Regenerative Prozesswärme Wärme von der Sonne

Bild: iStock, RapidEye
07.11.2017

Produzierende Unternehmen könnten große Mengen fossiler Energieträger einsparen. Dazu müssten sie ihre Wärmeversorgung auf regenerative Quellen umstellen. Doch bisher war die Planung dafür komplex und teuer. Ein Tool zeigt jetzt schnell auf, ob sich eine Umstellung lohnt.

Was haben die Bäckerei Ruetz Tiroler Backhaus, der Fenster- und Türbeschläge Hersteller Roto Frank Austria und der Dämmstoffhersteller Austrotherm gemeinsam? Diese drei Unternehmen könnten enorme Mengen Öl oder Gas einsparen, wenn sie eine Wärmeversorgung mit Wärmepumpe in Kombination mit einer Solarthermie-Anlage installieren würden. Der Wärmebedarf in produzierenden Unternehmen wird oft unterschätzt. Dreiviertel der in der Industrie verbrauchten End­energie ist Wärme, ein Drittel davon im Temperaturbereich unter 150 °C. Dieser Bedarf kann gut über Solarwärme gedeckt werden – vorausgesetzt es sind ausreichend, sonnige Flächen für die Kollektoren auf dem Industriegelände vorhanden.

Erneuerbare Wärmeversorgung bewerten

Mit dem Berechnungstool Enpro können Planer jetzt innerhalb weniger Stunden den Einsatz einer Wärmepumpe, einer Solarthermie-Anlage sowie einer Kombination der beiden Technologien bewerten, Integrationsmöglichkeiten gegenüberstellen und Energiegestehungskosten abschätzen. Allerdings sollte der Planer vorher klären, ob es ungenutzte Abwärme von beispielsweise Kühlungsanlagen oder Produktionsprozessen im Unternehmen gibt. Denn diese Quellen könnten eine Wärmepumpe auf die nötigen Prozesstemperaturen anheben.

Ein „entweder oder“ gibt es wie schon gesagt nicht: Eine Solarthermie-Anlage kann auch in Kombination mit einer Wärmepumpe technisch und wirtschaftlich sinnvoll sein. Die Solaranlage kann parallel zur Wärmepumpe an einen Speicher angeschlossen werden. Dieses Schema ist besonders dann geeignet, wenn entweder die Solarthermie-Fläche oder die Wärmepumpenleistung jeweils alleine zu klein ist, um den Bedarf zu decken. Eine serielle Verschaltung ergibt dagegen Sinn, wenn die Sonnenkollektoren die notwendigen Temperaturen nicht erreichen oder der Hub der Wärmepumpe gering sein soll, was die Effizienz verbessert.

Die Planung und Integration einer solchen regenerativen Wärmeversorgung ist in der Regel komplex und kostenintensiv. Für Industrieunternehmen ist das oft eine Hürde. Hier setzt das Projekt Enpro an. Ein Excel-basiertes Tool soll Unternehmer, Anlagenplaner und Komponentenhersteller in mehreren Schritten praxisnah zu einer Bewertung und Vorauslegung einer regenerativen Wärmeerzeugung führen. Für die Entwicklung des frei zugänglichen Tools waren drei Projektpartner verantwortlich: AEE - Institut für Nachhaltige Technologien (AEE Intec), AIT – Austrian Institute of Technology und das Institut für Energietechnik und Thermodynamik der TU Wien. Die Forschungsarbeiten wurden mit Mitteln des Klima- und Energiefonds finanziert.

Erste Abschätzung innerhalb weniger Stunden

Erstmals vorgestellt hat AEE Intec das Tool auf dem Symposium „Solarthermie und Wärmepumpen in der Industrie“ am 12. Juni 2017 in Wien. Referent und Geschäftsführer des Solarthermie-Industrieverbandes Austria Solar, Roger Hackstock, sagte dort: „Das Tool ist sehr gut geeignet für einen Quick Check für erneuerbare Wärme, den Energieberater oder Anlagenplaner den Industriebetrieben anbieten könnten.

Es ist viel Praxiswissen der Projektpartner eingeflossen.“ Das Interesse an dem Thema war so groß, dass nach 150 Anmeldungen einigen Teilnehmern abgesagt werden musste. Die Nutzung von Enpro ist auch für Nicht-Fachleute möglich. Das war den Entwicklern des Tools wichtig. Das Excel-Programm führt zu einer groben Erstschätzung – keiner Detailsimulation. Zum Start sind nur wenige Daten erforderlich: nutzbare Dachfläche, Abwärmequellen, Standort und derzeitige Energiepreise. Dann folgt ein Entscheidungsbaum, der über drei Ebenen mit einfachen ja/nein Fragen zu einem von sechs vorausgewählten und für Enpro entwickelten Inte­grationsschemata führt.

Basierend auf den Eingaben zur bestehenden Versorgungsstruktur und den Energieverbrauchern im Produktionsprozess ermittelt das Tool zunächst Optimierungsvorschläge. Diese dienen dazu, die Effizienz des Produktionsprozesses oder des Energieversorgungssystems zu steigern. Dann werden Wärmequellen und Wärmesenken nach Temperaturniveau und zeitlicher Übereinstimmung identifiziert. Erst im letzten Schritt vergleicht der Nutzer die verschiedenen regenerativen Wärmeversorgungssysteme. Kriterien sind hier Wirkungsgrade, Amortisationszeit und Energiegestehungskosten. Bei jedem Schritt unterstützt ein Online-Handbuch den Nutzer.

Erste Anwendungen

Die Projektpartner haben das Tool in 12 österreichischen Produktionsbetrieben aus fünf Branchen angewendet, darunter die eingangs erwähnten Unternehmen aus der Metallverarbeitung, der Dämmstoffherstellung und der Nahrungsmittelindustrie. Exemplarisch präsentierte Jürgen Fluch, Projektverantwortlicher bei AEE Intec, die Ergebnisse für Roto Frank Austria bei dem Wiener Symposium. Am Produktionsstandort der Firma in Kalsdorf bei Graz durchlaufen Fenster- und Türbeschläge entweder eine Gestell- oder eine Trommelgalvanik. „Die Ergebnisse zeigen neben enormen Effizienzpotenzialen beim Prozesswärmebedarf, auch technisch und wirtschaftlich sinnvolle Integrationsmöglichkeiten sowohl für die monovalente als auch die kombinierte Integration von Wärmepumpe und Solarthermie “, berichtete Fluch.

Als Wärmequelle für die Wärmepumpe empfahlen die Wissenschaftler von AEE Intec, die Kondensatorabwärme der bestehenden Kälteanlage zu nutzen. Sie verglichen zwei Inte­grationsmöglichkeiten: Die Wärmequelle kann monovalent die Galvanikbäder auf Temperatur halten, während die konventionelle Energieversorgung die Bäder aufheizt. Bei einem Parallel-Betrieb deckt die Solarwärme die Spitzenlast ab, während die Wärmepumpe die Grundlast deckt.

Beide Varianten sind sowohl technisch als auch wirtschaftlich sinnvoll und werden in Folge in ein Gesamt-Energie-Konzept in Verbindung mit einer innovativen Trenntechnologie, der sogenannten Membran-Destillation, integriert. „Für uns waren die Analysen zur Nutzung regenerativer Wärme in unserer Produktion sehr interessant. Wir wollen die Umsetzung in den nächsten Jahren angehen,“ sagt Christian Lazarevic, Produktionsleiter bei Roto Frank.

Das Enpro-Tool kann kostenfrei von der Webseite von AEE Intec geladen werden. Es ist ein Excel file mit Macros (xlsm) und läuft mit gängigen Office-Varianten. Neben dem Bewertungs-Tool und dem dazugehörigen Handbuch wird es auch einen Leitfaden für Interessierte an der kombinierten Nutzung von Wärmepumpe und Solarthermie geben. Zielgruppe dafür sind Energieberater, Industriebetriebe sowie Technologieanbieter und Anlagenbauer. Der Leitfaden enthält ausgewählte Ergebnisse der Fallstudien sowie eine detaillierte Dokumentation der Integrationskonzepte.

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