Power & Leistungselektronik Aufbauarbeit leisten

14.02.2012

Moderne Stromversorgungslösungen, Zukunftstechnologien wie Elektromobilität oder intelligente Energienetze sowie der Zwang zum schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen sind ohne ständig verbesserte Leistungshalbleiter nicht zu haben. Neben Werkstoffalternativen zum Silizium trägt eine innovative Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT) wesentlich zur Erfüllung der gestellten Anforderungen bei.

Die Leistungselektronik ist die Schlüsseltechnologie zur intelligenten und flexiblen Energieversorgung sowie zur Steuerung verschiedenster elektrischer Verbraucher. Schaltnetzteile, elektrische Antriebe in Straßen- und Schienenfahrzeugen sowie große Industrieantriebe sollen möglichst effizient arbeiten, häufig auch unter widrigen Umweltbedingungen - nicht zuletzt, um die natürlichen Ressourcen zu schonen. Aus regenerativen Quellen gewonnene Energie wird mit Hilfe der Leistungselektronik so aufbereitet, dass sie ins bestehende Netz eingespeist werden kann: Ohne Leistungshalbleiter gibt es keine digital gesteuerten Stromnetze (Smart Grids). Zwangsläufig erhöhen sich die Erwartungen an Leistungsdichte, Schaltgeschwindigkeiten, Leit- und Schaltverluste sowie die Temperaturbeständigkeit von Leistungshalbleitern auf Si-, SiC- und GaN-Basis unablässig - bei gleichzeitig möglichst sinkenden Kosten.

Um den anspruchsvollen Anforderungen auch künftig nachzukommen, gilt der Erforschung und Entwicklung der AVT - dem „Packaging“ - für Leistungsmodule sowohl in Unternehmen als auch in Forschungseinrichtungen ein vorrangiges Interesse. Getrieben von der Notwendigkeit kompakter Aufbauten, hoher Zuverlässigkeit und niedrigen Kosten ist es notwendig, neue technologische Ansätze zu finden und den klassischen Ansatz für Leistungsmodule mit einer Kupferbodenplatte, Lotverbindungen, Gehäuse und Bonddrähten zu verlassen. Im Vordergrund stehen dabei Verbesserungen der Wärmeleistung, der thermomechanischen Zuverlässigkeit, der Beständigkeit bei höheren Betriebstemperaturen sowie eine optimale Systemintegration. Der Aufbau von Leistungsmodulen umfasst nicht nur das flächige Löten und Al-Dickdrahtbonden. Neue Aufbaukonzepte mit optimiertem thermischem Design wie die doppelseitige Kühlung sind genauso in der Entwicklung wie neue Verbindungstechnologien, von denen man sich eine höhere Lebensdauer erhofft.

Klassischer Aufbau mit Schwächen

Bei dem grundsätzlichen Aufbau eines Leistungsmoduls sind die Leistungshalbleiter auf ein Trägersubstrat gelötet oder im Silbersinterverfahren montiert und an der Oberseite mit Draht oder Bändchen gebondet. Zur Wärmeabfuhr mittels Luft oder Flüssigkeit wird diese Einheit entweder direkt mit einem Kühlkörper verlötet oder verschraubt, oder es wird eine metallische Bodenplatte (zum Beispiel aus Cu, Al, AlSiC) zwischengefügt. Da die Materialien unterschiedliche thermische Ausdehnungskoeffizienten (CTE, Coefficient of Thermal Expansion) aufweisen, besteht bei Temperaturwechsel die Gefahr einer thermomechanischen Ermüdung, die zu Rissbildung im Lot oder Bonddraht, damit letztlich zum Bruch und zu Totalausfall führen kann. �?hnliches gilt für die Ausfälle von Al-Dickdrahtkontakten durch thermische und/oder elektronische Wechselbeanspruchung. Als weiterer Fehlermechanismus kommt die so genannte Kriechermüdung in Lötverbindungen hinzu: Die infolge der hohen homologen Temperatur der üblichen Lote wie SnAgCu im Betrieb entstehenden thermomechanischen Spannungen werden durch Kriechverformung abgebaut, so dass die Lötverbindungen durch Kurzzeitermüdung verhältnismäßig früh ausfallen.

Innovative Aufbauvarianten können die Modulleistung wesentlich erhöhen. Zunächst lässt sich der Temperaturhub durch thermische Optimierung und den Einsatz von Materialien mit hoher Wärmeleitfähigkeit senken. Vorteilhaft wirken sich zudem Werkstoffe aus, deren thermischer Ausdehnungskoeffizient möglichst gut aufeinander abgestimmt ist. Zusätzlich sollte der Einsatz von Materialien mit einer hohen Kriech- und Ermüdungsfestigkeit angestrebt werden.

Zuverlässigere Kontakte

Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) in Berlin erforscht derzeit die Auswirkungen geänderter Drahtmaterialien bei der oberen Kontaktierung. An die Stelle des Al-Dickdrahtbondens der Power-Halbleiter sollen kupferbasierte Drähte und Bändchen treten. Von deren vergleichsweise geringerem CTE erhoffen sich die Forscher eine gesteigerte Zuverlässigkeit der Bondstelle auf dem Chipbei thermischer Wechselbelastung. Für eine verbesserte Ermüdungsfestigkeit sprechen sowohl höhere Festigkeitskennwerte als auch die höhere Dauerfestigkeit von Cu. Zudem wird wegen der höheren thermischen Leitfähigkeit sowohl die Chipoberfläche als auch die Schnittstelle Kupfer/Halbleitermaterial sowie die Bond-Schnittstelle bei gleicher elektrischer Beschaltung thermisch geringer belastet.

Draht- oder Bändchen-Bondkontakte können ebenfalls noch in ihrer Lebensdauer gesteigert werden. Hier ist vor allem das Cu-Dickdrahtbonden von Interesse, wofür eine Kupferschicht von >10 µm (gegenüber 5 µm Al) auf der Chipoberseite notwendig ist. Am Fraunhofer IZM wurden Standard-Wafer nachträglich mit einer 40 µm dicken Cu-Schicht metallisiert, die Chips mittels Ag-Sintern auf goldmetallisierten DCBs (Direct Copper Bonding) aufgebracht und anschließend Bondversuche mit 400-µm-Cu-Draht durchgeführt. Es wurden Active-Power-Cycling-Versuche mit einem Temperaturhub von ungefähr 100 K durchgeführt. Die Lebensdauerversuche zeigten bislang keine Anzeichen für eine Degradation der Bondstellen, der flächigen Chipverbindung (Die-Attach) oder der Lötverbindung Substrat zu Bodenplatte; die Versuche dauern noch an.

Sintern oder Diffusionslöten wird erprobt

Werkstoffe mit höherer Festigkeit als Verbindungsmaterialien können eine bessere Beständigkeit gegen Kriech- und Ermüdungsversagen der unteren flächigen Chipverbindung zum Substrat bewirken. Dasselbe gilt auch für eine Senkung der homologen Beanspruchungstemperatur durch eine höhere Schmelztemperatur der Kontaktwerkstoffe. Ferner können sich verringerte Unterschiede in den thermischen Ausdehnungen von Halbleiter- und Substratmaterial (beispielsweise DCB) positiv auf die Lebensdauer auswirken. Folglich werden im IZM bezüglich des Die-Attachs derzeit Lösungen wie Sintern und Diffusionslöten (TLPB/TLPS, Transient Liquid Phase Bonding/Soldering) erprobt oder bereits eingesetzt. TLPB garantiert eine feste, temperaturbeständige und zugleich dünne Verbindungsschicht zwischen Chip und Substrat. Damit erhöht sich die Lastwechselfestigkeit, die Ausnutzung der maximal möglichen Chiptemperatur scheitert nicht mehr an der AVT.

Es hat sich gezeigt, dass die Lebensdauer deutlich verlängert wird, wenn man die flächige Verbindung durch Silber- sintern herstellt. Denn Ag hat einen hohen Schmelzpunkt, ist verformbar (duktil) und hat eine sehr hohe thermische Leitfähigkeit. Gerade für hohe Betriebstemperaturen sind reine Silberverbindungen daher von großem Interesse. Hierbei wird Sn-Basis-Lot verwendet, das sich während des Lötens beziehungsweise bei der Erstarrung oder während nachgeschalteter Tempervorgänge vollständig in höher schmelzende intermetallische Phasen umwandelt. Dieses Prinzip kann sowohl mit Pasten als auch bei Anwendung sehr dünner Schichten angewendet werden. Die aufgedruckten, aufgesprühten oder dispergierten Silberpasten werden in Niedertemperatur-Verbindungstechnik (NTV) verarbeitet. Darüber hinaus versuchen die Materialhersteller, die derzeit übliche Mindesttemperatur beim Ag-Sintern von 230 °C ebenso zu senken wie die Prozessdauer und den Prozessdruck (derzeit 30 MPa).

Platine statt Draht: SKiN-Technologie

Eine neue Verbindungstechnologie, die von Semikron entwickelte SKiN-Technologie, basiert auf dem Ersatz der Lötverbindungen durch Sinterschichten. Dadurch können die Bonddrähte durch eine flexible Platine ersetzt werden. Diese wird auf die Chipoberseite gesintert. Im Gegensatz zu Bondaufbauten besitzt der Chip auf der Vorder- und Rückseite identische Metallisierungen, beispielsweise eine Silberoberfläche. Damit ist der Chip auf der Ober- und der Unterseite flächig mit der hochzuverlässigen Sinterschicht an die Stromzuführung angeschlossen. Während bei einer Bondverbindung nur ungefähr 20 Prozent der Chipoberfläche kontaktiert werden, erhöht sich durch die flächige Anbindung der Chipoberseite bei der SkiN-Technologie die angebundene Fläche beim IGBT auf 50 und bei der Diode auf 80 Prozent. Damit sind ungefähr 25 Prozent höhere Stoßströme bei der Diode möglich.

Außerdem arbeiten Forscher im Rahmen des durch das BMBF geförderten Projekts „HotPowCon“ an der Aufbautechnik von Leistungselektronik für Betriebstemperaturen bis 300°C für Elektrofahrzeuge als Schlüsseltechnologien für die Elektromobilität.

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