Optoelektronik, Displays & HMI 6 Tipps zur Auslegung einer automobilen Leitung für Hochvolt-Anwendungen

01.07.2013

Hochvolt-Leitung ist nicht gleich Hochvolt-Leitung. Jeder Automobilhersteller wünscht sich besondere Eigenschaften in puncto Leitfähigkeit, Flexibilität oder Dimensionierung. Kabelhersteller stimmen bei der Entwicklung eine Vielzahl von Parameter und Materialien aufeinander ab. Die folgenden Tipps helfen dabei, die geeignete Leitung zu finden.

Welcher Querschnitt wird für meine Applikation benötigt?

Der erste Schritt zur geeigneten Hochvolt-Leitung besteht darin, den benötigten Leitungsquerschnitt festzulegen. Dieser ist vorrangig abhängig von dem zu übertragenden Strom. In einem typischen Hochvolt-Leitungssatz für Elektroautos beziehungsweise Hybrid-PKWs werden beträchtliche Leistungen von 250 Ampère und mehr übertragen. Um dies zu ermöglichen, müssen die verwendeten Leitungen entsprechend dimensioniert sein. Häufig wird ein Kabelhersteller von den Kunden mit der Frage nach einem geeigneten Querschnitt für seinen Anwendungsfall konfrontiert. Zur Beantwortung werden Informationen zum konstant fließenden Strom, zu eventuell vorhandenen Spitzenströmen und zur maximal vorliegenden Umgebungstemperatur, bei der die Leitung eingesetzt werden soll, benötigt. Die jeweilige Umgebungstemperatur beeinflusst zudem auch die Wahl der Isolations- und Mantelmaterialien. Mit diesen Angaben kann dann mithilfe eines Simulationstools die Temperatur des Leitermaterials in Abhängigkeit von der Stromstärke und der benötigte Querschnitt ermittelt werden. Generell sollte der Querschnitt so klein wie möglich gewählt werden, um aus kommerziellen Gründen Kupfer einzusparen, das Leitungsgewicht so gering wie möglich zu halten und so wenig Bauraum wie möglich für die Verlegung der Leitung zu benötigen.Welche Isolations- und Mantelmaterialien sollen eingesetzt werden?Die Wahl der Kunststoffe ist mindestens genauso wichtig wie die Festlegung des Kabelquerschnitts. Grundvoraussetzung ist, dass die eingesetzten Werkstoffe für die geforderte Einsatztemperatur der Leitung geeignet sind. In automobilen Normen (z. B. ISO 6722) sind Temperaturklassen angegeben, welche die Dauergebrauchstemperatur sowie Temperaturen zur Durchführung thermischer Prüfungen definieren. Je nach Temperaturklasse können unterschiedlichste Isolations- und Mantelwerkstoffe zum Einsatz kommen, deren Eigenschaften teils stark differieren. Fluorpolymere zeichnen sich beispielsweise durch hohe chemische und mechanische Beständigkeit aus, allerdings ist das Material nicht sonderlich flexibel. Silikon ist besonders elastisch und biegsam, jedoch nicht gegen alle Medien beständig. Daher gilt es, die Werkstoffe gemäß den spezifischen Anforderungen des Einsatzbereichs auszuwählen und aufeinander abzustimmen. Des Öfteren gibt es zusätzliche Vorgaben bzgl. der Verwendung von Additiven. Dies betrifft insbesondere halogenhaltige Materialien sowie Kunststoffe, deren flammwidrige Eigenschaften durch den Zusatz von Deca BDE erreicht werden. Einer der Gründe hierfür ist, dass sich ein zukünftiges Verbot des Einsatzes Deca-BDE-haltiger Flammschutzmittel auf dem amerikanischen Markt abzeichnet.Geschirmte oder ungeschirmte Leitung?Häufig wird eine Schirmung der Leitung benötigt, um diese vor äußeren elektrischen Störfeldern zu schützen. Geschirmte Leitungen finden ihren Einsatz etwa im Antriebsstrang und verbinden unter anderem den Elektromotor mit der Leistungselektronik oder den Leistungsverteiler mit der Hochvolt-Batterie. Ungeschirmte Leitungen werden überwiegend zur Leistungsübertragung innerhalb der Hochvolt-Batterie verwendet. Je nach Einsatzbereich gibt es mehrere Möglichkeiten, Leitungen abzuschirmen: Für Anwendungen, bei denen eine sehr hohe Flexibilität und Torsionsbeständigkeit gefordert wird, eignet sich ein so genannter D-Schirm (Seilschirm) am besten. Dieser Schirm ist im Prinzip ein vereinfachtes, nicht verwobenes Geflecht, welches leicht zu kontaktieren ist. Zu beachten ist jedoch die geringere Schirmwirkung. Wenn vor allem gute EMV-Eigenschaften bei hoher Flexibilität verlangt sind, ist ein Geflechtschirm (C-Schirm), bestehend aus miteinander verwobenen, verzinnten Kupferdrähten, erste Wahl. Aufgrund der größeren Menge an Kupfer ist die Schirmwirkung sehr gut, jedoch macht sich dies auch im höheren Preis bemerkbar. Zur weiteren Steigerung der Schirmwirkung wird bei HV-Leitungen der C-Schirm häufig mit einem Folienschirm (B-Schirm), bestehend aus einer sich überlappenden Aluminium-kaschierten Folie, kombiniert.Anforderungen an erhöhte Flexibilität der Hochvolt-LeitungFür die Montage von Hochvolt-Leitungen ist eine sehr hohe Flexibilität der Kabel, nicht zuletzt aufgrund des engen Bauraumes oder Hochvolt-Bauteiles, von entscheidender Bedeutung. Gründe hierfür sind zum einen, dass der Verlegeraum für Leitungen während der Konstruktion tendenziell eher wenig Berücksichtigung findet. Zum anderen werden die Leitungen oftmals erst gegen Ende einer Entwicklungsphase final integriert. Um möglichst enge Biegeradien realisieren zu können, ist eine (hoch-)flexible Ausführung der Leitungen unumgänglich. Neben einer optimierten Geometrie des elektrischen Leiters im Kabelinneren (Litze) hat die Wahl des Isolations- und Mantelmaterials den größten Einfluss auf die Flexibilität der fertigen Leitung. Eine weiche Kunststoffmischung stellt eine geeignete Möglichkeit dar, die Flexibilität der Leitung signifikant zu steigern. Darüber hinaus kann sich bei geschirmten Leitungen das Design des verwendeten Schirmungstypen positiv auswirken und die flexiblen Eigenschaften weiter verbessern.Auslegung der Geometrie für die geforderte AnwendungJe nach Einsatzgebiet kann eine Leitung gleichen Querschnitts ganz unterschiedlich aufgebaut sein. Ein klassisches Beispiel aus der Praxis ist der Einsatz einer Leitung für bewegte Anwendungen, insbesondere für viele Biegezyklen. Hier hat sich bewährt, Litzen mit sehr geringem Einzeldrahtdurchmesser zu verwenden. Diese brechen bedeutend später im Vergleich zu Standardlitzen, deren Einzeldrahtdurchmesser wesentlich größer ausfällt. Bei mehradrigen Leitungen wird durch probate Veränderung der Schlaglänge, die den Grad der Verdrillung der Adern bestimmt, eine Verbesserung der Flexibilität realisiert. Bei Verwendung eines C-Schirmes kann über dessen Geometrie zusätzlich Einfluss auf die Biegeeigenschaften genommen werden. Besser ist von vornherein einen D-Schirm zu verwenden, da dieser Schirmungstyp besonders für Dauer- und Torsionsbewegungen geeignet ist. Durch entsprechende Kombination verschiedener Folien, die als „Gleitschichten“ wirken, können die flexiblen Eigenschaften weiter optimiert werden.Leitermaterial: Kupfer vs. AluminiumKupferleitungen sind für den Einsatz in Hochvolt-Anwendungen nach wie vor Standard, jedoch sind Hochvolt-Leitungen mit Aluminiumleitern immer weiter auf dem Vormarsch. Einer der Gründe hierfür ist vor allem der gestiegene Kupferpreis. Von großer Bedeutung ist zudem die Gewichtsersparnis beim Einsatz von Aluminiumleitungen im Vergleich zu Kupferleitungen. Bei Elektroautos muss angesichts der wuchtigen Batterie bei anderen Komponenten wie Karosserie oder Leitungssatz Gewicht verringert werden. Leider bietet der Alternativwerkstoff Aluminium nicht nur Vorteile. Aufgrund der schlechteren elektrischen Leitfähigkeit muss für die gleiche Leistungsübertragung ein größerer Querschnitt gewählt werden. Beispielsweise wird eine Kupferleitung mit einem Querschnitt von 50 mm² durch eine Aluleitung mit einem Querschnitt von 85 mm² ersetzt. Aus diesem Grund wird mehr Bauraum zur Verlegung der Leitungen benötigt, der bereits bei der Konstruktion der Kabelkanäle einkalkuliert werden muss. Bedenkt man, dass hinsichtlich des größeren Durchmessers auch mehr Material für Isolation und Mantel sowie mehr Kupfer für die Schirmung verwendet wird, fällt die Gewichtsersparnis geringer aus als vielleicht erwartet. Dennoch lässt sich durch die Verwendung von Aluminium eine Gewichtseinsparung von bis zu 40 Prozent erzielen.

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