Fachbeitrag Auf dem Weg zu Power-to-Gas

04.04.2013

In Frankfurt soll bis Ende 2013 eine der größten Pilotanlagen für Power-to-Gas ans Netz gehen. Das Verfahren, das mit Strom Gas erzeugt und so elektrische Energie speicherbar macht, bietet viele Chancen für die Energiewende. Zuvor muss es aber noch einige Hürden überwinden.

Zwar lässt sich Strom gut transportieren, er kann aber mittel- und langfristig nur gespeichert werden, wenn man ihn in andere Energieformen umwandelt. Deshalb sucht man im Rahmen der Ener-giewende nach Verfahren, um sinnvoll mit überschüssigem Strom umzugehen, wenn das Stromangebot die Nachfrage übersteigt. Mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Energien, die weniger regelbar sind, steigt der Bedarf zur Lösung dieses Problems enorm.

Vorteile von Power-to-Gas

Gängige Stromspeicherverfahren nutzen etwa chemische Verfahren (Batterien) oder die temporäre Umwandlung in potenzielle Energie (Pumpspeicherkraftwerke), um den Strom später wieder zurückzugewinnen. Alle diese Verfahren haben einen begrenzten Wirkungsgrad und vor allem eine begrenzte Kapazität. Batterien haben zusätzlich das Problem, dass sie über die Zeit an Ladung verlieren und schnell altern. Power-to-Gas macht dagegen aus der Stromspeichernot eine Tugend und versucht erst gar nicht, den Strom hin und wieder zurück zu wandeln, sondern wandelt ihn in Gas um - einen Energieträger, der infrastrukturell in Deutschland gut nutzbar und deutlich einfacher zu speichern und zu transportieren ist. Zudem lässt sich der bei der Elektrolyse entstandene Wasserstoff ohne Wirkungsverlust als Bei-mischung in das bestehende Gasnetz einspeisen, allerdings nur bis zu einem bestimmten Grenzwert (siehe Kasten).

Das Gasnetz ist gut ausgebaut, hat eine hohe Kapazität und vielfältige Abnehmer, die aus Gas entweder Wärme oder wieder Strom erzeugen. Diese Rückwandlung ist komplett entkoppelt vom Energieentstehungsprozess und kann regional und jahreszeitlich optimiert werden. Von Erzeugung bis zur Nutzung gedacht hat das Verfahren also einen immensen Reiz für eine nachhaltige und bezahlbare Energiewende in Deutschland.

Investition in die Zukunft

Speziell für Metropolregionen wie etwa das Rhein-Main-Gebiet wirft die Energiewende einige zentrale Fragen auf: Wie soll der hohe Energiebedarf in Ballungszentren in Zukunft auf eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Art und Weise befriedigt werden?

Power-to-Gas könnte mit seinen Speicher- und Transportmöglichkeiten ein Teil der Antwort sein, um die regenerativen Energien aus dem Umland zu nutzen und die Stadtregion zu versorgen. Auf diese Weise könnte sich ein Win-Win-Effekt für größere Städte und ihr Umland einstellen. Im September 2012 beschloss deshalb ein Konsortium von zwölf Projektpartnern aus der Thüga-Gruppe, in Frankfurt eine der größten Pilotanlagen für Power-to-Gas zu errichten. Bis Ende 2013 soll sie ans Netz gehen, pro Stunde sollen 3000 Kubikmeter mit Wasserstoff angereichertem Erdgas in das Frankfurter Verteilnetz eingespeist werden. Das Budget des Projekts beläuft sich auf 12 bis 15 Millionen Euro. Beteiligt ist auch Mainova.

Nach Aussagen von Dr. Günter Walther von der Thüga-Gruppe erwartet man bis 2050 einen Überschuss von zirka 50 TWh aus erneuerbaren Energien, der gespeichert werden muss. Das Erdgasnetz hat schon heute eine Kapazität von 200 TWh - diese Zahlen verdeutlichen das immense Potenzial dieser Speichertechnologie. Die Thüga-Gruppe hat sich deshalb vorgenommen, Power-to-Gas in der Frankfurter Demonstrationsanlage weiter voranzutreiben, um ihr Motto Wirklichkeit werden zu lassen, das lautet: Das Erdgasverteilnetz - die Batterie der Zukunft.

Spannend sind auch Walthers Aussagen zu den erwarteten Kosten: Für eine 6-MW-Anlage kalkuliert man aktuell Investitionskosten in Höhe von rund 1800 Euro/kW, was einer Gesamtsumme von rund 10 Millionen Euro entspricht. Ein wirtschaftlicher Betrieb wird erst dann möglich sein, wenn das elektrische Kilowatt für 600 Euro Investition erzeugt werden kann.

Momentan müssen also etwa zwei Drittel der Kosten durch Zuschüsse und Fördergelder ausgeglichen werden. Hier sind einerseits Bund und Länder gefordert, um der Technologie durch finanzielle Anreize auf die Sprünge zu helfen. Andererseits haben die Betreiber klare Zielvorgaben: die Erkenntnisse aus dem Bau und Betrieb der frühen Anlagen müssen ausgewertet werden, um Potenziale zur Kostenersparnis abzuleiten, damit die Anlagen später in eine kostengünstige Serienfertigung gehen können.

Helfer der Erneuerbaren

Besonders spannend wird der Ansatz dann, wenn regenerative Energieerzeuger mit Power-to-Gas zusammengeschaltet werden. Die Kombination von Power-to-Gas mit Windrädern liegt auf der Hand: An besonders windreichen Tagen müssen so keine Windräder mehr stillstehen, um die Netze vor Überlastung zu schützen.

Ähnliche Argumente gelten für die Kombination von Photovoltaik und Power-to-Gas: Solarstrom, der an sonnigen Tagen mittags üppig vorhanden ist, müsste nicht mehr zu Schleuderpreisen ins Ausland verkauft werden. Methanisierung macht ihn stattdessen speicherbar und transportabel.

Aber auch ein Zusammenschluss mit Biogasanlagen ist reizvoll, weil hier als Abfallprodukt genau jenes Kohlenstoffdioxid entsteht, das für die Methanisierung in der Power-to-Gas-Anlage benötigt wird. Folglich entstehen ökologische und ökonomische Synergien.

Technische und planerische Herausforderungen

Sollte Power-to-Gas im großen Stil seine Versprechen einlösen, könnte dieser charmante Ansatz verschiedene Probleme der Energiewende lösen und die bereits beschlossenen teuren Stromtrassen in Frage stellen.

Doch auch hier gibt es Herausforderungen: Neben dem begrenzten Wirkungsgrad ist es vor allem die Prozess-sicherheit, die den Beteiligten noch Sorgen macht. Großtechnische Elektrolyseverfahren sind keine neue Erfindung, es gibt sie schon seit den 70er Jahren. Neu sind jedoch die Umgebungsparameter. Der Elektrolyseprozess muss nun mit schwankender Stromversorgung klarkommen und kurzfristig hoch- und herunterfahrbar sein.

Genau darin liegt die Zielsetzung, die Spitzen der Stromversorgung sollen abgefedert werden, um die Netze sinnvoll zu entlasten. Bisher war das jedoch selten das zentrale Ziel der Elektrolyseanlagen. Die etablierten Verfahren arbeiteten immer unter geregelten Bedingungen mit konstanten Betriebsparametern und waren deutlich kleiner dimensioniert. Für Power-to-Gas sind perspektivisch Volumina geplant, die vor Jahren noch kaum ein Chemiker auf seiner Agenda hatte.

Weiterhin ist zu beachten, dass der Bau von Power-to-Gas-Anlagen nur dort Sinn ergibt, wo ein Gasanschluss besteht, oder ein entsprechender Ausbau des Gasnetzes effektiv möglich ist. Regionale Aspekte sind schon in der frühen Planung zu berücksichtigen, um ein sinnvolles Gesamtprojekt zu gewährleisten.

Eine Frage der Zeit

Bei all den skizzierten Chancen stellt sich vor allem die Zeitfrage: Kann Power-to-Gas dem aktuellen Tempo der Energiewende in Deutschland standhalten, um dabei eine wichtige Rolle zu spielen? Derzeit entstehen an verschiedenen Standorten in Deutschland Pilotierungs- und Demonstrationsanlagen, die ein erster Schritt auf dem Weg in Richtung einer Serientechnologie sind. Mut macht, dass gleich mehrere große Unternehmen des Energie- und Automobilmarkts die Chance erkannt haben und Power-to-Gas ernsthaft evaluieren.

So investiert RWE im nordrheinwestfälischen Ibbenbüren (100 kW), Eon im brandenburgischen Falkenhagen (2 MW) und Audi mit dem Projektpartner Solarfuel im niedersächsischen Werlte (6 MW). Audi hat neben der Einspeisung ins Gasnetz vor allem auch die ökologische Erzeugung von Kraftstoff für die hauseigenen Erdgasfahrzeuge im Visier. Für Konkurrenz ist also gesorgt.

Diese Erprobungsan-lagen werden zahlreiche Erkenntnisse liefern, deren Rückführung in die Entwicklung jedoch Zeit beanspruchen wird, um die Verfahren zu optimieren und leistungsfähige und zuverlässige Großanlagen zu ermöglichen. Insofern ist die gutgemeinte Schnelligkeit der deutschen Energiewende vielleicht der größte Hemmschuh für einen nachhaltigen Einsatz von Power-to-Gas.

Trotzdem scheint das Potenzial groß, denn auch andere Länder haben ähnliche Probleme wie Deutschland und könnten sich über das Verfahren durch die konsequente Ausnutzung regenerativer Energien unabhängiger von Gaslieferanten machen.

Es bleibt die Chance, dass Deutschland zum Technologieführer wird und einen Exportschlager für die Zukunft entwickelt: Power-to-Gas-Anlagen "Made in Germany".

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