsindustrie. Maschinen, die den Standard erfüllen, können – unabhängig von der Automatisierungsplattform – nahtlos in eine Linie integriert werden. Von diesem Ansatz profitieren alle Beteiligten.

Sie haben geholfen, die US-Tochter von B&R aufzubauen. Wie unterscheiden sich der amerikanische und der deutsche Markt?

In den USA sind die Entfernungen riesig. Hierzulande ist die Dichte der Maschinenbauer viel höher, das trägt zu einer besseren Vernetzung bei. Zusammen mit den Verbänden und dem Hochschulnetz schafft das hierzulande sehr gute Bedingungen. Was ich aus den USA mitnehmen konnte, ist die Marketing- und Vertriebsstärke der Amerikaner. Die Kunden gut zu kennen, mit Entscheidungsträgern eng bekannt zu sein und deren Vertrauen zu genießen, das spielt eine entscheidende Rolle. Es geht eben nicht nur darum gute Technik anzubieten, sondern auch den Kunden und seine Anforderungen zu verstehen und ihn zu überzeugen, dass man auf dieser Basis eine langjährige Partnerschaft etablieren kann.

Um aber doch bei der Technik zu bleiben: Welchen Ansprüchen müssen Automatisierungslösungen heute genügen?

Bei den Lösungen hat die Software einen höheren Stellenwert bekommen. Sie ist bei erfindungsreichen Anlagenbauern der wichtigste Bestandteil von Forschung und Entwicklung. Fragen, die wir schon seit Jahren mit unseren Kunde diskutieren, sind beispielsweise wie der Maschinen- und Anlagenbauer den Aufwand möglichst klein halten kann, um Funktionen in Software statt in Hardware abzubilden, aber auch wie er mit seinen Lösungen schnell auf den Markt kommen kann. Der Aufwand lässt sich minimieren, wenn einmal programmierter Applikationscode beliebig wiederverwendet werden kann – auch für Anlagen unterschiedlicher Größe. Wir verfolgen konsequent den Weg der Software-Modularisierung. Unsere Entwicklungsumgebung unterstützt eine gemeinsame Software-Bibliothek, aus der Lösungen für unterschiedliche Maschinen verwendet werden können. Aber auch die Erstellung von Schnittstellen für vor- und nachgelagerte Engineeringprozesse gehört dazu, so dass beispielsweise auch die Elektrokonstruktion und mechanische Konstruktion in den Engineeringprozess einbezogen werden können. Erinnert sei an dieser Stelle an das Thema Round-Trip-Engineering. B&R und Eplan haben hier gemeinsam eine Schnittstelle zwischen ECAD und Automatisierung geschaffen, um auf Knopfdruck eine Verbindung zwischen Elektroplanung und Softwareprogrammierung zu ermöglichen.

Wie schnell sind die Maschinenbauer denn bereit, sich auf solche Tools einzulassen und ihren Konstruktionsprozess entsprechend zu verändern?

Wir bringen fortschrittliche Hard- und Software-Lösungen in die Zusammenarbeit mit unseren Partnern im Maschinen- und Anlagenbau ein und verbinden diese mit dem Wissen des Maschinenbauers über die Mechanik, die Maschinen und die damit realisierten Prozesse. Damit erreichen wir, dass er mit uns zusammen neue Software-Module entwickeln und validieren kann. Außerdem unterstützen wir ihn dabei zu entscheiden, wie Maschinenbestandteile sinnvoll in Automatisierungsmodule zerlegt werden können. Das sind Dienstleistungen, die sehr gerne genutzt werden. Dementsprechend sehe ich bei unseren Partnern eine hohe Bereitschaft, sich in diese Richtung zu entwickeln.

Was sind die wichtigsten Entwicklungen im Portfolio von B&R?

Da kann vieles aus unserem Solution-Programm Scalability+ auch dem Begriff Industrie 4.0 zugeordnet werden. Dieses Thema wird von den Konsumenten getrieben, die zunehmend individualisierte Produkte fordern. Darauf reagiert die Fertigungsindustrie mit der Anpassung ihrer Anlagen und natürlich auch der Maschinenbauer mit seinen Automatisierungslösungen. Benötigt wird eine stärkere Vernetzung von immer mehr Teilnehmern, aber auch eine Flexibilisierung, die morgen Dinge ermöglicht, an die heute noch gar nicht gedacht wird. Das kann nur ein Automatisierungssystem mit offenen Schnittstellen gewährleisten. B&R beispielsweise setzt bei der Maschinensicherheit auf OpenSafety und in der Kommunikation auf das offene Ethernet-Echzeitnetzwerk Powerlink.

Das ist es aber nicht allein..?

Nein, gleichzeitig wird mehr dezentrale Intelligenz gefordert, denn die Maschinen haben mehr Antriebsachsen und müssen gleichzeitig flexibler werden, um sich auf die unterschiedlichsten Anforderungen einstellen zu können. Benötigt wird zudem eine Modularisierung, die beispielsweise eine Anpassung an unterschiedliche Produkte oder an lokale Anforderungen ermöglicht. Natürlich ist zudem die Vernetzung zu nennen, inklusive der Sammlung und Auswertung der anfallenden Daten. Nicht zuletzt ist auch ein intelligentes Bedienungskonzept gefordert. Wir als Anbieter von Automatisierungslösungen müssen den Maschinenbauer in die Lage versetzten, sich diesen Entwicklungen anzupassen.

Sehen Sie B&R als Wegbereiter für Industrie 4.0?

Ein Automatisierungshersteller allein kann kein Wegbereiter sein. Wir wollen aber unseren Kunden die beste Unterstützung geben, um Industrie 4.0 umzusetzen. Und was steht dahinter ? Flexibilisierung, Modularisierung und Vernetzung, mit Produktionsdatenaustausch und der Auswertung von Wartungsdaten. Darauf aufbauend können neue Dienstleistungskonzepte, wie die vorausschauende Wartung oder ein verbessertes Asset-Management angeboten werden, um Maschinen möglichst gut auszunutzen oder ein gutes Energiemanagement zu implementieren. Genau diese Prozesse sind es, die bei B&R seit Jahren die Weiterentwicklung unseres Portfolios prägen.

Sogar die Politik ist auf das Thema aufmerksam geworden...

Für uns ist es ein Glücksfall, dass die deutsche Bundesregierung Industrie 4.0 aufgreift und fördert. Denn dadurch werden den Punkten Digitalisierung, Vernetzung und Modularisierung in der Fertigung eine große Bühne gegeben. Auf der Hannover Messe hat sich in diesem Jahr wieder gezeigt, dass das Interesse des Marktes an Industrie 4.0 sehr groß ist. Es kamen wieder mehr Fachbesucher, die sich umschauten, welche Lösungen es gibt und wie sie sich für die Anforderungen der Zukunft rüsten können.

Was sagen sie zu der Behauptung, dass Industrie 4.0 in Deutschland sich deutlich langsamer entwickelt als in den USA, Großbritannien oder beispielsweise in Japan?

Wenn man sich den Maschinenbau anschaut, dann zeigt sich, dass deutsche Maschinen in der ganzen Welt stark nachgefragt werden. Dass der Export im Maschinen- und Anlagenbau über Jahre gesteigert werden konnte, kommt nicht von ungefähr. Deutsche Maschinen sorgen weltweit dafür, dass die Produktion effizient läuft – da ist der deutsche Maschinenbau international spitze. Die Individualisierung der Kundenbedürfnisse bietet ihm die Chance, diese Spitzenstellung künftig global weiter auszubauen.

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