Anlagenbau & Betrieb „Warum muss 3D immer kompliziert sein?“

22.05.2013

Anlagenplanung soll einfach, integriert und schnell sein. Und die Projekte werden immer größer. Das stellt auch die Anbieter von Planungssoftware vor Herausforderungen. Helmut Schuller, Leiter der Region Zentral-EMEA bei Aveva, erklärt, wie seine neue Software Planer und Bauer bei den Mammut-Aufgaben unterstützen soll.

Herr Schuller, mit Aveva Everything 3D ist Ihre neue Anlagenplanungssoftware auf dem Markt. Was unterscheidet sie vom bisherigen Produkt PDMS?

Das Ziel von E3D lautet Plant Design for Lean Construction. Im Anlagenbau ist bisher der Begriff EPC ein geflügeltes Wort: Engineering, Procurement und Construction. Darin nicht enthalten ist die Fertigung - als würde sie gar nicht existieren! Was wir im Schiffbau seit Jahren gut gelernt haben, möchten wir jetzt dem Anlagenbau zugute kommen lassen: E3D bringt die Baustelle näher as Engineering heran. Im Schiffbau ist die Logistik sehr stark vom Standort bestimmt: Wer ein Dock hat, möchte dieses maximal ausnutzen - die Bauzeit also möglichst kurz halten. Lean Construction ist nichts anderes, wir überlegen: Wie können wir die Unikate an gebauten Industrieanlagen effizienter und schneller fertigstellen? Das geht nur mit der Einbindung der Fertigung. Mit E3D kann der Kunde Daten aus verschiedenen Quellen einbinden, gleichzeitig aber auch einen Rückfluss von der Montage zulassen. Auf der Baustelle wird Laser-Scanning der as-built- mit dem as-designed-Zustand verglichen. So stimmen beide Zustände exakt überein.

Überschneiden sich Planung und Bau nicht bereits ohnehin?

In der Tat - die Montageabteilungen sind heute schon lange auf der Baustelle unterwegs, wenn das Design noch gar nicht fertig ist. Auf einer Dechema-Veranstaltung wurde kürzlich postuliert, man wolle die Zeit bis zur Inbetriebnahme halbieren. Dafür muss man anfangen zu bauen, bevor die Planung fertig ist.

Wie verbreitet ist das Laser-Scanning im Anlagenbau inzwischen?

Es gibt Betreiberstandorte, die komplett vermessen sind. Ein Laser-Scan ist heute in wenigen Minuten erledigt. Und für den Chemieanlagenbau gibt es mittlerweile ex-geschützte Geräte.

Ein weiterer Trend sind immer größere Mega-Anlagen. Spiegelt sich das softwareseitig wider?

Es stimmt, auch wir stellen im Dialog mit unseren Kunden fest: Die Anzahl der Aufträge hat sich reduziert, aber dafür ist das Volumen pro Auftrag deutlich gewachsen. Komponenten werden damit größer und schwerer. Für unsere Software spielt das aber keine Rolle, bei E3D nicht und auch bei PDMS nicht. Die Architektur ist so ausgelegt, dass sowohl die Skalierbarkeit als auch das auf verschiedene Standorte verteilte Arbeiten kein Problem mehr ist. Bei Großprojekten kenne ich heutzutage kein einziges mehr, wo die gesamte Ingenieurkapazität an einem einzigen Standort gebunden ist. Die Notwendigkeit, die Baustelle einzufangen und die Schnittstellen zu verringern, ist übrigens auch durch die Verteilung der Aufgaben bei der Auftragsvergabe bedingt: Einer macht nur das Engineering, einer das Procurement, und so weiter. Schnittstellenreduzierung bringt da auch Zeitreduzierung mit sich.

Hat sich durch aktuelle Entwicklungen auch das Bedienkonzept verändert?

Meine Generation hat noch mit Rechenschiebern gearbeitet! Direkt im Programm-Code zu schreiben, war nichts ungewöhnliches. Heute möchte man das Werkzeug einfach nutzen, man arbeitet visueller. Unsere Anwender sind Digital Natives: Leute, die mit Smartphones und iPads großwerden. Da überlegt man nicht großartig, was hinter der Oberfläche läuft. Man kann natürlich immer noch eigene Programmteile schreiben. Aber die Herausforderung ist, die Software für den ungeübten Benutzer bedienbar zu machen. Bei unserem Produkt haben wir uns die Frage gestellt: Warum muss 3D immer kompliziert sein? So soll Anlagenplanung spielerischer und intuitiver werden.

Sind die Schnittstellen für unterschiedliche Anwender anders?

Wir fragen eher: Wie kann man die Benutzung optimieren? Es gibt ja wiederkehrende Abläufe, die ein Anwender jeden Tag ein Dutzend mal macht. Solche Abläufe haben wir vereinfacht.

Da wir aktuelle Entwicklungen bei der Interaktion angesprochen haben: Was halten Sie von 3D-Visualisierung?

Die 3D-Brille hat für mich einen großen Nachteil: Der Augenkontakt geht verloren. Wir setzen eher auf die Bedienbarkeit, wie man sie von Tablets kennt: Da kann man mit Gesten über den Bildschirm interagieren. Früher hat man auch am Reißbrett gestanden - zusammen, im Team. So können Arbeitsplätze wieder aussehen. Software per Finger zu bedienen ist die intuitivste und teamfähigste Form der Zusammenarbeit. Sobald Tastatur und Maus im Spiel sind, ist die Bedienung auf eine Person reduziert.

Bieten Sie verschiedene Versionen und Module je Branche?

Das wird in erster Linie über die Anforderungen der jeweiligen Industrie definiert. Der Chemieanlagenbau hat ein eigenes Kennzeichnungssystem, eigene Bauteile, Werkstoffe und Rohrklassen. Über diese Anforderungen unterscheiden wir. Denn wichtiger als die eigentliche Funktionalität der Bauteile ist für das Engineering die Frage: Was steckt datentechnisch dahinter? Optisch kann das ganz identisch sein, aber bei der Beschreibung der Objekte gibt es riesige Unterschiede. Also bieten wir ein System an, das für alle Bereiche eingesetzt wird.

Und wie kompliziert ist der Übergang von PDMS zu E3D?

Man kann mit PDMS und E3D gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Jedes Projekt ist Upgrade-fähig, solange man nur PDMS-Funktionen nutzt. Erst wenn neue Module aus E3D genutzt werden, kann man sie nicht mehr abwärtskompatibel verarbeiten. Jeder PDMS-Kunde mit 12.1-Version kann E3D nutzen. Mit der Migration der Kunden werden wir daher schnell vorankommen. Jeder kann es ganz locker und ohne Risiko ausprobieren. Es gibt kein Migrationsrisiko.

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