Zinnhaltige Schichten sind für verschiedenste elektronische Bauteile und Komponenten in der Elektroindustrie ebenso gefragt wie in der Sensorik oder Photovoltaik. Den Entstehungsprozess nanoskaliger Zinnschichten untersuchten Forschende des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Russland und Großbritannien.
Forscher enthüllen Wachstumsmechanismen von Zinnschichten auf Silizium-Nanostrukturen
Das Ausgangsmaterial für die beobachteten Wachstumsprozesse zinnhaltiger Dünnschichten bilden ultradünne Strukturen auf Silizium-Basis in Form von Nanodrähten mit einem Durchmesser von unter 100 nm. In experimentellen Studien konnten die Forschenden erstmalig einen spezifischen Verteilungseffekt des Zinns entlang dieser Silizium-Nanostrukturen zeigen: Über die gesamte Länge der Halbleiter-Nanodrähte bildeten sich mittels metallorganischer chemischer Gasphasenabscheidung bei einer Abscheidetemperatur von 600 °C zinnhaltige Schichten mit unterschiedlichen Oxidationsgraden.
„Indem wir verstehen, wie Zinnschichten wachsen und welche Faktoren diesen Wachstumsprozess beeinflussen, schaffen wir die Voraussetzungen, um Beschichtungsprozesse gezielt zu steuern. Damit können Oberflächen sehr präzise veredelt und an zuvor genau definierten Positionen mit gewünschten funktionellen Eigenschaften ausgestattet werden“, erklärt Dr. Vladimir Sivakov, Leiter der Arbeitsgruppe Silizium-Nanostrukturen am Leibniz-IPHT, der die Wachstumsmechanismen zusammen mit seinem Team erforschte und aufdeckte.
Anwendungen ultradünner Zinnschichten
Nanometerdünne Beschichtungen mit Zinn ermöglichen spezifische optische und elektrische Eigenschaften und erlauben, unter anderem die Erforschung und Entwicklung optischer und biophotonischer Verfahren weiter zu verbessern. In der oberflächenverstärkten Raman-Spektroskopie (Surface-enhanced Raman Scattering, SERS), mit der der molekulare Fingerabdruck biologischer Proben mithilfe SERS-aktiver Metallnanostrukturen bestimmt werden kann, können Zinnschichten als UV-SERS-aktive Oberflächen Verwendung finden.
Daneben ergeben sich Einsatzgebiete in Gassensoren, in denen Zinn als hochsensitive Schicht auf Gase reagiert. Auch Anwendungsszenarien in Hochleistungs-Lithium-Ionen-Batterien für die Elektromobilität und thermische Energiespeicherung sind denkbar, in denen mit Zinn beschichtete Anoden für eine hohe elektronische Leitfähigkeit sorgen.
Mechanismen und Wachstumsdynamiken zinnhaltiger Schichten
Die Wachstumsdynamik der beobachteten zinnbasierten Schichten an nanostrukturierten Oberflächen untersuchten die Forschenden mithilfe mikroskopischer und spektroskopischer Methoden. Dabei konnten sie feststellen, dass die Oberflächen der Halbleiter-Nanodrähte – im Gegensatz zu planaren und unstrukturierten Silizium-Oberflächen, auf der die Abscheidung homogen erfolgte – mit zinnhaltigen Kristallen unterschiedlicher Größe und Form über die gesamte Länge bedeckt war.
Die Menge und Verteilung des entstandenen metallischen Sn und seiner SnO- und SnO₂-Oxide kann durch die Länge, den Durchmesser, die Porosität sowie die Abstände der siliziumbasierten Halbleiter-Nanostrukturen erklärt und effektiv kontrolliert werden.
Neben diesen geometrischen Parametern konnten die Forschenden die Bildung von kohlenwasserstoffhaltigen Nebenprodukten als Reduktionsmittel für die Zinnoxid-Reduktion als weiteren Einflussfaktor für die Verteilung der gebildeten Zinnschichten entlang der Halbleiter-Nanostrukturen aufdecken. Auch die Wärmeleitfähigkeit der Silizium-Strukturen und damit die Temperaturverteilung entlang der Nanodrähte während der hochtemperierten Gasphasenabscheidung kann die Bildung unterschiedlicher Zinnoxidphasen beeinflussen.