Fachbeitrag Windpotenzial über dem Wald

11.12.2012

Ohne zuverlässige Windmessungen und Simulationen ist eine Ertragsprognose für Windenergieanlagen in topologisch anspruchsvollen Terrains kaum möglich. Speziell über Waldflächen sind Messungen in über 100 Metern nötig. Doch welche Technologien sind dafür am besten geeignet und wie verhält sich der Nutzen zu Aufwand und Kosten?

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Nur durch das Einbeziehen von Waldflächen für die Windenergieerzeugung werden sich in den meisten Bundesländern die energiepolitischen Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren erreichen lassen. So geht zum Beispiel die NRW-Landesregierung davon aus, dass ohne Windkraftanlagen in Waldgebieten der derzeitige Windstromanteil von drei Prozent nicht wie geplant auf 15 Prozent ausgebaut werden kann. Für belastbare Ertragsvorhersagen in Waldgebieten sind Mess- und Simulationsverfahren notwendig, die komplexe Windschichtungen berücksichtigen, wie sie durch Bäume und unebenes Gelände verursacht werden.

Windmastmessungen vorgeschrieben

Liegen keine verwertbaren Daten aus der unmittelbaren Umgebung der geplanten Anlage vor, sind in der Regel Windmessungen zur Potenzialanalyse notwendig. Nur so lassen sich zuverlässige Aussagen über die Wirtschaftlichkeit eines geplanten Standorts treffen. Wie diese Messungen zu erfolgen haben, legt die FGW-Richtlinie der Fördergesellschaft für Windenergie und andere erneuerbare Energien fest. Demnach sind Windmessungen mit einem Windmast vorgeschrieben, um ein Projekt zu beurteilen und genehmigen zu lassen. Die FGW-Richtlinie empfiehlt, dass der Mast mindestens zwei Drittel so hoch ist wie die Nabenhöhe der geplanten Windenergieanlage. Da diese bei Anlagen der neuesten Generation 140 Meter und mehr beträgt, sollte der Windmast mindestens 100 Meter hoch sein. Höhere Windmasten werden aktuell kaum eingesetzt, um Kosten zum Errichten zu begrenzen.

Lidar- statt Sodar-Messungen

Zum Ermitteln der Windgeschwindigkeiten in Höhen oberhalb der Windmast-Messung kommen zwei Verfahren in Frage: Sodar- und Lidar-Messungen. Die Sodar-Messung ist ein mobiles akustisches Verfahren, mit dem Windrichtung und Windgeschwindigkeit mittels Schallimpuls gemessen werden. Allerdings wird dieses Verfahren nur im Freiland eingesetzt, da in Waldgebieten die Bäume den Messschall und die Schallreflexion abschirmen. Zudem verringert sich die Zuverlässigkeit der Messtechnik oberhalb 100 Meter, da die reflektierten Wellen zu stark zerstreut werden.

TÜV Süd beispielsweise setzt deshalb unter anderem auf Lidar-Messungen, wobei Lidar für "Light detection and ranging" steht. Die laseroptische Methode arbeitet ähnlich wie ein Radar, jedoch werden statt Funkwellen Laserstrahlen verwendet. Vom Boden aus können Windrichtung und Windgeschwindigkeit bis zu Höhen von 200 Metern ermittelt werden. Kombiniert man die Windmessungen mittels Lidar mit denen der Windmessmasten, kann so das Windprofil von über 100 Metern bis über den Rotordurchmesser hinaus vervollständigt werden.

Forscher der Universität Stuttgart arbeiten zusammen mit Wissenschaftlern des National Renewable Energy Laboratory (NREL) daran, Lidar-Messungen auch zum Optimieren laufender Anlagen zu nutzen. Wenn bereits vor dem Eintreffen des Windfelds dessen Parameter bekannt sind, können durch frühzeitige Steuerungsmaßnahmen die windinduzierten Lasten verringert und gleichzeitig die Energieausbeute erhöht werden. Die Forschungsergebnisse sollen dazu beitragen, Windkraftanlagen künftig leichter zu dimensionieren und zu bauen, um Material und Kosten zu sparen.

Komplexe Topografie erfordert 3D-Simulationen

Sollen Windpotenziale und Windprofile ermittelt werden, kommen zwei Rechenmodelle in Frage: Wasp für die 2D-Analyse und Windsim für die 3D-Analyse. Welches Verfahren eingesetzt werden sollte, hängt von der Steilheit und Komplexität des Geländes ab. Ein Maß dafür ist der sogenannte Rix-Wert (Ruggedness Index). Im Flachland mit niedrigen Rix-Werten kann das Windprofil durchaus mit der kostengünstigeren 2D-Modellierung berechnet werden. Doch je steiler und komplexer das Gelände wird, umso größer ist die Ungenauigkeit der 2D-Simulation.

Ab einem Rix-Wert von 10, typisch für Standorte in Mittelgebirgslagen, liefert nur eine 3D-Modellierung Ergebnisse mit hinreichend hoher Genauigkeit. Die höheren Kosten sollten in diesem Fall in Kauf genommen werden, um eine verlässliche Basis für die finanziellen Kalkulationen des Projektes zu bekommen.

Abstand vom Waldrand ist entscheidend

Welches Simulationsmodell die besten Ergebnisse liefert, hängt auch vom Abstand der geplanten Windenergieanlage vom Waldrand ab. Bei geringer Durchdringungstiefe in der Nähe des Waldrandes beeinflussen die Bäume das Windprofil nur unwesentlich. Um Kosten zu sparen, wird hier in der Regel die günstigere 2D-Simulation eingesetzt. Die Auswirkungen des Baum-bestands können ausgeglichen werden, indem für die Simulation eine "virtuell" reduzierte Nabenhöhe verwendet wird. Allerdings hat dieses Verfahren seine Grenzen. Spätestens bei Standorten, die mehr als einen Kilometer vom Waldrand entfernt sind, werden die Ergebnisse zu ungenau. Dann sollte das 3D-Simulationsverfahren zum Einsatz kommen, das in der Lage ist, genauere Ergebnisse zu liefern.

Die Frage für künftige Betreiber einer Windanlage im Wald ist also, welche Analysemethode hinreichend genaue Ergebnisse zu vertretbaren Kosten liefert. Eine exakte Kategorisierung der Rix-Werte und der Durchdringungstiefe des untersuchten Areals ist deshalb von entscheidender Bedeutung. Ebenfalls berücksichtigt werden sollte, wie häufig der Wind aus welcher Richtung weht. So kann zum Beispiel der Einfluss des Baumbestands bei Winden aus südlicher Richtung gering sein, während die Baumkronen bei Winden aus nördlicher bis westlicher Richtung einen erheblichen Einfluss auf das Windpotenzial haben.

Über den Wipfeln wird es turbulent

In Waldgebieten kommt es verglichen mit dem offenen Flachland verstärkt zu Turbulenzen, die bis zur dreifachen Baumhöhe in 90 bis 100 Metern auftreten können. Ausgehend von einer Nabenhöhe von 140 Metern und einem Rotordurchmesser von 100 Metern reichen diese somit bis an die Rotorblätter heran. Dies kann sich auf die Standsicherheit der Anlage auswirken, da Turbulenzen die Struktur schwächen und das Material ermüden können.

Sind mehrere Anlagen innerhalb eines Areals geplant, muss berücksichtigt werden, dass diese selbst ebenfalls Turbulenzen auf der Leeseite, der windabgewandten Seite, erzeugen. Strömt der Wind durch die Rotorblätter, erhält er einen zusätzlichen Drehimpuls. Wird der Abstand zur nächsten Anlage in Lee zu niedrig gewählt, können diese durch Windverwirbelungen beeinträchtigt werden. Da Baumkronen die Turbulenzen zudem verstärken, müssen im Wald größere Abstände zwischen den Anlagen eingeplant werden als im offenen Flachland. Hier sollte ein Turbulenzgutachten klären, ob die zu erwartenden Turbulenzen planungs- und anlagenkritisch sind.

Immissionsschutz vorgeschrieben

Potenzial- und Wirtschaftlichkeitsanalysen sind nicht die einzigen Kriterien bei der Planung einer Windanlage in Waldgebieten. Für die Genehmigung ist auch eine Analyse der Schallimmissionen sowie des Schatten- und Eiswurfs notwendig. Während Schall und Schattenwurf im Wald aufgrund der größeren Abstände zu Wohngebieten eine eher untergeordnete Rolle spielen, ist zu prüfen, ob Personen auf nahegelegenen Wegen oder Straßen durch Eiswurf gefährdet werden könnten. Außerdem vermindert Eisbildung den Ertrag der Anlage. Um Eisbildung zu verhindern oder den Abtauvorgang zu beschleunigen, können Windkraftanlagen mit einer Abtauvorrichtung ausgerüstet werden. Verursacht Eisbildung eine Unwucht am Rotor, wird dieser abgeschaltet, um die Belastung der Anlage zu minimieren und Eiswurf zu verhindern.

Öffentlichkeit frühzeitig einbeziehen

Die Regelungen, welche Gebiete zum Erzeugen von Windenergie genutzt werden können, unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Hier sind Einzelprüfungen vorzunehmen, die auch die am Standort vorhandene Flora und Fauna berücksichtigen. Sind sowohl die wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Voraussetzung für den Bau einer Windenergieanlage erfüllt, sollten Planer auch die gesellschaftliche Akzeptanz berücksichtigen. Um potenzielle heterogene Interessenlagen bereits im Vorfeld zu klären, ist es hilfreich, regionale Partner einzubinden und die Öffentlichkeit frühzeitig einzubeziehen.

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