Corporate News Zeit für durchgeknallte Ideen

14.10.2013

Seit fast 14 Jahren leitet Richard Bayer die Geschicke eines geradezu historischen Unternehmens. Inzwischen nimmt er sich aber die Zeit, durchgeknallte Ideen auszubrüten.

Ein Unternehmen der Elektronik-Industrie, das mehr als 100 Jahre alt ist, hat durchaus Seltenheitswert. Auf Zettler Electronics trifft das aber durchaus zu: Denn die Anfänge des Unternehmens reichen bis in das Jahr 1877, als Namensgeber Alois Zettler das Unternehmen gründete, um beispielsweise Staubsauger, Heizkörper und Rufanlagen für Krankenhäuser herzustellen. Später kamen noch Anrufbeantworter und Brandmeldesysteme hinzu. Mit all diesen Produkten hat das heutige Unternehmen seit dem Verkauf der Zettler-Gruppe im Jahr 1994 nichts mehr zu tun. Geblieben ist aber eine Konstante: Relais. Das Produkt, mit dem das Unternehmen heute etwa zwei Drittel seines Umsatzes macht, spielte früher nur eine geringe Rolle. „Relais waren nur ein Beiwerk, um die anderen Bereiche, in den man die Relais verbaut hat, zu stützen“, erklärt Richard Bayer, einer von zwei Geschäftsführern bei Zettler Electronics. Auch vor 1994 hatte sich schon einiges im Unternehmen geändert. So wurde 1992 die Relaisproduktion von München nach Polen verlagert. Das hatte zum einen Kostengründe, aber es hatte auch noch einen anderen Aspekt. „Mitten in München Relais zu produzieren mit eigener Galvanik war nicht so sinnvoll“, erläutert Richard Bayer die Hintergründe. Seitdem fertig Relpol die Relais für Zettler. „Das Unternehmen sitzt 20 Kilometer hinter der Grenze, ist also sehr schnell zu erreichen. Und seit 1992 arbeiten wir sehr partnerschaftlich zusammen“, so Richard Bayer. „Relpol hat mittlerweile mit uns zusammen viele Relais entwickelt und auch der Automatisierungsgrad hat immer weiter zugenommen.“

Mit Management Buyout zum Erfolg

Beim Verkauf 1994 entschloss sich der damalige Vertriebsleiter Wolfgang Renardy, durch einen Management-Buyout die Relaissparte zu übernehmen. Mit zehn Mitarbeitern gründete er den Firmenstandort in Puchheim bei München, wo auch heute noch die Zentrale des Unternehmens sitzt. „Die Firma hieß damals allerdings noch Rykom, weil der Name Zettler nicht verwendet werden durfte - er stand auf zu vielen anderen Produkten“, erklärt Richard Bayer. Mehr Glück hatten die amerikanischen Kollegen, die sich als American Zettler ebenfalls per Management Buyout selbstständig machten - in den USA bestand das Zettler-Geschäft zum damaligen Zeitpunkt fast ausschließlich aus Relais. Inzwischen ist das Unternehmen in der ganzen Welt verbreitet: Vier Firmen sitzen in den USA, in China gibt es sieben Joint-Ventures und neben der europäischen Zentrale gibt es noch Büros in Polen und den Niederlanden. „Von den etwa 1.000 Mitarbeitern sind die meisten in der Produktion in China tätig“, erläutert Richard Bayer. In Europa sind es gerade mal etwa 30 Menschen, die für Zettler arbeiten. Allerdings gibt es hier inzwischen einen weiteren Fertigungsstandort: In Teltow bei Berlin fertigt EBK ebenfalls Relais für Zettler.

Ein Leben für Relais

Richard Bayer selber ist auch schon seit fast 14 Jahren im Unternehmen. Nach dem Elektronik-Studium ist er in Berlin hängengeblieben. Sein Arbeitsleben hat er voll und ganz den Relais gewidmet. Nach verschiedenen beruflichen Stationen als Entwickler, Produktmanager und Vertriebsleiter (unter anderem bei Siemens) wechselte er 1999 als Geschäftsführer Relais zu Zettler. Seine erste Aufgabe bestand darin, ein europaweites Vertriebsnetz aufzubauen. „Das war natürlich eine spannende Aufgabe, aber auch nicht so ganz einfach“, erinnert er sich. Nach dem erfolgreichen Aufbau ging er für die nächsten zehn Jahre nach Puchheim - um allerdings jedes Wochenende zu seiner Familie nach Berlin zu pendeln.Damit ist inzwischen Schluss. Mit dem Einstieg von Stefan Schlosser als Geschäftsführer ins Unternehmen hat sich Richard Bayer nach Berlin zurückgezogen - was aber nicht heißt, dass er dort weniger aktiv ist. „Ich habe mich zurückgezogen, um nur noch die Spinnereien zu machen“, sagt er lachend. Im Klartext: Richard Bayer kümmert sich um Entwicklung, Technik und Key Accounts. Das hat er zwar vorher auch schon getan, allerdings fällt das operative Geschäft als Geschäftsführer für ihn weg - und das bringt aus seiner Sicht große Vorteile: „Ich habe jetzt die Zeit und auch die Ruhe, mir neue Produkte einfallen zu lassen. Ich kann jede Idee gleich aufgreifen, konsequent verfolgen und damit auch sehr schnell umsetzen“, beschreibt er seine Arbeitsweise. „Wenn Sie ein Unternehmen operativ leiten, geht das nicht. Da werden Sie immer herausgerissen.“

Kontakt zu Kunden und Fertigung

Das heißt aber nicht, dass er keinen Kundenkontakt mehr hat, ganz im Gegenteil. „Die wichtigen Kunden betreue ich mit, bei den Key Accounts bin ich dabei“, erklärt er. „Das gilt vor allem auch für neue Projekte. Da bin ich ständig mit den Kunden in Kontakt, gehe in die Entwicklungen, entwerfe Pflichtenhefte und Spezifikationen.“ Den direkten Kontakt zu Zettlers Fertigern hält er natürlich auch - nicht zuletzt aufgrund der räumlichen Nähe von Berlin aus. In der Zentrale in Puchheim sieht man Richard Bayer daher auch nur noch ein oder zwei Mal im Monat. Allerdings pflegt er diesen Kontakt über andere Kanäle, da in Puchheim das aus drei Mitarbeitern bestehende Technik-Team sitzt, das Richard Bayers Ideen „ausbaden“ muss. „In Puchheim ist das Labor, da werden viele Versuche gefahren. Und wenn ich wieder so eine durchgeknallte Idee habe, telefonieren wir, und dann wird da unten getestet mit Erwärmungsprüfungen, Hochspannungsprüfungen usw.“, beschreibt er die Vorgehensweise. Neue Ideen sind auch immer wieder notwendig. Richard Bayer beurteilt den Elektronikmarkt zwar als ziemlich stabil, räumt aber ein, dass im laufenden Jahr durchaus Umsatzrückgänge im einstelligen Bereich zu verzeichnen sind. „Es wird ein bisschen weniger als letztes Jahr, aber das Problem haben alle“, erklärt er.

Gewinner im Solarmarkt

Dabei ist ein Markt, der für manch anderen Hersteller ein echtes Problem geworden ist, für Zettler nach wie vor ein Erfolgsgarant: der Solarmarkt. „Neben dem Industriebereich und der Medizintechnik haben wir 2005 angefangen, uns auf die Solarindustrie zu konzentrieren. Wir haben Relais entwickelt, die speziell in Wechselrichtern für die Photovoltaik eingesetzt werden“, so Richard Bayer. „Wir waren die ersten, die ein Relais mit zweimal 50 Ampere für die Leiterplatte auf den Markt brachten.“ Und auch heute laufen die Geschäfte noch gut. „Wenn man Marktführer ist, kann man auch Geld verdienen - was im Massenmarkt nicht mehr der Fall ist.“ Heute beliefert Zettler die fünf wichtigsten Hersteller im Markt - und entwickelt gemeinsam neue Produkte. „Wir haben dazu ja das Know-how. Da weiß man eben, wie man das macht“, nennt Richard Bayer die Gründe für den Erfolg. Und dazu gehören auch die Fertigungsstandorte in Berlin und Polen. „Da gibt es schon recht hohe Ansprüche, mit chinesischen Fertigungen wird es da schwierig. Gerade im 50-Ampere-Bereich kommt es wirklich auf die Details an.“ Und auch wenn Richard Bayer selber von einem Nischenmarkt spricht, ist er damit nicht unzufrieden. „In der Nische kann man sich wunderbar wohlfühlen.“

Gelassen in die Zukunft

An die operative Geschäftsführung erinnert sich Richard Bayer durchaus gerne. „Man kommt viel herum und lernt sehr viele Leute kennen“, nennt er die Vorteile. Die Konzentration auf die Entwicklung neuer Produkte und die Key-Kunden schätzt er aber mindestens genau so. Und gerade neue Ideen und Produkte sind in der Elektronik-Industrie eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich zu sein. Dass das bei Zettler weiterhin der Fall sein wird, steht für Richard Bayer außer Frage. „Wir sehen der Zukunft gelassen entgegen. Uns fällt immer wieder etwas ein, was andere nicht haben“, erklärt er. Und das liegt sicher nicht zuletzt daran, dass jemand in Berlin immer weiter durchgeknallte Ideen entwickelt.

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