Verfahrenstechnik Verbrennung ohne Flamme


Nur zum Vorheizen benötigt Flox eine Flamme. Bei 850 °C erlischt sie - doch die Oxidation läuft weiter.

21.02.2012

Industrielle Hochtemperaturprozesse verbrauchen viel Energie und entlassen gefährliche Schadstoffe in die Luft. Die Technologie der flammenlosen Oxidation, das Flox-Verfahren, mindert den Ausstoß von Stickoxiden um mehr als eine Zehnerpotenz und steigert den Wirkungsgrad von Beheizungen. 2011 wurde sie mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet.

Etabliert in der Stahlindustrie, Neuland in der Chemie

Ein gleichmäßiges Rauschen ist zu hören - wie das Brennen der Kochstelle eines Gasherds. Die Temperaturzeige klettert auf 850°C. Dann erlischt die Flamme im Ofen. Nur das orange-rote Glühen ist noch zu sehen. „Das war oft die größte Hürde“, sagt Joachim Georg Wünning, Geschäftsführer der WS Wärmeprozesstechnik aus Renningen bei Stuttgart. Er ist gut vertraut mit den ersten überraschten Reaktionen auf die flammenlose Oxidation. In den klassischen Oxidationsprozessen ist die Flamme gut sichtbar. Der Anwender kann mit dem bloßen Auge sehen, ob der Verbrennungsvorgang läuft oder nicht. „Auch wir benötigen eine Flamme für den ersten Schritt - das Aufheizen des Brennraums“, erklärt Wünning die Grundlage des Verfahrens. Sind rund 850°C im Brennraum erreicht, kann vom Flammenbetrieb auf das Flox-Verfahren (flammenlose Oxidation) umgeschaltet werden. „Wir feuern mit einer relativ hohen Geschwindigkeit von 100 m/s Brenngas und Verbrennungsluft in den geschlossenen Brennraum. Dadurch entsteht eine starke Strömung, die die Rezirkulation der Abgase in der Brennkammer und deren Vermischung mit der Verbrennungsluft auslöst. Durch die gleichzeitige Vermischung von Luft, Brenngas und Abgase kann sich keine Flammenfront mehr ausbilden. Beim Flox-Betrieb oxidiert der Brennstoff im gesamten Brennraumvolumen. Die extreme punktuelle Hitze in der Flamme, die für den hohen Ausstoß von Stickoxiden verantwortlich ist, weicht einer gleichmäßigen Ofentemperatur. „Fällt die Flamme weg, sinkt die Stickoxid-Emission - je nach Einsatzgebiet und verwendetem Material zwischen 50 und 90 Prozent“, berichtet Wünning. Wie denn die Temperatur ohne Flamme gehalten werden könne, wird von Produktionsverantwortlichen oft kritisch nachgefragt.

Etabliert in der Stahlindustrie, Neuland in der Chemie

Durch die Oxidation des Brennstoffs wird Wärme freigesetzt - mit oder ohne Flamme. Für die Energiezufuhr und die Wärmespeicherung ist es dabei unerheblich, ob klassisch mit Flamme oder im Flox-Verfahren aufgeheizt wird. Für den Energieverbrauch nicht. Brenner ohne Wärmerückgewinnung benötigen mehr Energie als moderne Heizanlagen. „Energie sparen ist ein reines Rechenexempel“, konstatiert der Unternehmer Wünning. „Investitionen müssen sich über einen bestimmten Zeitraum rechnen.“ Mit dem Flox-Verfahren sei es möglich, den Energieverbrauch zwischen 20 und 50 Prozent zu reduzieren.Wünning sieht für die Anwendung der flammenlosen Oxidation alle industriellen Bereiche, die mit Flamme arbeiten. Er weiß aber auch, dass der Einsatz genau geprüft werden muss. Zum einen ist der technische Umschaltvorgang vom Flammenbetrieb auf den Flox-Betrieb mit Kosten verbunden. Zum anderen erfordert die Überwachung des Verbrennungsprozesses eine neue Technik. Anstatt der herkömmlichen, einfach zu bedienenden UV-Messgeräte muss bei der flammenlosen Oxidation eine Berechnung der Nutzraumtemperatur stattfinden. Um alle Komponenten und Prozesse richtig aufeinander abzustimmen werden Computersimulationsmodelle von Strömung, Wärme- und Stoffübertragung eingesetzt (CFD - Computational Fluid Dynamics). Für Anwendungen im Niedertemperaturbereich bleibt die Flammentechnologie als einfach handhabbarer Prozess noch die günstigere Lösung. Für alle Hochtemperaturprozesse sieht Wünning Chancen. Wobei er sehr gut versteht, was das Ablösen und Restrukturieren von bewährten hochintegrierten Wärmeprozess-Systemen für Produktions-Verantwortliche bedeutet. In der Stahlindustrie hat sich das Flox-Verfahren durchgesetzt. Auch die chemische Industrie setzt die flammenlose Oxidation in speziellen Anlagen, beispielsweise zur Herstellung von Farbpigmenten, ein. Im Jahr 2006 wurde das Verfahren in einem Betrieb der Glasbranche eingeführt. An einer umgebauten Glaswanne sollte demonstriert werden, dass damit bei mindestens gleicher Produktqualität und Produktivität verbesserte Verbrauchs- und Emissionswerte erzielt werden können. Das Gaswärme-Institut unterstützte das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt mit Simulationen und ausführlichen Tests an der eigenen Hochtemperatur-Versuchsanlage. Danach wurden die konventionellen Brenner gegen Flox-Brenner ausgetauscht. Vor und nach den Umbauschritten dokumentierten detaillierte Messungen die Standfestigkeit der Brenner, den Energieverbrauch und den Schadstoffausstoß. Die anfänglichen Befürchtungen, dass sich die fehlende Flamme ungünstig auf den Produktionsprozess auswirken würde, bestätigten sich nicht. Der Energieverbrauch ging leicht zurück; der Stickoxid-Ausstoß halbierte sich.Für Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) zeigt die technische Entwicklung und Umsetzung des Flox-Verfahrens, dass Ökologie und Ökonomie vereinbar sind. „Durch den gleichmäßigen Prozess, verbunden mit der Abwärmenutzung, können Brennstoffe wirkungsvoll genutzt werden“, erläutert er bei der Verleihung von Europas höchstdotiertem Umweltpreis an die Erfinder des Flox-Verfahrens. „Durch die Minderung der Stickoxide, die für sauren Regen, Smog- und Ozonbildung mitverantwortlich sind, leistet das Verfahren einen wesentlichen Beitrag zur Luftreinhaltung“, begründet er die Entscheidung der DBU. Auch Joachim Wünning wünscht sich mehr Initiative aus der Industrie. Er weiß, dass der Weg der Analyse, Prüfung und Umsetzung immer ein gemeinsames Ringen um eine individuell angepasste Lösung ist - eine Wechselwirkung von Widrigkeiten und Chancen. Die Erfahrung aus den unterschiedlichen Projektarbeiten hat ihn eines gelehrt: „Jeden Anwendungsbereich muss man sich Stück für Stück erarbeiten.“

Verwandte Artikel