Power & Leistungselektronik Beeinflussungen widerstehen

27.02.2013

Mit der zunehmenden Elektrifizierung von Kraftfahrzeugen steigen auch die Herausforderungen für die EMV. Problematisch ist dabei vor allem, dass die Standardisierung mit der technischen Entwicklung nicht Schritt halten kann.

EMV-Herausforderungen in der Kfz-Elektronik spiegeln sich in einer großen Brandbreite von Beeinflussungen wider. Sie reichen von geringfügigen Störungen, wie zum Beispiel Geräuschbelastungen durch die Unterhaltungselektronik, bis hin zu schwerwiegenden Störungen, wie dem Ausfall von Motorfunktionen oder Beeinflussungen der Fahrzeugkontrolle. Speziell Letztere können die Sicherheit von Fahrzeuginsassen und anderen Verkehrsteilnehmern beeinträchtigen. Hinzu kommt die wachsende Nachfrage nach Hybridelektrofahrzeugen (HEV/Hybrid Electric Vehicles) und Elektrofahrzeugen (EV/Electric Vehicles). Höhere Spannungen (bis 1.000 VDC) und elektrische Leistungen (derzeit bis 85 kW) dieser Antriebsarten bringen ein Bündel neuer Herausforderungen an die EMV mit sich, die die Zubehörindustrie wie die Autohersteller vorrangig betrachten müssen, da sie künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Die EMV-Situation eines Fahrzeugs wird durch zwei entgegenwirkende Faktoren bestimmt:

Die zunehmende Anzahl der in ein Fahrzeug eingebauten elektronischen Komponenten und Module für Steuerung, Kommunikation und Unterhaltung erschwert das Erreichen der EMV-Ziele. Der Trend geht dahin, komplexe Verkabelung für analoge, digitale und Hochstrom-Signale mit Tiefpegelsignal-Protokollen zu vereinfachen.

Die genannten Veränderungen sind bereits voll im Gange. Automobilhersteller müssen sicherstellen, dass neue Module vor ihrem Einsatz entsprechend der jeweiligen EMV-Normen geprüft werden und die Normen dem tatsächlichen Einsatzumfeld entsprechen. Während viele EMV-Normen von nichtstaatlichen Organisationen (und/oder von Autoherstellern) herausgegeben werden, sind sie leichter zu aktualisieren. Die EMV-Richtlinie 72/245/EWG in der Fassung 2009/19/EG der EU dagegen enthält eigene Anforderungen, deren �?nderung einen größeren Aufwand erfordert. Glücklicherweise bezieht sich die 2009/19/EG auf eine Reihe internationaler EMV-Normen. Im Rahmen der aktuellen öffentlichen Bewusstseinsbildung für die Notwendigkeit alternativer Antriebsarten, wie zum Beispiel EV- und HEV-Fahrzeuge, haben sich von den Großkonzernen unabhängige Autohersteller etabliert, die ihre eigenen EMV-Verfahren entwickeln und möglicherweise dazu ihre eigenen EMV-Standards erstellen.

Das sich verändernde EMV-Umfeld

Heutige Kraftfahrzeuge enthalten eine Mischung aus herkömmlichen elektrischen bzw. elektronischen Funktionen mit neu entwickelten Komponenten inklusive deren Vernetzung. Dabei handelt es sich um dutzende Module, Sensoren und Aktoren sowie mehrere Bussysteme (Tabelle Seite 75). Jede dieser Funktionen hat Auswirkungen auf das EMV-Umfeld des Fahrzeugs.Zu den EMV-Herausforderungen aus elektronischen Zusatzfunktionen kommen neuartige Einflussfaktoren, die sich aus den neuen Antriebstechniken der Hybrid-Elektrofahrzeuge (HEV) und Elektrofahrzeuge (EV) ergeben. Im Speziellen sind das Betriebsspannungen bis zu 1.000 V, Schaltflanken von Wechselrichtern und neuartige Konfigurationen von Bus- und HV-Verkabelungen. Diese Thematiken stellen für HEV- und EV-Antriebssysteme die Blockschaltbilder oben dar. Zu der in diesen Abbildungen dargestellten Grundproblematik gesellt sich die aus der Vielzahl von Modulen, Sensoren, Aktoren, Netzwerken und zentralen Steuerungsfunktionen des Fahrzeugs entstehende komplexe Herausforderung.

Die sich verändernden EMV-Prüfanforderungen

Die bestehenden EMV-Prüfnormen für das vollständige Fahrzeug beziehungsweise für Komponenten und Module decken die elektromagnetischen Effekte ab, die in herkömmlichen Fahrzeugen auftreten. Die Autohersteller wenden dafür EG-Richtlinien oder Normen des SAE sowie andere internationale Normen (z. B. CISPR, ISO) an (Tabelle Seite 76). Alternativ erstellten sie dazu eigene Standards, nach denen die Prüflabore strikt vorzugehen haben.Wegen der hohen Kosten für EMV-Prüfungen vollständiger Fahrzeuge und angesichts der Notwendigkeit, die Integration neuer Komponenten zu beschleunigen, werden EMV-Prüfungen sowohl auf der Ebene der Komponenten bzw. Module, als auch auf Chip-Ebene durchgeführt. Die zusätzlichen Komplexitäten der neuen HEV- und EV-Antriebssysteme erfordern verschärfte EMV-Anforderungsprofile. Hohe Batteriespannungen verringern zwar Übertragungsverluste, aber die resultierenden höheren Systemimpedanzen können dazu führen, dass die mit den Nachbildungsnetzwerken gemäß CISPR 25 durchgeführten Emissionsmessungen gegenstandslos sind (Quelle: “High Voltage Automotive EMC Component Measurements Using an Artificial Network,” Nelson et. al., IEEE Proceedings 18th Int. Zurich Symposium on EMC, 2007, pp. 195-200). Außerdem können die Impedanzen der Batterie sowie des Antriebsmotors und deren �?nderungen eine große EMV-Relevanz erlangen. Bei Veränderungen der Last und Drehzahl von Antriebsumrichtern sind HF-Emissionen (leitungs- bzw. feldgebunden) von extremer Intensität beobachtet worden. Leider ist diese Beobachtung noch nicht in die EMV-Normung eingeflossen.

Schlussfolgerung

Da laufend neue Bordelektronik, Kommunikationsmedien (drahtgebunden wie drahtlos) und neue Antriebssysteme entwickelt werden, ist das EMV-Umfeld der Fahrzeuge permanenten Veränderungen unterworfen. Demzufolge befinden sich sowohl die EMV-Normengremien wie auch die Hersteller in einer Situation, in der es kein abgestimmtes und etabliertes Prüfverfahren gibt, um die Konformität von Fahrzeugen mit HEV- oder EV-Antriebssystem und deren Komponenten abzubilden und sicherzustellen.

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